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Politik

Sachverständigenrat empfiehlt Verpflichtung zur elektronischen Patientenakte für GKV-Mitglieder

Mittwoch, 24. März 2021

/picture alliance, Patrick Pleul

Berlin – Um die medizinische Versorgung durch Digitalisierung einen Schritt voranzubringen, sollte die elektronische Patientenakte (ePA) künftig für alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verpflichtend eingeführt werden. Die­sen Vorschlag hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) in seinem neuen Gutachten unterbreitet.

Im Sinne der besseren Versorgung, der Forschung sowie eines patientenzentrierten Ansatzes der Daten­verarbeitung sollte das bisherige Verfahren, nachdem jeder GKV-Versicherter in einem mehrstufigen Ver­fahren einer Nutzung seiner ePA zustimmen muss, abgelöst werden.

„Es wird für jede Person eine ePA angelegt, sofern nicht widersprochen wird“, heißt es. Dabei sollten Pa­tienten weiterhin die Möglichkeit der „Verschattung“ von Inhalten bekommen, damit die Ärzte sowie wei­tere Leistungserbringer einzelne Einträge nicht sehen können.

ePA-Beantragung aktuell zu umständlich

Nach Überzeugung des siebenköpfigen Rates können sich die Chancen der ePA-Nutzung für die Versor­gung nur dann entfalten, wenn möglichst viele Menschen diese nutzen. „Daher ist aus Sicht des Rates statt eines theoretisch dreifachen, praktisch jedoch umständlichen multiplen Opt-in-Verfahrens eine praktikablere und niederschwellige doppelte Opt-out-Regelung im Kontext der ePA der bessere Weg“, so der SVR.

Wenn Patienten derzeit die ePA beantragen, ist dies ein mehrstufiges Verfahren zur Zustimmung der Nutzung und damit „konzeptionell umständlich“ sowie ein „realitätsfernes Konzept“, so der Rat. Dabei sollte man die Vorbilder aus der EU im Blick haben, die ähnliche Projekte verfolgen.

Für die „informierte Entscheidung“ der Nutzer müsse es aber eine „medienwirksame“ Kampagne geben, nicht nur durch die Krankenkassen oder auch durch Ärztevertreter. Auch sollte die Bundeszentrale für ge­sundheitliche Aufklärung (BzGA) hier eingeschaltet werden.

Patientenverfügung und Organspendeausweis gehören in die ePA

„Wir müssen bei der ePA davon wegkommen, dass es eine zufällige Ansammlung von PDF-Dokumenten ist, es sollte künftig auch der Hinweis auf eine Patientenverfügung oder einen Organspendeausweis enthalten sein“, erklärte Ratsmitglied Petra Thürmann von der Uni Witten/Herdecke.

Drei Mitglieder des SVR stellten heute das 363-seitige Werk in Berlin vor. Dabei nahmen sie meh­rere Bereiche der Digitalisierung im Gesundheitswesen in den Fokus, von denen viele bereits in den ver­gan­genen drei Jahren vom Bundesgesundheitsministerium unter der Führung des Ministers Jens Spahn (CDU) mit Gesetzgebung geregelt oder auf den Weg gebracht wurden. Dazu zählen beispielsweise die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs), das feingranulare Management der ePA, zur Interopera­bi­lität, zur Standardisierung und zur Forschungsdatenhaltung.

Die Frage, warum der Sachverständigenrat seine Überlegungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen erst am Ende der Legislatur vorstellt, begründete SVR-Vorsitzender Ferdinand Gerlach von der Universität Frankfurt zum einen mit der Arbeitsweise des Rates. Es sei die Aufgabe, Entwicklun­gen auch langfristig zu beobachten und alle zwei Jahre ein Gutachten zur Entwicklung des Gesundheits­wesen vorzulegen.

„Wir lassen uns von Entwicklungen nicht treiben“, so Gerlach. Zwar habe es parallel zur Gutachten­erstell­ung viel Gesetzgebung gegeben, aber dennoch seien die Ergebnisse weiterhin sehr aktuell. „Es gibt be­sonders bei der Frage der Opt-in und Opt-out-Variante bei der ePA sowie auch bei den Vorschlägen für DiGAs in höheren Risikoklassen noch erheblichen Regulierungsbedarf“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld.

Auch gehe aus dem Gutachten hervor, dass gerade bei der Frage der Datenhaltung sowie beim Daten­schutz noch einiges diskutiert und verändert werden müsse. „Wir sehen dabei in Deutschland immer erst einmal das Risiko und den Missbrauch im Vordergrund. Dabei müssen wir eher eine neue Balance zwi­schen Datenschutz und Datensparsamkeit im Sinne einer aktiven Datensicherheit finden“, erklärte Ger­lach. Man müsse prüfen, ob es künftig nicht ein „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ entwickelt werden sollte.

Grundsätzlich sieht der SVR die Vorteile in der Digitalisierung des Gesundheitswesens in der der Dyna­mik, mit dem es als „lernendes System“ verstanden werden kann. „Im Gegensatz zur heute gelebten Pra­xis, in welcher Daten oft über, aber nicht für den Patientinnen und Patienten gesammelt werden, sollte in einer patientenorientierten Umgebung Patientinnen und Patienten Kenntnis und Kontrolle über ihre Daten haben.“

Voller Nutzen entfaltet die Digitalisierung zudem erst, wenn die Daten an den vielen Stellen im Ge­sundheitssystem nutzbar gemacht werden können. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Daten nicht in die falschen Hände fallen. „Zugleich müssen sie in die richtigen Hände gelangen können“, so SVR-Vorsitzender Gerlach. „Kluges Misstrauen sollte zu geeigneten Schutzmaßnahmen führen – nicht Hilfe verhindern. Denn Daten teilen heißt besser heilen.“ © bee/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #746741
RobertNET
am Donnerstag, 25. März 2021, 09:45

Bitte um Fachkontext

Ja, das Idiom Digitalisierung hat sich in den allgemeinen Sprachgebrauch gemogelt.
Jedoch ist dies technologisch nicht erklärbar und in der Art bisher einmalig in der Technologiegeschichte, dass ein nicht nur vom Grundsatz her falscher Term, selbst in der Fachwelt unkritisch Anwendung findet.

Die Elektronik, die Mikroelektronik aller Geräte der IT (Informationstechnologien), besteht zu einem gewissen Anteil aus hochintegrierten Logikbausteinen (Digitaltechnik) und sich binäre Verarbeitung auch nur damit auf interner Technologieebene erklären lässt, der große Rest ist analoge Elektronik.

Zudem werden auch nur binäre Zustände als analoge Spannungspotenzialdifferenzen verarbeitet, weil immer! alles! in der Elektronik analog ist und so auch bleiben wird, solange die bisher verstandene Physik dieses Universums dies so vorgibt.

Von daher darf der inflationäre Gebrauch vom Idiom Digital für alle möglichen Dinge und Bereiche als der bisher größte Unfug des 21. Jahrhunderts gewertet werden.

Die Halbleiter-Digitaltechnik in der IT wenden wir nun seit ~60 Jahren an, es gab viele Fortschritte, jedoch immer nur im Rahmen der alt bekannten Muster, selbst Quantenrechner können da nur intern etwas anderes bieten, nach außen bleibt alles so, wie gehabt.

Von daher gab es also nie die Notwendigkeit zu diesem plötzlich erschienenen Hype um Digital und besonders abwegig, Digitalisierung.

Jeder darf also weiter von IT, Ausrüstung, Entwicklung und allem sprechen, was auch sonst üblich und nur richtig war...
Avatar #850298
Karl-Heinz Gerl
am Donnerstag, 25. März 2021, 01:16

ePA Gutachten und Konzeption fragwürdig

Es gibt zahlreiche nachvollziehbare Argumente gegen die ePA die in der DÄ bereits umfangreich beschrieben bzw. diskutiert wurden. Eine Verpflichtung für alle GKV Mitglieder wäre nur dann möglich, wenn jeder Bundesbürger verpflichtet wäre ein Endgerät (Smartphone) zu besitzen um die notwendige App benutzen damit er seine Rechte an den Daten wahrnehmen können. . Das mindeste wäre ein normaler von Betriebssystemen unabhängiger Internetzugang und nicht einmal das kann nach meiner Einschätzung der Gesetzgeber vom Bürger verlangen. Das die App Freaks die Realität ignorieren hat man bei den Test- und Impfportalen bereits vielfach gesehen.
Im übrigen stimme ich mit dem vorherigen Kommentator vollkommen überein. Der Satz "Wenn der analoge Prozess schon von unterirdischer Qualität ist, wird derselbe Prozess in digitaler Form was sein? Genau, unterirdisch." erklärt die Situation ziemlich genau. Grundsätzliche Probleme werden durch Digitalisierung nicht automatisch beseitigt.
Die im Kommentar zitierte Textpassage aus dem SVR Gutachten beschreibt das Problem unstrukturierter IT sehr gut. Die ePA in der heutigen Form ist weit von den notwendigen Datenstrukturen entfernt um wirklichen Mehrwert aus dem gigantischen Aufwand für die Digitalisierung zu ziehen.
Nach meiner jahrelangen IT Erfahrung heraus, ist es wahrscheinlich von staatlicher Seite nicht möglich die ePA in überschaubarer Zeit und Kostenrahmen zur sinnvollen und notwendigen strukturierten IT Anwendung weiterzuentwickeln. Die COVID App zeigte uns das sehr deutlich.
Die Digitalisierung des Gesundheitsytems ist leider etwas komplexer als uns die "Entscheider", mit ihrer begrenzten digitalen Erfahrung in der Nutzung von unsozialen Medien, erzählen.
Avatar #88767
fjmvw
am Mittwoch, 24. März 2021, 20:52

Merkel hat sich entschuldigt. Macht das der SVR wegen dieses Gutachtens auch?

Zitat aus dem Artikel:
„Wir müssen bei der ePA davon wegkommen, dass es eine zufällige Ansammlung von PDF-Dokumenten ist".
Stimmt. Eine solche Ansammlung von pdf-Dokumenten wäre völlig wertlos.

Was will der SVR stattdessen? Er will u. a., dass die Kommunikation zwischen den Ärzten verbessert wird. Ich halte fest: Digitalisierung verbessert die Kommunikation - sofern der SVR Recht hätte.

Zu dem, was digital besser als analog funktioniert, führt der SVR hochinteressantes aus (s. u.). Ich kenne eine derartige Digitalisierung von bisher analogen Prozessen unter dem Akronym GIGO: Garbage In - Garbage Out.
Auf deutsch: Wenn der analoge Prozess schon von unterirdischer Qualität ist, wird derselbe Prozess in digitaler Form was sein? Genau, unterirdisch. Und nun die zugehörige Textpassage:

"Die zwischenärztliche Kommunikation mittels Arztbrief an weiterbehandelnde Ärztinnen und Ärzte weist –sowohl innerhalb einer Einrichtung und Fachdisziplin und verstärkt einrichtungs-und fachübergreifend –Defizite auf. In einer Befragung von Hausärztinnen und -ärzten im Jahr 2019 wurden „unverständliche Abkürzungen“, „überflüssige Nebendiagnosen“ und „das Fehlen einer einheitlichen Struktur“ in Entlassungsbriefen bemängelt. Fast alle Befragten gaben an, mit „missverständlichen Arztbriefen konfrontiert worden zu sein“ und 63% der 197 Befragten „bemängelten, dass ihnen relevante Informationen in den Entlassungsbriefen häufig oder sehr häufig fehlen“. Zwei Befragungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen zeigten, dass in den Augen vieler Leistungserbringer digitale Technologien wie die ePA die Kommunikation untereinander verbessern können. Im Falle einer Mit-und Weiterbehandlung von Patientinnen und Patienten aus dem (europäischen) Ausland könnte zudem eine grenzüberschreitend nutzbare ePA mit integrierten Übersetzungsmöglichkeiten die Versorgung deutlich vereinfachen."

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