Medizin
Ciclosporin und Pelitinib könnten gegen SARS-CoV-2 wirksam sein
Dienstag, 6. April 2021
Philadelphia/Hamburg – Bei einem systematischen Screening sind 2 Forscherteams aus den USA und Deutschland auf Wirkstoffe gestoßen, die gegen SARS-CoV-2 wirksam sein könnten.
Die US-Forscher haben in Cell Reports (2021; DOI: 10.1016/j.celrep.2021.108959) 9 Wirkstoffe identifiziert, die teilweise bereits für andere Krankheiten zugelassen sind. Die deutsche Arbeitsgruppe hat in Science (2021; DOI: 10.1126/science.abf7945) 2 potenzielle Wirkstoffe gefunden, die jetzt in präklinischen Studien untersucht werden.
Impfstoffe sind nicht die einzigen Mittel gegen Viren. Infektionen mit HIV und Hepatitis C lassen sich heute gut durch Medikamente kontrollieren, die die Replikation der Viren in den infizierten Zellen hemmen. Bei SARS-CoV-2 könnte dies ebenfalls möglich sein.
Schon zu Beginn der COVID-19-Epidemie wurde systematisch nach Wirkstoffen gesucht. Dies geschah in der Regel an Verozellen, die von SARS-CoV-2 infiziert und zerstört werden. Zu den Mitteln, die dies im Labor verhindern, gehört beispielsweise das Malariamittel Chloroquin. Es sollte sich später ebenso wie Hydroxychloroquin in klinischen Studien als unwirksam erweisen.
Auch Remdesivir, das für die Behandlung von Patienten mit COVID-19 per Notverordnung zugelassen wurde, war zuerst in Zellkulturen durch eine mögliche Wirkung aufgefallen. Doch auch bei diesem Wirkstoff haben sich die klinischen Erwartungen nicht erfüllt.
Sara Cherry von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia führt die Misserfolge darauf zurück, dass Verozellen, die aus den Nieren der Äthiopischen Grünmeerkatze stammen, nur bedingt für die Suche nach wirksamen Mitteln gegen SARS-CoV-2 geeignet seien. Die US-Forscherin führt ihre Experimente mittlerweile an Calu-3-Zellen durch, die ursprünglich bei einem Lungenkrebspatienten gefunden wurden. Zuvor hatte ihr Team auch mit Huh7.5-Zellen experimentiert, die von einem Leberkrebspatienten stammen.
Von den zahlreichen Wirkstoffen haben nur 9 die Replikation von SARS-CoV-2 in den Calu-3-Zellen hemmen können. Darunter war das Antibiotikum Salinomycin, das in der Veterinärmedizin gegen Kokzidien eingesetzt wird. Das sind einzellige Parasiten, die den Magen-Darm-Trakt beispielsweise von Hühnern befallen.
Der Kinase-Inhibitor Dacomitinib ist in der Humanmedizin zur Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms zugelassen. Bemcentinib ist ein weiterer Kinasehemmer, der derzeit gegen Krebs getestet wird, Das Antihistaminikum Ebastin ist zur Behandlung einer allergischen Rhinitis und Urtikaria zugelassen. Ein weiterer Wirkstoff ist Ciclosporin, das als Immunsuppressivum bei Organtransplantierten Abstoßungsreaktionen verhindert.
Ciclosporin ist nach Einschätzung von Cherry besonders vielversprechend, da es eine doppelte Wirkung verspreche: Zum einen hemmt es Zellenzyme, die Coronaviren zur Replikation benötigen. Zum anderen hat es eine antientzündliche Wirkung, die einer Überreaktion des Immunsystems entgegenwirken könnte (wie es für Steroide und Tocilizumab gezeigt werden konnte).
Ob die Mittel tatsächlich gegen SARS-CoV-2 wirken, lässt sich aus den Labortests nicht ableiten. Wenn ein Medikament bereits in einer anderen Indikation zugelassen ist, kann jedoch ohne vorherige tierexperimentelle Tests mit klinischen Studien begonnen werden. Das US-Team hat eine kleinere Phase- 1-Studie zu Ciclosporin an 20 COVID-19-Patienten begonnen, deren Ergebnisse Ende des Jahres vorliegen könnten.
Einen anderen Weg ist ein Team um Alke Meents vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg gegangen. Die Forscher ermittelten in einem sogenannten Röntgenscreening die genaue 3-dimensionale Struktur von möglichen Wirkstoffen. Damit lässt sich vorhersagen, welche Mittel sich mit Enzymen des Virus verbinden und diese dadurch hemmen können.
Die Forscher haben mit einem automatisierten Verfahren fast 7.000 potenzielle Wirkstoffe untersucht. Dabei identifizierten sie 37 Stoffe, die an die Hauptprotease Mpro von SARS-CoV-2 binden.
Diese Wirkstoffe wurden anschließend im Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Zellkulturen auf ihre Fähigkeit hin untersucht, die Replikation von SARS-CoV-2 zu hemmen. Dies konnte laut den Forschern für 5 Stoffe gezeigt werden.
Bei 2 Wirkstoffen, Calpeptin und Pelitinib, waren die Ergebnisse so vielversprechend, dass sie zurzeit in präklinischen Studien weiter untersucht werden. Klinische Studien sind derzeit noch nicht geplant. © rme/aerzteblatt.de

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