Politik
Logistische Probleme: Antikörper gegen COVID-19 kommen bisher kaum zum Einsatz
Dienstag, 23. März 2021
Berlin – Von den 200.000 Dosen monoklonaler Antikörper gegen COVID-19, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Januar für rund 400 Millionen Euro eingekauft hat, sind bislang nur wenige verwendet worden. Das bestätigte das BMG dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage.
Demnach wurden mit Stand vom 12. März 2021 rund 620 Durchstechflaschen Bamlanivimab und 190 Einheiten Casirivimab/Imdevimab abgegeben, schreibt das Ministerium. Auf die geringe Zahl hatte der Berliner Infektionsimmunologe Leif Erik Sander gestern bei einer Pressekonferenz hingewiesen.
Die Logistik der Behandlung hat sich Sander zufolge als bisher kaum zu überwindendes Hindernis für die Behandlung herausgestellt. Das Problem: Die Antikörpermedikamente helfen Patienten vor allem in der Frühphase der Erkrankung, sprich ambulanten Patienten, werden aber nur an Krankenhäuser ausgeliefert.
„Wenn ein Patient wegen einer COVID-19-Erkrankung in die Klinik kommt, ist er gar nicht mehr geeignet“, erklärte Leif Erik Sander, der an der Berliner Charité die Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung leitet.
Behandlung nur bei zufällig gerade stationären Patienten
Mit den wenigen Dosen, die bisher zum Einsatz gekommen sind, wurden Sander zufolge nur Patienten behandelt, die aus anderen Gründen im Krankenhaus gewesen sind, zum Beispiel auf einer onkologischen Station, und bei denen dort eine SARS-CoV-2-Infektion festgestellt worden war. Auch bei Patienten, die selber keine Antikörper bildeten, könne man einen Therapieversuch mit den Antikörpern unternehmen, nannte Sander eine zweite Option für die Anwendung.
Diejenigen, die wirklich von den Antikörpermedikamenten profitieren würden, sind Sander zufolge „Patienten mit einem Risikoprofil, etwa einem Alter über 70 Jahre, die noch nicht geimpft sind und jetzt in der dritten Welle positiv auf SARS-CoV-2 getestet werden, möglicherweise gar mit der britischen Variante des Virus“.
Ausgehend von den Studien könnten die beiden in Deutschland für den Compassionate Use verfügbaren Antikörper von Regeneron (Casirivimab/Imdevimab) und Eli Lilly (Bamlanivimab ) bei ihnen die Hospitalisierungsrate deutlich senken, wenn sie früh genug gegeben werden.
Drastische Senkung von Hospitalisierungen und Mortalität möglich
Erst heute legten der Schweizer Pharmakonzern Roche und sein US-Partner Regeneron neue Studienergebnisse vor: Demnach hat eine klinische Studie gezeigt, dass die Kombination aus den Antikörpern Casirivimab und Imdevimab das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todesfalls um 70 Prozent reduziere. Zudem reduziere das Mittel die Dauer der Symptome um vier Tage.
Getestet wurde das Mittel an SARS-CoV-2-Patienten, die nicht im Krankenhaus behandelt werden mussten, aber ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hatten. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat bereits im Februar einen Rolling Review der klinischen Daten zu dem Antikörpermedikament begonnen.
Sander berichtete zudem von einem weiteren Antikörper, der von den Unternehmen Vir Biotechnology und GSK entwickelt wurde. Für diesen sei kürzlich gezeigt worden, dass er Hospitalisierungen und Todesfälle um 85 Prozent reduzieren könne.
„Man muss aber früh genug dran sein“, betonte der Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie. Den größten Effekt habe die Therapie nämlich vor der Serokonversion, wenn der Patient noch eine hohe Viruslast habe.
Doch wie bekommt man ein intravenös zu verabreichendes Medikament zu Patienten, die noch zuhause sind? Sie sind infektiös, weshalb man sie nicht einfach in die Praxis einbestellen kann. „Und wir können sie nicht ins Krankenhaus einbestellen, da sie dafür nicht krank genug sind“, so Sander.
Antikörperlieferung per Rettungsdienst?
Um diese Herausforderung zu bewältigen, liefen derzeit Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium, berichtete er. Eine Möglichkeit sei beispielsweise die Gabe über den KV-Dienst oder auch den Rettungsdienst. „Sie könnten die Antikörpermedikamente zu den Patienten nach Hause bringen, sie dort intravenös verabreichen und den Patienten anschließend überwachen“, so der Mediziner.
Projektionen zeigen, dass die dritte Welle der Pandemie in Deutschland enorme Anforderungen an die Intensivkapazitäten stellen wird. „Deshalb ist es von größter Dringlichkeit, die verfügbaren Antikörpermedikamente in die ambulante Versorgung zu bringen“, so Sander.
„Wenn wir demnächst 20.000 oder 40.000 Infektionen am Tag haben, kann ich mir gut vorstellen, dass wir mit den Antikörpermedikamenten über ein paar Wochen oder Monate richtig etwas von der Spitze [der Hospitalisierungen] wegnehmen können.“ © nec/aerzteblatt.de

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