Ärzteschaft
Ärzte gegen Ersteinschätzung von Notfallpatienten durch Software
Donnerstag, 25. Februar 2021
Berlin – Der Marburger Bund (MB) warnt zusammen mit notfallmedizinischen Fachgesellschaften davor, Patienten, die eine Krankenhausnotaufnahme oder Rettungsstelle aufsuchen, ohne ärztliche Abklärung mittels eines Software-Algorithmus an eine ambulante Versorgungsstruktur weiterzuleiten. Hintergrund ist eine Regelung im Entwurf für das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, das morgen in erster Lesung im Bundestag beraten wird.
Die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA), die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der MB werfen der Bundesregierung vor, den Krankenhäusern im Gesetzentwurf ein standardisiertes Abfragesystem zur Ersteinschätzung vorzuschreiben.
„Es existiert derzeit kein wissenschaftlich validiertes Ersteinschätzungssystem, das automatisiert die Behandlungsdringlichkeit feststellen und zusätzlich auch die Steuerung in die richtige Versorgungsebene sicher gewährleisten kann“, warnen die Verbände. Auch jetzt arbeiteten die Häuser bereits mit wissenschaftlich validierten Instrumenten, die die Behandlungsdringlichkeit des Patienten einschätzten.
„Es erfolgt jedoch in jedem Fall ein Arztkontakt, der das Ergebnis der ersten Einschätzung auch korrigieren kann“, betonen MB, DGINA und DIVI. Sie fordern „ein schlüssiges Gesamtkonzept zur sektorübergreifenden Strukturierung der Notfallversorgung“. Ein solches sei aber im zur Debatte stehenden Gesetzentwurf nicht erkennbar. „Stattdessen soll ein einzelner Baustein der Reform vorab isoliert geregelt und den Kliniken oktroyiert werden“, so ihre Kritik.
Ein Gesamtkonzept zur Notfallversorgung fordert auch die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG). „Nur wenn eine flächendeckende und hochwertige Notfallversorgung in Verbindung mit einer sinnvollen Patientensteuerung sichergestellt ist, können die Krankenhausstrukturen zukunftsfähig aufgestellt werden“, hieß es aus der Allianz.
Die AKG fordert für die Patientensteuerung eine „organisatorisch weitgehend unabhängige Instanz mit medizinischer Kompetenz und gesicherter (fallunabhängiger) Finanzierung“. Nur eine solche Instanz könne den Patienten ein glaubwürdiges und rechtssicheres Versorgungsangebot anbieten, ohne die Ressourcen der Krankenhäuser unnötig zu belasten, hieß es aus der AKG.
Wichtig sei dabei, dass die relevanten Entscheidungsgrundlagen für die Weiterleitung in eine konkrete Versorgungsstruktur in der weiteren Versorgung digital zur Verfügung stünden. „Und letztendlich müssen auch die Kostenträger an diese Bewertung gebunden sein, sodass eine nachträgliche Regressforderung gegenüber dem behandelnden Leistungserbringer ausgeschlossen bleibt“, betont die AKG. © hil/aerzteblatt.de

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