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Medizin

COVID-19: Weltweit 20,5 Millionen verlorene Lebensjahre – Lebenserwartung in den USA um 1 Jahr gesunken

Freitag, 19. Februar 2021

/Quality Stock Arts, stock.adobe.com

Barcelona – Die weltweit 1,2 Millionen Menschen, die bis Anfang Januar diesen Jahres an COVID-19 gestorben sind, haben zusammen 20,5 Millionen Lebensjahre verloren, wobei 3/4 auf Menschen entfällt, die vor dem 75. Lebensjahr gestorben sind.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie in Scientific Reports (2021; DOI: 10.1038/s41598-021-83040-3), die auch zeigt, dass durch COVID-19 bis zu 9. Mal mehr Lebensjahre verloren gingen als während einer durchschnittlichen Grippesaison.

Männer haben 45 % mehr Lebensjahre verloren als Frauen. Laut einem Vital Statistics Rapid Release (2021; DOI: 10.15620/cdc:100392) der Centers of Disease Control and Prevention ist die Lebenserwar­tung in den USA um 1 Jahr gesunken.

Zu den populistischen Einwänden gegen die Coronamaßnahmen gehört die Aussage, dass an COVID-19 nur Menschen sterben, die ohne die Erkrankung nur noch wenige Monate gelebt hätten. Auch ein Vergleich mit der saisonalen Grippe wurde zu Beginn der Epidemie häufig genannt. Die Analyse, die Héctor Pifarré i Arolas von der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona und Mitarbeiter jetzt vorstellen, entwerfen ein anderes Bild.

Die Forscher haben das Lebensalter der Verstorbenen mit der durchschnittlichen Lebenserwartung in den jeweiligen Ländern in Beziehung gesetzt und so für die einzelnen Personen die Zahl der verlorenen Lebensjahre („years of life lost“, YLL) errechnet. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Verstorbenen nicht wenige Monate, sondern im Durchschnitt 16 Jahre an Lebenszeit verloren haben.

Die YLL war laut der Analyse zwischen 2 bis 9 Mal so hoch wie bei einer normalen Grippesaison und zwischen 2 bis 8 Mal so hoch wie durch Verkehrsunfälle. Die YLL-Raten liegen global zwischen einem 1/4 und der Hälfte niedriger als bei Herzerkrankungen, der häufigsten Todesursache in vielen Ländern. In Lateinamerika sind der Analyse zufolge durch COVID-19 sogar mehr Lebensjahre als durch Herzerkran­kungen verloren gegangen.

Das durchschnittliche Sterbealter von COVID-19 liegt mit 72,9 Jahren zwar relativ hoch. Es sterben jedoch auch jüngere Menschen, deren Beitrag zur globalen Summe der YLL höher ist: Nach den Berech­nungen der Demografen sind 44,9 % der globalen YLL auf Personen zurückzuführen, die im Alter zwisch­en 55 und 75 Jahren an COVID-19 gestorben sind. Weitere 30,2 % entfallen auf Personen unter 55 Jahre und nur 25 % auf Personen über 75 Jahre.

Dabei gibt es große Unterschiede zwischen reicheren und ärmeren Ländern. In Ländern mit hohen Einkommen entfiel mehr als die Hälfte der YLL auf die älteste Bevölkerungsgruppe über 75 Jahre. In Ländern mit mittleren und niedrigen Einkommen war der Anteil in der jüngsten Bevölkerungsgruppe unter 55 Jahre größer.

Männer verloren im Durchschnitt zu 45 % mehr Lebensjahre als Frauen. Dies liegt zum einen daran, dass Männer im Durchschnitt fast 5 Jahre früher an COVID-19 starben als Frauen (durchschnittliches Todes­alter 71,3 gegenüber 75,9 Jahre). Zum anderen war die Zahl der Todesfälle bei Männern um 39 % höher. Auch hier gibt es von Land zu Land Unterschiede. In Finnland und Kanada waren die YLL von Männern und Frauen annähernd gleich. In Peru verloren Männer doppelt so viele, und in Taiwan 4 mal so viele Lebensjahre.

Die Zahlen stellen laut dem Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock, Mikko Myrskylä, der an der Studie beteiligt war, nur eine Momentaufnahme dar. Die tatsächliche Zahl verlorener Lebensjahre könnte deutlich höher aber auch niedriger liegen. Sie könnte höher liegen, weil nur Personen erfasst wurden, bei denen die Diagnose COVID-19 vor dem Tod gestellt wurde. Die tatsäch­liche Zahl der Infizierten könnte jedoch höher sein. Hinzu kommt, dass die Sterblichkeit auch bei nicht­infizierten Menschen erhöht war, weil sie wegen überfüllter Kliniken nicht angemessen behandelt wurden oder aus Angst vor einer Ansteckung einen notwendigen ärztlichen Kontakt vermieden haben.

Die Studie könnte die Zahl der YLL auch überschätzt haben, weil Personen, die an COVID-19 starben, wegen ihrer Begleiterkrankungen eine niedrigere Lebenserwartung haben als der Rest der Bevölkerung. Dieser Einwand betrifft allerdings auch Grippeerkrankung, da auch bei der Influenza die Komorbidität das Sterberisiko beeinflusst.

Dass der Anstieg der Mortalität real ist, ergibt sich auch aus anderen Quellen. Nach Angaben der US-Centers of Disease Control and Prevention ist die Lebenserwartung der Bevölkerung in den USA in der ersten Hälfte des Jahres 2020 gegenüber dem Vorjahr um 1 Jahr von 78,8 auf 77,8 Jahre gefallen. Bei Männern fiel die Lebenserwartung um 1,2 Jahre auf 75,1 Jahre. Bei Frauen kam es zu einem Rückgang um 0,9 Jahre auf 80,5 Jahre.

Bei Afroamerikanern fiel die Lebenserwartung um 2,7 Jahre auf 72 Jahre, bei den „Hispanics“ um 1,9 Jahre auf 79,9 Jahre. Die Amerikaner europäischer Herkunft verloren 0,8 Jahre mit einer Lebenserwartung von jetzt 78 Jahren. © rme/aerzteblatt.de

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