Politik
Impfkommission rät Astrazeneca-Geimpften zu anderem Wirkstoff für zweite Dosis
Samstag, 3. April 2021
Berlin - Mit einer ersten Astrazeneca-Dosis geimpfte Menschen unter 60 Jahren sollen nach einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für die zweite Impfung auf ein anderes Präparat umsteigen. Das steht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschlussentwurf der STIKO.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will am kommenden Mittwoch mit den Gesundheitsministern der Länder über die Empfehlung sprechen. Das kündigte der CDU-Politiker am Karfreitag per Twitter an. „Die ergänzte Empfehlung der STIKO zu Zweitimpfungen schafft Klarheit für die etwa 2,2 Mio Bürgerinnen und Bürger unter 60 Jahren, die in den letzten Wochen eine Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten haben“, so Spahn. „Sie können nach 12 Wochen ihre Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech oder Moderna) erhalten. Oder nach individueller Aufklärung im ärztlichen Ermessen Astrazeneca.“
Diese Zweitimpfungen stehen laut Spahn frühestens ab Mitte April an, da Astrazeneca erst seit Anfang Februar in Deutschland verimpft werde. „Am Mittwoch werde ich mit den Gesundheitsministern und -ministerinnen der Länder über das genaue Vorgehen sprechen“, schrieb Spahn weiter.
Wörtlich heißt es mit Blick auf die betroffene Gruppein der STIKO-Empfehlung: „Für diese Personen wird empfohlen, anstelle der zweiten Astrazeneca-Impfdosis eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 12 Wochen nach der Erstimpfung zu verabreichen. Hintergrund hierfür ist, dass der von einer einmaligen Astrazeneca-Impfung ausgelöste Schutz nach 12 Wochen abzunehmen beginnt.“ In Deutschland sind momentan die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen.
Knapp drei Millionen Menschen haben als Erstimpfung Astrazeneca erhalten
Die Empfehlung dürfte zahlreiche Menschen in Deutschland betreffen. Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts haben mit Stand Donnerstag 2,85 Millionen Personen eine Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Präparat erhalten, ein zweites Mal geimpft wurden lediglich knapp 2.000 Menschen. Allerdings sind hier auch die über 60 Jahre alten Geimpften eingerechnet - für sie gilt die Empfehlung für eine Zweitimpfung mit einem anderen Vakzin nicht.
Der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens sagte dem Spiegel in einem am Donnerstagabend veröffentlichten Interview, über das Risiko bei zweimaliger Impfung mit dem Astrazeneca-Mittel könne man derzeit nur spekulieren - da bislang nur sehr wenige Menschen bereits beide Spritzen erhalten hätten. „Der naheliegende Ausweg ist aus meiner Sicht, es gar nicht zu probieren, sondern zur Sicherheit eben als Alternative einen RNA-Impfstoff zu geben.“
Mit Blick auf eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff sagte Mertens: „Tierexperimentelle Daten zeigen, dass die Immunreaktion nach heterologer (zweiter) Impfung gleich ausfällt. Man muss noch wissenschaftlich klären, wie gut der Schutz dann beim Menschen ist. Ich hoffe, dass dazu bald Daten vorliegen.“
Kombination von Impfstoffen schon länger in der Diskussion
Tatsächlich gibt es schon länger Überlegungen, für einen besseren Schutz etwa gegen neue Virusvarianten verschiedene Impfstoffe zu kombinieren. Also zum Beispiel auf eine erste Dosis Astrazeneca eine zweite von Biontech/Pfizer zu spritzen. „Rein immunologisch ist das unproblematisch, denn sie beruhen letztlich auf dem gleichen Impfantigen“, hatte der Erlanger Infektionsimmunologe Christian Bogdan als Mitglied der STIKO kürzlich gesagt. Die Wirksamkeit von Kombinationen werde derzeit in Studien untersucht. Britische Forscher zum Beispiel testen seit Anfang Februar in einer klinischen Studie die Impfstoff-Wirksamkeit bei der Kombination von Biontech und Astrazeneca in unterschiedlicher Abfolge als erste und zweite Dosis.
Bund und Länder waren am Dienstag einer Empfehlung der Stiko gefolgt, das Astrazeneca-Mittel in der Regel nur noch Menschen über 60 verabreichen zu lassen. Grund dafür waren 31 gemeldete Verdachtsfälle einer Hirnvenenthrombose. Davon verliefen neun Fälle tödlich. Experten vermuten, dass das sehr geringe Risiko nur junge Menschen betrifft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einem Medienbericht zufolge bereits am Freitag vergangener Woche vom erneuten Anpassungsbedarf beim Impfstoff von Astrazeneca erfahren - vier Tage vor der bundesweiten Entscheidung, das Präparat nur noch Menschen über 60 Jahren zu spritzen. „Angesichts der nationalen Tragweite der Entscheidung bat die Bundeskanzlerin darum, auch die Expertise des Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hinzuzuziehen“, sagte eine Regierungssprecherin dem Online-Portal ZDFheute. Dem Bericht zufolge informierte der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, vergangene Woche sowohl Merkel als auch Kanzleramtsminister Helge Braun (ebenfalls CDU), dass der Impfstoff für bestimmte Altersgruppen aller Wahrscheinlichkeit nach erneut gestoppt werden müsse. © dpa/aerzteblatt.de

Theorie und Praxis
In der Praxis sieht es leider anders aus. In meinem Fall steht im Juli die Zweitimpfung an und meine Hausärztin verweigert (!) mir Biontech, weil es für sie logistisch nicht machbar sei. Entweder ich nehme Astrazeneca oder ich soll mich woanders impfen lassen. Alleine dies finde ich schon hinterfragenswert.
Auf Nachfrage beim bayerischen Gesundheitsministerium habe ich als Antwort bekommen, ich solle mir einen anderen Facharzt suchen, der mich entsprechend impft. Bei allen angefragten Ärzten inkl. Impfzentrum bekomme ich die gleiche Antwort: Nein, sie machen das nicht und ich könne doch keinem anderen die Erstimpfung wegnehmen (Ethik etc). Meine Frage an die Ärzte: ist das ihr Ernst??? Ist es ethisch vertretbar, meine mir zustehende Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff zu verweigern? Ist es in Ordnung, sich über klare Regelungen durch StiKo und Regierung hinwegzusetzen, weil es zu viel Aufwand ist?
Ich habe bis vor kurzem unserem Gesundheitssystem inkl. der Ärzte immer großes Vertrauen geschenkt und war mir sicher, dass auch die Ärzte immer im Sinne der Patienten handeln. Dieses Vertrauen ist nun leider beschädigt, was ich sehr traurig finde.

mit Eiern
Das bisherige evidenzlose Gewurschtel überzeugt jedenfalls niemanden und das, wo Psychologie für den Gesamt-Erfolg so wichtig scheint. Wenn pokern, dann doch richtig ...

Empfehlung ohne Evidenz
Tatsächlich entspricht die Empfehlung einem neuen therapeutischen Regime, das jetzt wenigstens den verkürzten Zyklus einer vorherigen Phase I-Phase III-Prüfung für eine Marktzulassung durchlaufen müsste.
Der Kollege in Lübeck mit seinem selbstgemixten Impfstoff kann sich vielleicht noch auf Größenwahn herausreden, was wird es wohl bei den Eminenzen der STIKO sein? Vielleicht sind es degenerative Veränderungen im wissenschaftlichen Rückgrat?

Experimentell
Ausgesprochen gewagt und ohne jede Evidenz diese Empfehlung zweier in Ihrer Wirkungsweise komplett unterschiedlicher Vaccine. mRNA, ja, im Anschluss, aber dann als kompletten Zyklus, ansonsten bei derzeitigen Stand ein sicherer Schutz mit welcher Begründung?

Geehrte Kollegen von der STIKO
Tierexperimente?!?!? Was soll das denn? Für mich als Arzt in einer Praxis war die STIKO immer die Wallhalla des Impfens. Hier wurde immer Empfehlungen mit Evidenz raus gegeben.
Hiermit lassen sie sich vor den Karren der Politiker spannen. Pfui Teufel. Für mich haben sie unendlich Ansehen und Reputation verloren. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. NA JA alles Beamte............

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.