Politik
Kinderschutzbund: Rechte von Kindern nicht ausreichend gewahrt
Sonntag, 4. April 2021
Berlin –In der Coronapandemie kommen nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes die Rechte von Minderjährigen zu kurz. Der Vorsitzende Heinz Hilgers sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag): „Immer wenn ich die Politik über Grundrechte während der Pandemie reden höre, ist nur von typischen Erwachsenenrechten die Rede: Reisefreiheit, Berufsfreiheit, Ausgangsfreiheit.“ Von den Einschränkungen der Kinderrechte spreche hier keiner. Kinder und Jugendliche würden politisch nicht beteiligt.
Die Schutzrechte von Kindern, ihr Recht auf Gesundheit und Bildung, würden nicht genügend berücksichtigt bei den Coronamaßnahmen. Hilgers warnte: „Die seit einem Jahr andauernden Einschränkungen werden die Entwicklungen unserer Kinder stören, sowohl körperlich und motorisch als auch in der Sprachentwicklung.“
Kinder und Jugendliche droht Obdachlosigkeit
Die Stiftung Off Road Kids wies unterdessen darauf hin, dass Kinder und Jugendliche durch die Pandemie verstärkt von Obdachlosigkeit bedroht sei. „Wo es brodelt in Familien, kann es im Lockdown zum totalen Zerwürfnis kommen. Das endet dann schon mal mit dem Rausschmiss“, sagt Markus Seidel, Vorstandssprecher der Stiftung. Betroffen seien vor allem Jugendliche und Heranwachsende ab 17 Jahre. Das vergangene Jahr habe bei der bundesweit tätigen Hilfsorganisation alle traurigen Rekorde gebrochen: „Wir haben 2.474 Hilferufe von verzweifelten Straßenkindern und jungen Menschen erhalten, die in Deutschland akut von Obdachlosigkeit bedroht sind. Das waren doppelt so viele wie im Vorjahr“, so Seidel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Weil in Coronazeiten keine Streetworker unterwegs sind, versucht die Stiftung, bedrohte Kinder durch das bundesweite Online-Hilfsangebot „sofahopper.de“ zu erreichen. „Ein trauriger Volltreffer“, wie Seidel bemerkt. 40 Prozent der hilfesuchenden Kids stammten demnach aus den Ballungsräumen Berlin, Dortmund, Frankfurt, Hamburg und Köln, wo die Stiftung Streetwork-Standorte betreibt. „Sie konnten dann direkt vor Ort beraten werden.“
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Die gestiegene Nachfrage nach Hilfe habe aber nicht unbedingt mit mehr Kindern und Jugendlichen in Not zu tun. „Familienzerwürfnisse werden nur offenbarer - junge Menschen trauen sich, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen“, so Seidel. Auch weil „sofahopper.de“ bekannter geworden sei. Als „Sofahopper“ bezeichnet er junge Leute, die in ihrer Not bei mehr oder weniger guten Bekannten vorläufig auf dem Sofa unterkommen.
Räumliche Enge als Katalysator für negative Folgen
„Corona hat die Digitalisierung unserer Arbeit massiv beschleunigt“, sagt Seidel. Bisher sei es so, dass junge Menschen, die zu Hause rausgeflogen, zunächst mal in ihrem Heimatort umhergeirrt und dann Richtung Großstädte gezogen seien, um sich dort der Obdachlosenszene anzuschließen. „Über Internet und Social Media kommen wir früher an diese verzweifelten jungen Menschen ran.“ Damit würden auch die Chancen steigen, jemandem wieder auf die Beine zu helfen. „Die, die sich online melden, sind meist noch am Ort, woher sie stammen.“ Ob vorübergehende Unterbringung bei den Großeltern oder der Tante - das soziale Auffangsystem sei noch existent.
Corona habe aber nicht nur negative Folgen: „Viele Familien haben sich sicher auch gefunden in der Krise, weil sie viel Zeit füreinander hatten“, schätzt Seidel. Ob Zerwürfnis, Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch - nicht nur ärmere Kinder verlassen ihr Zuhause. „Das geht kreuz und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Aber räumliche Enge wirkt natürlich als Katalysator.“ © dpa/aerzteblatt.de

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