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Medizin

COVID-19: Paracetamol & Co gegen Impfnebenwirkungen nicht zu früh einnehmen

Donnerstag, 11. März 2021

/Anna, stock.adobe.com

Berlin – In seinem Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit Stand vom 21. Januar 2021 empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI) unter der Zwischenüberschrift „Wie verhalte ich mich vor und nach der Impfung?“ eigens, bei Schmerzen und Fieber nach der Impfung könnten schmerzlindernde und fiebersenkende Medikamente eingenommen werden. Paracetamol wird dabei als Beispiel ausdrück­lich angeführt.

Fiebersenkende Schmerzmittel wie Paracetamol werden seit langem weithin eingesetzt, um bei einer Vielzahl von Impfungen die grippeähnlichen Nebenwirkungen wie Fieber, Kopfschmerz, Müdigkeit und Myalgien zu kupieren. Allerdings könnte die ausführliche Berichterstattung über die Nebenwirkungen der COVID-19-Impfung manche in vorauseilender Panik dazu verleiten, bereits präventiv Schmerzmittel und hier auch das explizit erwähnte Paracetamol einzusetzen.

Es ist frei verkäuflich und kann daher von jedermann nach Gutdünken verwendet werden, nicht zuletzt, um am Arbeitsplatz nicht auszufallen. Die Arbeitsgruppe um Mahyar Etminan, Pharmakologe an der University of British Columbia im kanadischen Vancouver gibt nun in einer aktuellen Publikation zu bedenken, es sei nicht bekannt, ob dies die Wirksamkeit der COVID-19 Impfungen beeinträchtigen könnte (Chest, 2021; DOI: 10.1016/j.chest.2021.01.080).

Er weist auf eine vieldiskutierte randomisierte Studie in Lancet hin, der zufolge die gleichzeitige Einnahme von Paracetamol zur Prävention von Nebenwirkungen bei der Impfung einer Kinderkohorte die Antikörpertiter im Vergleich zu den Kontrollen signifikant vermindert hatte. (The Lancet, 2009; DOI: 10.1016/S0140-6736(09)61208-3).

Er zitiert zudem die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die in Ein­klang mit der WHO die Einnahme von fiebersenkenden Mitteln vor oder unmittelbar zur Impfung nicht empfehlen, denen zufolge jedoch in den Tagen danach nichts dagegenspreche.

Thomas Herdegen, der stellvertretende Direktor des Institutes für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Universität Kiel, erklärt, dass die Frage, ob nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR) die Impfantwort unterdrücken könnten, nicht spezifisch für COVID-19 sei, sondern für viele Impfungen gelte.

Man wisse, dass Hemmstoffe der Cyclooxigenase-2 (COX-Hemmer beziehungsweise NSAR) wie Para­cetamol, Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac und andere über die Unterdrückung der Prostaglandin­synthese die pseudogrippalen Begleitreaktionen als Nebenwirkungen einer Impfung effektiv abschwäch­ten. Und sie reduzierten ebenfalls über die Hemmung der Prostaglandinsynthese die Höhe des Impf­titers, wie die Lancet-Studie gezeigt habe. „Es ist allerdings unklar, ob und wie stark eine solche Reduktion die Immunantwort klinisch relevant schwächt“, so Herdegen gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Dennoch müsse – zumindest bei Patienten mit eingeschränkter Immunantwort oder Immunisierung – im Sinne einer Pharmakovigilanz generell und auch bei COVID-19-Impfungen mit einer klinisch relevan­ten Abschwächung der Immunantwort gerechnet werden.

Eine Arbeit aus dem Jahr 2014 zeigt für Erwachsene, dass die Gabe von Paracetamol nach 6 Stunden keinen Einfluss auf die Immunantwort hatte, während eine sofortige Gabe nach der Impfung diese abschwächte (Plos One, 2014; DOI: 10.1371/journal.pone.0098175).

„Daraus könnte man die Empfehlung ableiten, frühestens nach 6 Stunden COX-Hemmer zu geben, wenn die primären Prozesse der Immunisierung abgelaufen sind“, kommentiert der Kieler Pharmakologe. Er betont ebenso wie die Wissenschaftler aus Vancouver, dass es bislang keine wissenschaftlichen Untersu­chungen gibt, die speziell die Effekte von fiebersenkenden Schmerzmitteln – wann immer eingenom­men – auf eine COVID-19 Impfung geprüft hätten.

So seien beispielsweise im Rahmen der Moderna-Studie hierzu keine Daten veröffentlicht worden. In der Publikation der Pfizer-Impfstoffstudie sei zwar erwähnt worden, dass mit steigender Impfdosis auch mehr Antipyretika zum Einsatz kamen. Daten darüber, wie sich dies auf die Immunogenität ausgewirkt hat, wurden jedoch nicht zur Verfügung gestellt.

Beim Astrazeneca-Impfstoff schließlich seien die Studienteilnehmer sogar prophylaktisch mit Paraceta­mol behandelt worden. Das habe sich den Angaben zufolge nicht auf die Immunogenität der Impfung ausgewirkt, allerdings seien auch dazu auch keine Daten zur Überprüfung bereitgestellt worden. Da eine Interaktion möglicherweise Auswirkungen auf die Impfstoffwirkung hat, gehörte dies so bald wie möglich in Studien auf den Prüfstand, fordern die kanadischen Wissenschaftler.

„Offen ist zum Beispiel, ob es eine sichere Latenzzeit gibt, nach der COX-Hemmer die Titer beziehungs­wiese die Immunantwort nicht mehr reduzieren“, erläutert Herdegen. Zudem gelte es zu klären, welche der verschiedenen Antiphlogistika sich wie auf Antikörpertiter und die Immogenität auswirkten.

Aus den bislang bekannten Fakten könnte man allenfalls ableiten, auf eine prophylaktische Gabe gene­rell zu verzichten, wenn diese nicht zur Vermeidung einer Impfreaktion zwingend geboten seien.

Ansonsten sollte man erst beim Auftreten der ersten Impfreaktionen therapieren, jedoch (wenn möglich) nicht früher als 6 Stunden nach Gabe des Impfstoffes. Und wissen sollte man, dass schnell wirksame COX-Hemmer wie Ibuprofen-Lysinat tatsächlich innerhalb von 30 Minuten wirken, aber auch nur, wenn sie nüchtern eingenommen werden. © mls/aerzteblatt.de

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