NewsMedizinMultisystemisches Entzündungssyndrom: Die meisten Kinder hatten vorher keine COVID-19-Symptome
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

Multisystemisches Entzündungssyndrom: Die meisten Kinder hatten vorher keine COVID-19-Symptome

Donnerstag, 8. April 2021

/visivasnc, stock.adobe.com

Atlanta – Das Multisystemische Entzündungssyndrom (MIC), zu dem es aus bisher unklaren Gründen im Anschluss an eine Infektion mit SARS-CoV-2 kommen kann, tritt häufig ohne vorherige COVID-19-Symptome auf. Die Komplikation ist laut einer Studie der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in JAMA Pediatrics (2021; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2021.0630) vor allen für Jugendliche eine tödliche Gefahr.

In den USA sind innerhalb von 10 Monaten mehr als 2.000 Kinder und Jugendliche an einem MIC erkrankt. Dass die Erkrankung, die in der 1. Welle der Pandemie zuerst in Großbritannien beschrieben wurde, tatsächlich durch SARS-CoV-2 ausgelöst wird, steht mittlerweile außer Zweifel.

Auch in den USA war ein geographischer und zeitlicher Zusammenhang mit der Pandemie offensichtlich. Das MIC-C (C für Kinder) folgte in allen Regionen der COVID-19-Erkrankungswelle im Abstand von 2 bis 5 Wochen, was die pathogenetischen Konzepte bestätigt.

Die Experten gehen davon aus, dass die Erkran­kung nicht direkt vom Coronavirus ausgelöst wird. Vielmehr scheint ein Zusammenhang mit der Immun­reaktion auf den Erreger zu bestehen. Dafür spricht, dass der Erkrankungsbeginn oft mit dem Maximum der Antikörperproduktion zusammenfällt und die Patienten besonders viele Antikörper gegen die Rezep­torbindungsstelle von SARS-CoV-2 bilden.

Auch bei den 1.733 hospitalisierten Patienten mit MIC-C, deren Daten Ermias Belay von den CDC in Atlanta ausgewertet hat, fiel eine starke entzündliche Reaktion auf, die nicht zu dem milden und sympto­m­losen Verlauf der Infektion mit SARS-CoV-2 passt. C-reaktives Protein und Interleukin 6 lagen um ein Vielfaches über den normalen Referenzwerten. Hinzu kam eine Thrombozytopenie bei 40,3 % und eine Lymphopenie bei 30,7 % der Patienten.

Eine vorangegangene COVID-19-Episode war nur bei 24,7 % der Patienten dokumentiert. Bei 51,5 % war zuvor eine akute Infektion mit einem PCR-Nachweis dokumentiert worden. Bei 82,6 % war es bei Beginn der MIC-C bereits zur Serokonversion mit einen Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 gekom­men.

Für die meisten Patienten trat die MIC ohne Vorwarnung auf. Die Erkrankung beginnt typischerweise mit hohem Fieber, das bei den US-Patienten über 4 bis 7 Tage anhielt. Hinzu kamen meist Bauchschmerzen (66,5 %), Erbrechen (64,3%), ein Hautausschlag (55,6 %), Durchfall (53,7 %) und eine Hyperämie in den Konjunktiven (53,6 %).

Atemwegsbeschwerden wie Husten, Atemnot und Brustschmerzen wurden bei weniger als 30 % der Patienten berichtet. Bei 50,8 % der Patienten kam es zu einem Blutdruckabfall und 36,8 % entwickelten einen Kreislaufschock. Eine Störung der Herzfunktion wurde bei 31,0 %, ein Perikarderguss bei 23,4 %, eine Myokarditis bei 17,3 % und eine Erweiterung der Herzkranzgefäße oder Aneurysmen bei 16,5 % der Patienten dokumentiert.

Die Aneurysmen der Koronararterien gehören zu den am meisten gefürchteten Langzeitfolgen des Kawasaki-Syndroms, das vor allem in Asien nach teilweise banalen Infekten auftritt und das eine ähnliche Pathogenese zu haben scheint (Es gibt aber auch Unterschiede, weshalb das MIC heute als eigenständiges Krankheitsbild gilt).

Dass das MIC-C ein schweres Krankheitsbild ist, zeigt sich darin, dass bei 90 % der Kinder mindestens 4 Organsysteme betroffen waren. Mehr als die Hälfte der Kinder (58,2 %) mussten auf einer Intensivstation behandelt werden. Die Letalität betrug zwar nur 1,4 % (insgesamt 24 Todesfälle). Sie nahm aber mit dem Alter der Patienten zu auf 2,6 % bei den 15- bis 17-Jährigen und auf 10,9 % bei den 18 bis 20-Jährigen (auf die allerdings nur etwa 3 % der MIC-C-Fälle insgesamt entfielen).

Die Behandlung des MIC erfolgt – nach dem Vorbild des Kawasaki-Syndroms – mit intravenösen Immun­globulinen, die 80,5 % der Patienten erhielten. Von den jungen Erwachsenen erhielt nur jeder 2. (52,7 %) intravenöse Immunglobuline. Ob dies ein Grund für die schlechtere Prognose ist, kann die Studie nicht klären. Die Wirksamkeit von intravenösen Immunglobulinen ist beim MIC-C anders als beim Kawasaki-Syndrom bisher nicht belegt.

Insgesamt 71 % wurden mit Steroiden behandelt. Diese Behandlung wurde vor allem in der 2. Welle nach Juli 2020 durchgeführt. Auslöser dürften die guten Ergebnisse in der RECOVERY-Studie bei schwe­ren COVID-19-Fällen gewesen sein. Ob die Steroide die Prognose bei MIC-C verbessern, ist nicht genau belegt. Interessanterweise ist es in der zweiten Welle seltener zu kardialen Funktionsstörungen und Myokarditiden gekommen. Auch hier ist ein kausaler Zusammenhang mit der Behandlung nicht belegt. © rme/aerzteblatt.de

Themen:
LNS
VG WortLNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER