Politik
Landgericht untersagt vorläufig Kooperation zwischen Bund und Google
Mittwoch, 10. Februar 2021
München – Das Landgericht München I hat heute dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und Google vorläufig eine Zusammenarbeit bei Informationsangeboten untersagt. Bei der Google-Suche nach Krankheiten wurden prominent hervorgehobene Infoboxen mit Gesundheitsinformationen angezeigt, die aus den Inhalten des Nationalen Gesundheitsportals des BMG (gesund.bund.de) gespeist und mit einem Link zu diesem Portal versehen waren. Die Kammer bewertete dies als Kartellverstoß.
Die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts München I gab damit im Wesentlichen zwei Anträgen der NetDoktor.de GmbH in einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (Az. 37 O 15721/20), vertreten durch das BMG, und gegen die Google Ireland Ltd. (Az. 37 O 17520/20) statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es können Rechtsmittel eingelegt werden.
„Das BMG ist mit Google eine Vereinbarung eingegangen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale bewirkt“, führte die Vorsitzende Richterin, Gesa Lutz, in ihrer mündlichen Urteilsbegründung aus. Dies bewirke eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale.
Denn die bestmögliche Position auf der Ergebnisseite der Google-Suche, nämlich die neu geschaffene, prominent hervorgehobene Position „0“ in der Infobox, stünde privaten Anbietern von Gesundheitsportalen von vornherein nicht zur Verfügung.
Die prominent platzierten Informationsboxen seien für private Anbieter wie NetDoktor.de nicht zugänglich und schränkten ihre Sichtbarkeit somit stark ein. Dies führe zu einer Verringerung des Nutzeraufkommens bei NetDoktor und damit potentiell auch zu einem Verlust von Werbeeinnahmen, erklärte Lutz weiter.
Gegen die Kooperation hatte der Betreiber des Onlineportals NetDoktor.de wegen Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht geklagt.
Das Gericht gab den Eilanträgen im einstweiligen Verfügungsverfahren auch deshalb statt, weil NetDoktor.de seit Beginn der Kooperation des Ministeriums mit Google bereits geringere Klickraten bei einigen besonders häufig gesuchten Krankheiten zu verzeichnen hatte. Den zu befürchtenden Verlust von Werbeeinnahmen müsse das Portal nicht abwarten, um gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums erklärte auf Anfrage, das Urteil werde zur Kenntnis genommen. Nach einer Auswertung werde über weitere Schritte entschieden. Das Angebot des nationalen Gesundheitsportals als solches bleibe von dem Urteil aber unberührt.
Google zeigte sich enttäuscht über das Urteil. Menschen erwarteten relevante und vertrauenswürdige Informationen über Gesundheit und die Pandemie, erklärte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Google sei „enttäuscht darüber, dass das Landgericht München die Einbindung von solchen faktischen und wissenschaftlich fundierten Informationen des Bundesgesundheitsministeriums in die Google-Suche nun untersagt hat“. „Wir prüfen die Entscheidung des Gerichts und die uns zur Verfügung stehenden Rechtsmittel“, erklärte der Sprecher.
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger bemängelten, dass das Urteil keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Informationsportals treffe. Dass das Ministerium „überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar“, kritisierten die Verbände. Das vorläufige Verbot der Kooperation sei jedoch „ein wichtiger Schritt zur Sicherung des diskriminierungsfreien Pressevertriebs im Netz“.
Auch der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, begrüßte das Urteil. „In der Coronakrise erleben wir vielfältige Wettbewerbsverzerrungen“, erklärte er. Hierzu zählten Hilfen nur für ausgesuchte Konzerne „genauso wie die direkte Kooperation des Bundesgesundheitsministeriums mit Google“. © afp/aha/aerzteblatt.de

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