NewsVermischtesExperten mahnen Eltern zu mehr Kontrolle von Kindern beim Medienkonsum
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Vermischtes

Experten mahnen Eltern zu mehr Kontrolle von Kindern beim Medienkonsum

Donnerstag, 4. März 2021

/HQUALITY, stock.adobe.com

Freiburg – In der Coronapandemie zeigen sich die Chancen und Risiken der Digitalisierung besonders deutlich. Ein Kontakt zu den Schulen ist oftmals nur noch über Onlinemedien möglich, zugleich nehmen die Bildschirmzeiten in der Freizeit von Kindern und Jugendlichen sehr stark zu. Mit der Frage, wie Kin­der digital kompetent werden aber gleichzeitig gesund aufwachsen, befasste sich der Online-Fachtag „Medienmündigkeit“ des BKK Dachverbands heute.

Anlass für die Tagung war auch die Verleihung eines Praxispreises für das Präventionsprogramm „Echt dabei – gesund groß werden im digitalen Zeitalter“, das seit fünf Jahren erfolgreich in Kitas und Grund­schulen eingesetzt wird und mit moderner Pädagogik die Gesundheit fördert.

„Digitale Medien kommen immer mehr im Kinderzimmer an: aktuell zum Lernen, aber auch aus Lange­weile und weil Freunde fehlen – sie sollten aber kein dauerhafter Ersatz für das reale Leben sein“, sagte Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Sie verwies auf Zahlen einer Studie der DAK Gesundheit aus 2020 nach der der Konsum von Onlinespielen bei Kindern und Jugendlichen im ersten Lockdown um 75 Prozent zugenommen hat und die Beschäftigung mit sozialen Medien um 65 Prozent.

Eltern seien in der Verantwortung auf ihre Kinder zu achten, mit „Feingefühl, Tagesstruktur und Regeln“, betonte Ludwig, und sie in der Mediennutzung anzuleiten. Ihre Kampagne „Familie.Freunde.Follower“ soll Eltern und Kinder dabei unterstützen.

„Die grundlegenden Auswirkungen der Coronapandemie, die Verlagerung des Lebens vom analogen ins digitale, spüren wir alle“, sagte Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands. Kinder würden mittels digitaler Medien mit Reizen überflutet; Fertigkeiten wie Lesen und Zuhören könnten langfristig abneh­men. Kinder müssten lernen, mit digitalen Medien umzugehen, beispielsweise mithilfe des Präventions­programms „Echt dabei“.

„Lernen ist Beziehungsarbeit“

„Homeschooling in der Pandemie funktioniert besser als befürchtet, aber zu große Hoffnung dort hinein zu setzen, wäre naiv“, sagte Sigrid Hartong, Professorin für Soziologie an der Helmut-Schmidt-Universi­tät Hamburg. Denn „Lernen ist Beziehungsarbeit“ und funktioniere am besten im persönlichen Kontakt zwi­schen Lehrer und Schüler, betonte sie. Nichtsdestotrotz sei digitale Bildung durch Corona in der Lehrer­fortbildung angekommen, und werde wahrscheinlich nach Corona den Präsenzunterricht ergänzen.

Davon abgesehen führe Homeschooling in der Pandemie aber „zu einer dramatischen Verschärfung der Bildungsungerechtigkeit“, aufgrund der sehr unterschiedlichen technischen Ausstattung der Schüler und dem technischen Kenntnisstand der Lehrer, so Hartong.

Eltern sollen zeitliche Grenzen setzen

Bei Kindern und Jugendlichen mit riskanter oder pathologischer Mediennutzung sei festzustellen, dass Eltern ihren Kindern keine zeitlichen Grenzen setzen, berichtete Rainer Thomasius, Professor am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (DZSKJ) .

Besonders betroffen sind Thomasius zufolge Kinder und Jugendliche aus der Unterschicht und unteren Mittelschicht, vor allem dann, wenn ein ungünstiges Familienklima vorherrsche, und wenn die Kinder von nur einem Elternteil erzogen werden.

Auf die Kindesentwicklung und Gesundheit hat übermäßiger Medienkonsum dem Kinder- und Jugend­psychiater zufolge einen ungünstigen Einfluss: Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen, der Hirnent­wicklung, der motorischen Entwicklung und der sprachlichen Entwicklung. Auch Bindungsstörungen seien eine Folge.

Beträchtliche körperliche und psychische Beeinträchtigungen

Beträchtlich sind nach Thomasius auch die körperlichen Beeinträchtigungen wie Erschöpfung, Schlaf­störungen, erhöhtes Stressniveau, Sehstörungen, Muskelverspannungen, Adipositas und Abmagerung. Bei den psychischen Beeinträchtigungen nennt er Reizbarkeit, Depressivität, Ängste, Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle.

Zur Prävention von übermäßigem Medienkonsum sieht der Suchtexperte die Förderung der elterlichen Erziehungskompetenz an erster Stelle. „Eltern sollten Vorbild sein, Grenzen aufzeigen, informiert sein und auch Interesse zeigen an den Onlineaktivitäten ihrer Kinder“, sagte er.

Bis zum Schulbeginn sollten Kinder nur analog und nicht mit Hilfe digitaler Medien lernen und spielen, rät Thomasius in Anlehnung an die Empfehlungen der Gemeinsamen Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften und Verbände von 2020.

Vor Besuch der 5. Klasse sollten Kinder kein eigenes Smartphone besitzen. Danach sollten die Eltern die Nutzung steuern und beaufsichtigen. Folgende Zeitbegrenzungen empfiehlt die Suchtkommission für die Nutzung sämtlicher Medien:

Maximal 45 Minuten am Tag für 7 bis 11-jährige Kinder; eine Stunde für Kinder von 11 bis 13 Jahren; maximal 1,5 Stunden am Tag ab 14 Jahren.

Thomasius empfiehlt weiter, dass in der Schule die Nutzung von digitalen Geräten im Unterricht kontrolliert werden sollte. Intensiviert werden müsse darüber hinaus die Präventionsforschung, forderte der Wissenschaftler, denn: „Die steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen.“ © PB/aerzteblatt.de

LNS
LNS LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER