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Politik

Intensivmediziner warnen vor baldiger Überlastung der Intensivstationen

Freitag, 9. April 2021

/picture alliance, Sebastian Gollnow

Berlin – Einen harten und umgehenden Lockdown von zwei bis drei Wochen fordert die Deutsche Inter­disziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Man verzeichne bei der intensivmedi­zi­nischen Versorgung von COVID-19-Patienten eine „besorgnisserregende Lage“, warnte heute Gernot Marx, Präsident der DIVI.

Dass die eigentlich für kommenden Montag geplanten Bund-Länder-Beratungen zur Coronalage ver­scho­ben werden, bezeichnete er als „enttäuschend“. Er hoffe trotzdem auf die zeitnahe Umsetzung wei­terer Maßnahmen zur Reduktion der Infektionszahlen, wenn nicht über die Ministerpräsidentenrunde, dann über eine „Alternative“.

Es gebe seit Wochen einen ungebremsten und dramatischen Anstieg von Coronapatienten auf den Inten­sivstationen, so Marx. Mitte März habe man eine Belegung mit 2.700 Patienten verzeichnet, aktuell be­tra­ge die Zahl der COVID-19-Patienten knapp 4.500.

Wenn nicht umgehend Maßnahmen ergriffen würden, wachse die dritte Pandemiewelle über die zweite hinaus – das bis Ende April mehr als 5.000 Patienten behandelt werden müssen, sei ohnehin kaum noch zu vermeiden. Insbesondere in Ballungszentren sei die Lage schon jetzt dramatisch.

Deshalb müssten die Infektionszahlen dringend gedrückt werden, um Zeit für Impfungen zu gewinnen. Deutschland dürfe aber nicht „auf den letzten Metern“ Menschen gefährden, kurz bevor sie durch eine Impfung geschützt werden könnten, sagte Marx.

500 Kliniken in Deutschland könnten bereits jetzt schon keine COVID-19-Patienten mehr aufnehmen, erläuterte Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedi­zin und Notfallmedizin (DGIIN) und wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters. Deutschlandweit seien „so gut wie keine Kapazitäten aus dem Regelbetrieb heraus“ verfügbar.

Bei der derzeitigen Entwicklung der Infektionszahlen seien auch die Restkapazitäten in zehn Tagen aus­ge­schöpft, mahnte Karagiannidis. Hinzu komme die „extreme Belastung“ für das Personal, welches der­zeit die Folgen der innerhalb kurzer Zeit bereits dritten Coronawelle mit immensen Einsatz auffangen müsse.

Steffen Weber-Carstens von der Charité – Universitätsmedizin Berlin betonte, auch in Berlin sei die Be­lastung dramatisch. Allein an der Charité versorge man derzeit 90 Beatmungspatienten – berlinweit müssten 280 Coronapatienten intensivmedizinisch behandelt werden.

Dies sei schon jetzt nur mittels einer Reduktion des „Normalprogramms“ leistbar. Er appellierte ebenfalls nachdrücklich an die Politik, jetzt zu handeln und die Infektionsdynamik unter Kontrolle zu bringen.

Laut Weber-Carstens verzeichne man in der aktuellen Coronawelle „deutlich jüngere Patienten“. Etwa 30 Prozent lägen in der Altersspannbreite von 35 bis 59 Jahren, weitere 66 Prozent seien 60 bis 79 Jahre alt. Die Liegedauer sei im Vergleich zu den zuvor hauptsächlich betroffenen höheren Altersgruppen länger. Zudem gebe es, vermutlich aufgrund der Coronavarianten, mehr schwerere Verläufe.

Diese Zahlen bestätigte auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, bei einer Pressekon­ferenz mit Bundesgesundheitsminsiter Jens Spahn (CDU). „Für die Entwicklung entscheidend ist die Lage in den Krankenhäusern", bestätigte Wieler.

Neben den zusätzlichen jüngeren Patienten sorge er sich über die hohe Belegung von Patienten, die noch aus der zweiten Pandemiewelle im Krankenhaus versorgt werden. Spahn und Wieler wiesen mehr­fach darauf hin, dass ihnen die Situation auf den Stationen Sorge bereite. Dazu gehöre auch die schlech­ter werdende Stimmung unter den Mitarbeitenden sowie mögliche Kündigungen aufgrund der Arbeits­überlasung.

Auf einen Hoffnungsschimmer verwies Uwe Janssens, Past Präsident der DIVI. Die Einbeziehung der nie­dergelassenen Ärzte in die Impfstrategie könne der Corona-Impfkampagne einen maximalen Schub ver­leihen. Dies habe man schon in den ersten Tagen nach Ostern sehen können. © aha/bee/aerzteblatt.de

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