Politik
Koalitionspolitiker rechnen nicht mehr mit Pflegereform
Montag, 12. April 2021
München – Politiker der Regierungskoalition Union und SPD rechnen nicht mehr mit einer großen Pflegereform vor der Bundestagswahl. Sie glaube nicht, dass aus dem Arbeitsentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in dieser Legislaturperiode noch ein Gesetz werde, sagte die CDU-Abgeordnete Jana Schimke, dem Spiegel. „Der Gegenwind aus den eigenen Reihen ist zu groß.“
Widerstand gebe es im Wirtschaftsflügel der Union, aber auch beim Koalitionspartner SPD, so das Magazin weiter. Damit stünde ein noch offenes Projekt von Spahn auf der Kippe. Sein Arbeitsentwurf sieht unter anderem vor, den Eigenanteil von Heimbewohnern an den Pflegekosten zu begrenzen. Weil Spahn gleichzeitig höhere Gehälter für Pflegekräfte und mehr Geld für die häusliche Pflege verspricht, rechnet er mit 6,3 Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr.
Der Wirtschaftsflügel der Union störe sich an diesen hohen Kosten, berichtet der Spiegel. Der Vorschlag sei „problematisch“, kritisierte Schimke, die auch Vorsitzende der Sozialkommission des Parlamentskreises Mittelstand ist: „Die Milliardenkosten sind nicht zu verantworten.“
Gesundheitspolitiker der Koalition verweisen zudem auf den engen Zeitplan bis zur Sommerpause. „Es dürfte schwer werden, das in den letzten sechs Sitzungswochen noch zu schaffen“, sagte Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion.
„Für ein geregeltes Verfahren im Parlament ist es jetzt fast zu spät“, ergänzte Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD. Bei den Gesprächen der Gesundheitsexperten der Koalition mit Spahn zeichne sich derzeit keine Einigung ab, erklärte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas. „Wir liegen inhaltlich noch sehr weit auseinander.“ Uneins sei man vor allem über die Finanzierung der Reform.
Spahn plant unter anderem, die hohen Eigenanteile im Pflegeheim zu begrenzen. Sie betragen derzeit im Bundesschnitt 2.068 Euro im Monat. Davon entfallen 831 Euro auf die reinen Pflegekosten. Diesen Anteil will er im zweiten Jahr im Heim um 25 Prozent reduzieren, im dritten Jahr um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr dauerhaft um 75 Prozent.
Zudem sollen die Personalschlüssel im Pflegeheim verbessert und die Leistungen für die Pflege zu Hause erhöht werden. Verträge mit Pflegediensten und -einrichtungen sollen nur noch zulässig sein, wenn dort Tariflöhne gezahlt werden. Die Reform soll unter anderem dadurch finanziert werden, dass der Bund künftig die soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen übernimmt.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek forderte unterdessen von der Bundesregierung mehr Tempo bei der Pflegereform. Diese müsse endlich angepackt werden, teilte der CSU-Politiker gestern in München mit.
„Sie darf nicht Corona zum Opfer fallen – das sind wir den Pflegebedürftigen und den Pflegekräften gleichermaßen schuldig, die eine Perspektive brauchen.“ Er setze sich deshalb dafür ein, die Pflegereform noch in dieser Legislaturperiode durchzusetzen.
Seit März liegt nach Angaben von Holetschek ein Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums vor. „Einen offiziellen Referentenentwurf zum Start des parlamentarischen Verfahrens gibt es aber immer noch nicht“, kritisierte er.
„Ich fordere hier mehr Tempo, wir müssen zum Beispiel rasch die Frage der Finanzierung klären.“ Wenn eine Reform nicht gelinge, müssten zumindest die Leistungsbeiträge rasch erhöht werden. „Die finanzielle Belastung im Pflegefall wird nicht nur bei Weitem nicht ausgeglichen, sie wächst von Jahr zu Jahr“, sagte Holetschek.
Dieses könne Angehörige in finanzielle Nöte bringen. Eine Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung an die Kostenentwicklung sei deshalb noch vor der Bundestagswahl im September dringend notwendig. © kna/dpa/aerzteblatt.de

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