Politik
Veröffentlichung des TI-Whitepapers sorgt für harsche Kritik
Dienstag, 16. Februar 2021
Berlin – Für Ärger innerhalb der gemeinsamen Selbstverwaltung sorgt derzeit die Veröffentlichung des Whitepapers „TI 2.0 - Arena für digitale Medizin“ durch die Gematik.
In einem dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegenden Schreiben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) heißt es, dies sei unangekündigt und explizit entgegen eines entsprechenden Beschlusses der Gematik-Gesellschafterversammlung erfolgt. Gematik-Geschäftsführer Markus Leyck Dieken weist diesen Vorwurf in einem Antwortschreiben, das dem DÄ ebenfalls vorliegt, „entschieden“ zurück.
Man erwarte, dass die Gematik klarstellt, dass das veröffentlichte Whitepaper als eine „nicht mit den Gesellschaftern abgestimmte Ideensammlung“ der Gematik zu verstehen ist, so Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des KZBV-Vorstandes.
Zudem wird in dem Schreiben, das auch im Namen der Bundesärztekammer (BÄK), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), des Deutschen Apothekerverbands (DAV), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), des GKV-Spitzenverbands und des Verbands der Privaten Krankenversicherung formuliert ist, gefordert, die Thematik für die nächste Gesellschafterversammlung vorzusehen.
Die acht Organisationen halten gemeinsam 49 Prozent der Anteile an der Gematik. Mehrheitsgesellschafter ist das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit 51 Prozent.
Aus Sicht der acht beteiligten Organisationen an dem Schreiben ist die ursprünglich von der Gematik eingebrachte Beschlussvorschlag zum Whitepaper insofern geändert worden, als dass die Gesellschafter die dargestellte Neuausrichtung der Telematikinfrastruktur (TI) zunächst diskutieren – und eben noch nicht beschließen würden.
Demnach hätte zunächst ein Beschluss zur TI-Neuausrichtung und der sich anschließenden Veröffentlichung der Strategie nach einer erneuten Vorstellung in der Gesellschafterversammlung erfolgen sollen. Im Klartext: Das Papier hätte nicht unabgestimmt veröffentlicht werden dürfen. Problematisch wird vor allem die Kommunikation zu den Überlegungen gesehen, perspektivisch auf Softwarelösungen zu setzen. Angedacht sind im Whitepaper unter anderem der Wegfall proprietärer IT-Lösungen (zum Beispiel Konnektor) und ein neues Authentifizierungsystem für die TI-Nutzer ohne die jetzigen Smartcards (eGK, HBA, SMC).
Gerade vor dem Hintergrund der Einführung neuer Anwendungen wie der elektronischen Patientenakte (ePA) und dem elektronischen Rezept (E-Rezept) sowie der enormen Anstrengungen, die die Leistungserbringerorganisationen seit Jahren in die Überzeugungsarbeit ihrer Mitglieder steckten, stelle sich das unabgestimmte Vorgehen der Gematik als völlig kontraproduktiv dar.
So werbe man seit geraumer Zeit bei den Mitgliedern darum, den elektronischen Heilberufsausweis zeitnah zu beantragen. Die Veröffentlichung des Whitepapers habe diese langsam ihre Wirkung entfaltenden Überzeugungsarbeit zu einem Großteil zunichte gemacht, beklagt Pochhammer in dem Schreiben.
Zahnärzte und Ärzte würden sich bei ihren Kammern und K(Z)Ven beschweren, warum sie massiv von ihren eigenen Organisationen zum Kauf von etwas gedrängt würden, was jetzt schon wieder abgekündigt sei und von der Gematik quasi selbst als nicht zeitgemäß und nicht nutzerorientiert eingeschätzt werde, heißt es in Bezug auf die Überlegungen zur künftigen technischen Ausgestaltung der TI.
Leistungserbringer sehen eigene Hinweise nicht berücksichtigt
Die Situation werde zusätzlich dadurch verschärft, dass das Whitepaper weiterhin die Behauptung enthalte, die im Papier enthaltenen Konzepte seien das konsolidierte Ergebnis der Interviews der Gematik mit ihren Gesellschaftern und in einem Strategieworkshop vorgestellt und diskutiert worden. Dabei habe man aus Sicht der Leistungserbringerorganisationen deutlich gemacht, dass man dies völlig anders sähe und Hinweise aus den Gesprächen in keinster Weise gewürdigt worden seien.
Die angestrebte partnerschaftliche Zusammenarbeit sei so grundsätzlich konterkariert worden. Die extrem knappen gesetzlichen Fristen zu erfüllen und die Anwendungen der TI umzusetzen könne jedoch nur gelingen, wenn die Leistungserbringer, die die Komponenten und Prozesse in ihren Praxen installieren müssen, mitgenommen und positiv auf die Neuerungen eingestimmt werden.
In diesem Sinne fordern die Leistungserbringerorganisationen nachdrücklich dazu auf, die Hinweise und Aufträge, die in den Gremien der Gematik gemeinsam festgehalten werden, ernst zu nehmen und gemeinsam mit den Gesellschaftern an deren Umsetzung zu arbeiten.
Vor dem gesamten Hintergrund der fraglichen Gesellschafterversammlung habe man das einstimmige Votum zum Beschluss das Whitepaper betreffend als sehr unterstützendes Signal wahrgenommen, betont Leyck Dieken in seiner Replik. Man bedauere, dass dies augenscheinlich nicht die Wahrnehmung der unterzeichnenden Gesellschafter gewesen sei.
Das Whitepaper sei auch keineswegs als finales Konzept zu lesen, sondern werde erst nach „entsprechend fundierter Diskussion“ mit den Gesellschaftern schlussendlich als sogenanntes „Green-Paper“ per Beschluss der Gesellschafterversammlung angenommen.
Angesichts der auch von den Leistungserbringern thematisierten Ambivalenz, etwas Neues angesichts der zunehmenden Erwartungen an die TI ankündigen zu müssen und gleichzeitig eine gute Durchdringung der aktuell schon verfügbaren digitalen Anwendungen anzustreben, könne ein gemeinsames Bekenntnis zu Produkten wie ePA, KIM und E-Rezept ein „ausschlaggebendes Signal“ darstellen – so der Appell des Gematik-Geschäftsführers.
„Das Spannungsfeld, in dem wir uns gemeinsam befinden, ist gekennzeichnet sowohl durch die Nachfragen, die Sie zitieren, wie auch durch die immer lauter werdende Kritik an der nicht mehr zeitgemäßen TI“, schreibt Leyck Dieken. Er mahnt, dass die Selbstverwaltung auch schauen müsse, Produkte wie die ePa nicht in „Misskredit“ zubringen.
Bereits in den kommenden zwei bis drei Jahren würden angesichts des zunehmenden Leistungskatalogs erkennbar die „Limitationen der aktuellen TI-Struktur“ aufgezeigt. Insofern komme das Konzept aus seiner Sicht zur rechten Zeit. Die Beantwortung der Fragen nach einem Weg zu mehr Betriebsstabilität und Nutzerorientierung der TI sei deshalb, so Leyck Dieken, „in unser aller Interesse“. Für weitere gemeinsame Gespräche stehe er zur Verfügung, betonte Leyck Dieken. © bee/aha/aerzteblatt.de

„Es kann nur Einen geben.“ Und der heißt Spahn.
Die Reaktion, besser gesagt die ausgebliebene Reaktion, auf das Schreiben der acht Minderheitsgesellschafter macht unmissverständlich klar, wer in der Gematik das Sagen hat. Wenn der Geschäftsführer der Gematik den acht Minderheitsgesellschaftern öffentlich antwortet, dass ihn deren Kritik nicht die Bohne interessiert, ohne dass er dafür vom Mehrheitsgesellschafter, also dem BMG, zur Raison gerufen wird, dann ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer immer in Absprache mit dem Mehrheitsgesellschafter gehandelt hat.
Spahn will also genau das, was die Gematik im Whitepaper veröffentlicht hat.
Mit dem Eintreten des BMG als Gesellschafter, und zwar als Mehrheitsgesellschafter, der Gematik war klar, dass das BMG die Kontrolle übernommen. hat. Egal ob K(Z)BV, B(Z)ÄK oder GKV-Spitzenverband, sie haben in der Gematik nichts mehr zu bestellen. Demzufolge bleiben auch die Interessen der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und Krankenversicherungen unberücksichtigt, wenn es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen geht.
Was wird im Weiteren passieren? Nichts. Die Gematik steuert exakt den Kurs, den Spahn vorgibt. Sind die späteren Anwender/Nutzer von dem, was die Gematik verfolgt, nicht überzeugt, wird das Vorhaben die Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und den BER als gescheitertes Großprojekt des Staates locker auf die Plätze verweisen.

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