Ärzteschaft
Coronapandemie: Nachfrage nach Psychotherapie hat zugenommen
Freitag, 12. Februar 2021
Berlin – Die Nachfrage nach Psychotherapie hat während der Coronapandemie stark zugenommen. Gleichzeitig fehlen Behandlungskapazitäten. Eine Blitzumfrage der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) mit 4.693 Teilnehmern zeigte, dass im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Patientenanfragen in Praxen um durchschnittlich 40 Prozent angestiegen sind.
Nur jede vierte aktuell anfragende Patient erhält der Umfrage zufolge einen Termin für ein erstes Gespräch. Die Hälfte der Anfragenden muss länger als einen Monat auf ein Erstgespräch warten. „Das ist Patienten nicht zumutbar, die Praxen unserer Mitglieder werden förmlich überrannt“, betont der DPtV- Bundesvorsitzende Gebhard Hentschel.
Für Psychotherapeuten sei es bedrückend, dass sie nicht jedem eine Therapie anbieten könnten. 77 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass diese Situation sie belaste. „Wir brauchen in den Praxen flexiblere Reaktionsmöglichkeiten auf die zunehmenden Anfragen. So muss die Telefonkonsultation Anfragenden zugänglich gemacht werden – nicht nur den Patienten, die sich bereits in Therapie befinden“, forderte Hentschel.
Nach den Regelungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist die telefonische Konsultation nur möglich bei Patienten, die der Arzt oder Psychotherapeuten bereits kennt. Als „bekannt“ gilt ein Patient, wenn er in den letzten sechs Quartalen, die dem Quartal der Konsultation vorausgehen, mindestens einmal in der Praxis war.
In der Umfrage wurden die Mitglieder des Berufsverbands gebeten, die Anfragen einer aktuellen Januarwoche mit dem gleichen Zeitraum im Jahr 2020 zu vergleichen. Wurden im vergangenen Jahr im Schnitt 4,9 Patientenanfragen pro Woche gestellt, waren es 2021 bereits 6,9 Anfragen.
Der Anteil an Psychotherapeuten, die mehr als zehn Anfragen pro Woche erhielten, verdoppelte sich dabei. Nur zehn Prozent der Anfragenden könnte der Umfrage zufolge innerhalb eines Monats einen Therapieplatz erhalten. 38 Prozent müsse länger als sechs Monate warten.
„Hier ist ein schnelles und unbürokratisches Angebot nötig – etwa eine Akutbehandlung per psychotherapeutischer Videositzung“, forderte der DPtV-Bundesvorsitzende. Videobehandlungen wurden seit Beginn der Pandemie von Psychotherapeuten und Patienten positiv angenommen, auch wenn sie mit Nachteilen verbunden sind und der persönliche Kontakt nach wie vor als Goldstandard gilt.
Eine Einzelpsychotherapie kann der KBV zufolge grundsätzlich auch als Videosprechstunde durchgeführt werden, wenn bereits ein persönlicher Erstkontakt zur Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung stattgefunden hat.
Die Akutbehandlung muss aber – gerade aufgrund der Krisensituation – weiterhin in der Praxis vorgehalten werden. Die Psychotherapeutische Sprechstunde und die Probatorische Sitzung hingegen können während der Coronapandemie auch als Videosprechstunde begonnen werden, beispielsweise wenn dem Patienten ein Aufsuchen der Praxis nicht zumutbar ist.
Starke Zunahme auch in Privatpraxen
In den psychotherapeutischen Privatpraxen (6,3 Prozent der Umfrageteilnehmer) sieht es der DPtV- Umfrage zufolge nicht besser aus als in den Praxen mit Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Die aktuelle Anzahl der Patientenanfragen liegt mit sechs pro Woche etwas niedriger als in Kassenpraxen (7,1 pro Woche). Im Vergleich zum Januar 2020 beträgt die Zunahme der Anfragen jedoch 61 Prozent. Nur jedem fünften Patienten kann in der Privatpraxis zurzeit ein Termin für ein Erstgespräch angeboten werden.
„Die Situation der Patienten könnte man kurzfristig verbessern, wenn die Krankenkassen Kostenerstattungsanträge nach Paragraf 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V schneller bewilligten, gesetzlich Versicherten also auch die Therapie bei privaten Psychotherapeuten bezahlt wird“, sagte Hentschel.
Regional zeigt die Umfrage nur geringe Unterschiede: In Großstädten ist der Anstieg der Patientenanfragen 46 Prozent höher als im Vorjahr, in kleineren Städten und Gemeinde 38,5 Prozent. In letzteren ist jedoch der Anteil der Patienten, die mehr als ein halbes Jahr auf einen Behandlungsplatz warten müssen, etwas höher (42,3 versus 35,3 Prozent). © pb/aerzteblatt.de

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