NewsÄrzteschaftAnsteckungsgefahr in Innenräumen: SARS-CoV-2 wird vor allem über ausgeatmete Aerosole verbreitet
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Ärzteschaft

Ansteckungsgefahr in Innenräumen: SARS-CoV-2 wird vor allem über ausgeatmete Aerosole verbreitet

Donnerstag, 18. März 2021

/peterschreiber.media, stock.adobe.com

Berlin – Nicht die beim Husten oder Niesen ausgestoßene größeren Tröpfchen, sondern die winzigen Aerosole sind der wichtigste Weg, auf dem sich SARS-CoV-2 zwischen Menschen verbreitet. Darauf wie­sen Experten der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) und weiterer Fachgesellschaften gestern bei einer virtuellen Podiumsdiskussion hin.

Die größeren Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen ausgestoßen werden, enthalten laut dem Aero­solexperten und Physiker Gerhard Scheuch „relativ weniger infektiöses Material als die kleineren aus­geatmeten Aerosoltröpfchen“.

Die kleinen Aerosoltröpfchen seien zudem tief lungengängig und könnten dorthin vordringen, wo sich zahlreiche Rezeptoren für SARS-CoV-2 befänden, ergänzte Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik im Krankenhaus Bethanien in Moers.

SARS-CoV-2 kommt dabei auf demselben Weg in den Körper hinein wie heraus: „Schon beim normalen Atmen, mehr noch beim Sprechen oder Singen, werden die Viren wieder abgeatmet. Vom Verbreitungs­mechanismus her stehen die Coronaviren evolutionär an der Spitze“, Voshaar.

Ansteckung ist auch ohne Begegnung möglich

Scheuch betonte weiter, wie tückisch Aerosole seien. „Man kann sich auch anstecken, wenn man sich gar nicht begegnet. Das ist ja das Teuflische bei dieser Aerosolinfektion“, sagt er. „Ich gehe auf eine Toilette, da saß vielleicht eine halbe Stunde vorher jemand und hat seine Viren in der Luft hinterlassen.“

Daher sei das Lüften an viel frequentierten Orten, etwa auch in Fahrstühlen und Aufenthaltsräumen, so wichtig, sagte der ehemalige Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosolmedizin (ISAM).

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Konzentration an Viruspartikeln in der Raumluft niedrig zu halten: Den Luftaustausch, etwa durch regelmäßiges Lüften, oder den Einsatz von Luftreinigern. Doch auch Luftreiniger würden „keine Rundumsorgloslösung“ darstellen, betonte Thomas Schräder, Geschäfts­führer des Fachverbands Allgemeine Lufttechnik im VDMA.

Unter anderem sei die Platzierung des Luftreinigers im Raum entscheidend, um große Teile des Raumes spülen zu können. „Sonst kann sich auch mit Luftreiniger infektiöses Aerosol aufkonzentrieren“, so Schräder.

Plexiglaswände könnten mehr schaden als schützen

Problematisch sind in dieser Hinsicht auch die nun vielerorts errichteten Spuckschutzwände aus Plexi­glas. „Die Aerosolwolke trifft dadurch das Gegenüber zwar nicht direkt, erreicht ihn letztlich aber doch, indem sie sich im Raum verteilt“, erklärte Martin Kriegel von der Gesundheitstechnischen Gesellschaft. Raumhindernisse wie Plastikschutzwände würden zudem dazu führen, dass im Raum schlecht belüftete Bereiche mit Aerosolansammlungen entstünden.

Ein wichtiger Risikofaktor für Ansteckungen in Innenräumen ist die Aufenthaltsdauer, der Kriegel zufolge „nicht genug Beachtung geschenkt wird“. „Ein Beispiel sind Büros, in denen die Maske abgenommen wird, sobald man wieder an seinem Platz sitzt. Doch auch bei kleiner Teilchenzahl in der Luft kann bei langer Aufenthaltsdauer die für eine Infektion notwendige Dosis an Viruspartikeln erreicht werden.“

Nur Bündel von Maßnahmen kann ausreichend schützen

Einig waren sich die Experten deshalb, dass der Schlüssel zur optimalen Vermeidung von Übertragungen immer ein Bündel von Maßnahmen ist: „Alle müssen eine Maske tragen, die Anzahl der Menschen im Raum muss niedrig gehalten werden, die Dauer des Aufenthaltes kurz und es muss eine Filtertechnik vorhanden sein“, fasste Voshaar zusammen.

Beim Tragen von Masken ist Deutschland Entwicklungsland

Hinsichtlich des Tragens von Masken betonten die Experten, dass ein dichter Abschluss der Maske wich­ti­ger sei als die Art der Maske. Doch Deutschland sei beim Tragen von Masken noch ein „Entwicklungs­land“, sagte Scheuch.

Mund-Nasen-Masken würden durch die Frage charakterisiert, wie gut ihr Material Viren zurückhalten könne. Das sei aber nur ein Parameter – wichtig sei auch der richtige Sitz.

Nicht jede Maske passe jedem. „Jedes Gesicht ist ein bisschen anders und Kinder haben kleinere Gesich­ter als Erwachsene. Man kann nicht einfach einem kleinen Kind eine FFP2-Maske für einen Erwachsenen aufs Gesicht drücken. Dann ist das Ganze undicht“, sagte Scheuch bei der digitalen Podiumsdiskussion.

Deutschland sei zu Anfang der Coronapandemie noch nicht daran gewöhnt gewesen, mit Masken zu leben. In ostasiatischen Ländern etwa sei das ganz anders. „Da sind wir halt etwas rückständig“, sagte Scheuch. „Deswegen sind wir da sicherlich Entwicklungsland und haben Fehler gemacht.“

Aus seiner Sicht sei es etwa auch problematisch, die FFP2-Masken so zu propagieren, wie es geschehen sei. Man müsse auch Hinweise geben, wie man sie richtig nutze. „Es ist wichtig, dass man diese Masken richtig benutzt. Man kann nicht einfach diese Masken ausgeben und den Leuten dann sagen: So, jetzt sieh mal zu, wie du damit zurechtkommst.“ © nec/dpa/aerzteblatt.de

LNS
VG WortLNS LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER