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Politik

Bundesgesundheits­ministerium legt Diskussionsentwurf zur Neuregelung der Suizidbeihilfe vor

Montag, 19. April 2021

/dpa

Berlin – Die Debatte um die Neuregelung der Suizidbeihilfe nimmt Gestalt an. Auch das Bundesgesund­heitsministerium (BMG) hat jetzt einen Diskussionsentwurf zur Reform des Sterbehilferechts erarbeitet, der dem Deutschen Ärzteblatt () vorliegt.

Die Bundesregierung habe sich allerdings noch keine Meinung gebildet, hieß es jüngst auf eine parla­mentarische Anfrage der FDP-Fraktion. Eine Orientierungsdebatte, auf der eine Positionierung von Abge­ordneten erwartet wird, ist für übermorgen nachmittag auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt worden.

Notwendig geworden ist die erneute Debatte um die Regelung der Suizidbeihilfe durch das Urteil des Bundes­­verfassungsgerichts vom 26. Februar 2020, das das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe von 2015 kippte. Seitdem ist es Sterbehilfevereinen und Suizidhelferinnen und Suizidhelfern wieder möglich, in Deutschland tätig zu sein.

Ziel des Entwurfs aus dem Hause des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) ist es nun, die staatliche Schutzpflicht wahrzunehmen. Dafür ist eine Gratwanderung nötig: das neue Gesetz soll einerseits das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen als auch sein Leben schützen und sicherstellen, dass eine zur Selbsttötung entschlossene Person ihren Entschluss selbstbestimmt getroffen hat und nicht nur eine vorrübergehende Lebenskrise oder eine psychische Erkrankung vorliegt. Zudem soll einer gesellschaftlichen Normalisierung der Hilfe zur Selbsttötung entgegengewirkt werden.

Gelingen soll diese Gratwanderung dem Diskussionsentwurf aus dem BMG zufolge durch ein „abgestuf­tes Schutzkonzept“. Kern der Neuregelung soll zwar grundsätzlich ein strafrechtliches Verbot der Hilfe zur Selbsttötung sein. Gleichzeitig soll jedoch Hilfe zum Suizid ausnahmsweise straflos sein, wenn das abgestufte Schutzkonzept eingehalten wird. Dieses soll Betroffene davor schützen, dass ein Entschluss zur Selbsttötung von außen gefördert wird.

Voraussetzungen genau definieren

Einflussnahme oder Druck durch Dritte soll ausgeschlossen werden, indem die Voraussetzungen genau definiert werden, nach denen die Hilfe zur Selbsttötung straflos bleibt. Angehörige oder andere der oder dem Suizidwilligen nahestehende Perso­nen sollen jedoch generell von der Strafdrohung ausgenommen sein. Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung wiederum soll generell verboten werden.

Konkret beinhaltet der Entwurf als erste Säule zwei neue Straftatbestände im Strafgesetzbuch (§§ 217, 217a StGB) und als zweite Säule die Schaffung eines neuen Gesetzes zur Regelung der Hilfe zur Selbst­tötung (Selbsttötungshilfegesetz – StHG). Dieses regelt das nähere Verfahren zu dem abgestuften Schutz­konzept sowie die Einrichtung und öffentliche Förderung von Beratungsstellen. Dort sollen unentgeltlich ergebnisoffene Beratungen erfolgen und Wege aus Konfliktsituationen aufgezeigt werden, und zwar hinreichend lange vor dem beabsichtigten Suizid.

Die ärztlichen Tätigkeiten, die im Rahmen des Schutzkonzeptes vorgesehen sind, beschränken sich dem Entwurf zufolge auf Tätigkeiten, die zum Kernbereich ärztlicher Tätigkeit gehören, nämlich die Aufklärung, die Beratung und die Feststellung von Erkrankungen sowie deren Dokumentation. Somit soll die Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten im Rahmen des Schutzkon­zeptes „im Einklang mit den ärztlichen Grundsätzen der Berufsausübung stehen“, heißt es.

Mit dem Entwurf wird geregelt, dass die Feststellung des freien und selbstbestimmten Entschlusses zum Suizid durch zwei unabhängige ärztliche Personen erfolgen muss, von denen eine die Facharztbezeich­nung „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“ führen muss. Beide Ärzte müssen ihre Einschätzung zudem schriftlich bescheinigen und dürfen der zur Selbsttötung entschlossenen Person nicht selbst Hilfe zur Selbsttötung leisten. Dadurch soll sowohl die ärztliche als auch die suizidwillige Person vor einer unzu­lässigen Einflussnahme geschützt werden.

Der Diskussionsentwurf des BMG deckt sich in einigen Ansätzen mit den Eckpunkten für eine Neurege­lung der Suizidbeihilfe, dieser Tage eine Gruppe um die CDU-Abgeordneten Ansgar Heveling und den früheren Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vorlegte. Auch sie wollen zwar das Recht von Sterbe­willigen auf einen freiverantwortlichen Suizid und die Inanspruchnahme von Hilfe respektieren, gleichzeitig aber dafür sorgen, dass besonders gefährdete Gruppen vor einer Beeinflussung ihres Willens geschützt werden.

Den Eckpunkten zufolge, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen, will sie eine geschäftsmäßige Sterbehilfe nur eng begrenzt und unter speziellen Voraussetzungen erlauben. Werbung dafür soll grund­sätzlich strafbar sein.

Die Gruppe, der neben Heveling und Gröhe auch der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger, die SPD-Abgeordneten Hilde Mattheis, Kerstin Griese und Lars Castellucci, ferner Kirsten Kappert-Gonther und Konstantin von Notz von den Grünen und Kathrin Vogler und Friedrich Straetmanns von den Linken sowie die FDP-Abgeordneten Pascal Kober und Benjamin Strasser angehören, sucht derzeit das Gespräch mit gleichgesinnten Parlamentariern.

„Wir sind der Auffassung, dass es strafbewehrte Grenzen der Suizidbeihilfe geben sollte. Dabei geht es um den Schutz der Autonomie des Einzelnen, in den die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe eingreifen kann“, erklärt Heveling dem .

Damit die Umsetzung einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung und die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter jedoch nicht faktisch unmöglich wird, soll die geschäftsmäßige Suizidhilfe „unter sehr bestim­mten Voraussetzungen nicht unrechtmäßig sein“, so die Formulierung in den Eckpunkten.

„Wir sehen bei der geschäftsmäßigen Sterbehilfe durch Vereinigungen oder auch Einzelne eine Gefahr für die freiver­antwortliche Entscheidung über das eigene Leben besonders vulnerabler Gruppen“, erläu­tert Heveling. „Diese kann daher überhaupt nur nach einer umfassenden Beratung und einer validen Feststellung der Freiverantwortlichkeit straffrei sein. Die Beratung soll den Betroffenen Möglichkeiten der Hilfe zum Leben aufzeigen.“

Konkret sollen deshalb mindestens zwei Untersuchungen mit hinreichendem Abstand durch einen Fach­arzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie vorgeschrieben werden. So soll die Ernsthaftigkeit und die Daue­r­haftigkeit der Suizidentscheidung abgesichert werden. Ein Anspruch auf Hilfe bei der Selbsttötung oder zu deren Unterstützung gegenüber staatlichen Stellen oder Ärztinnen und Ärzten darf nach Ansicht der Parlamentarier jedoch nicht bestehen.

„Nach meiner Vorstellung leisten Ärztinnen und Ärzte primär Hilfe zum Leben“, sagt Heveling. Ein Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe bedeute aber nicht, dass es Ärztinnen und Ärzte, die das mit ihrem Gewissen und ihrem Berufsethos vereinbaren können, verwehrt sein sollte, im Rahmen der straffreien Suizidbeihilfe Hilfe zu leisten.

Einen anderen Ansatz verfolgt der interfraktionelle Gesetzentwurf von Karl Lauterbach (SPD), Katrin Helling-Plahr (FDP) und Petra Sitte (Linke), den diese bereits Ende Januar vorstellten. Zentraler Punkt ihres Sterbehilfegesetzes ist eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes. Künftig soll eine ärztliche Verschreibung von tödlichen Medikamenten an einwilligungsfähige Suizidwillige möglich werden – sofern sich diese einer verpflichtenden Beratung unterzogen haben und auch noch nach zehn Tagen Bedenkzeit bei ihrem Todeswunsch bleiben.

Aber auch entsrechend dieses Entwurfs sollen Beratungsangebote für Suizidwillige ständig und unent­geltlich zur Verfügung stehen und öffentlich finanziert werden. Kein Arzt und kein konfessioneller Träger von Kliniken oder Heimen soll zur Suizidbeihilfe verpflichtet werden. Gleichzeitig soll der Entwurf aber ein Signal an die Ärztekammern sein, berufsrechtliche Regelungen anzupassen.

Ferner liegt derzeit noch ein weiterer Gesetzentwurf zur Neuregelung der Suizidhilfe vor. Renate Künast und Katja Keul von den Grünen verstehen ihn auch als „Schutzkonzept“. In dem Ppapier wird zwischen Suizidwilligen, die an einer schweren Erkrankung leiden, und dem Suizidwunsch aus anderen Gründen unterschieden.

Ärztinnen und Ärzten kommt im ersten Fall eine entscheidende Rolle zu. Sie sollen den Sterbewillen von Schwerkranken prüfen und sie gleichzeitig auf alle medizinischen Möglichkeiten hinweisen, die den Leidensdruck minimieren könnten. © ER/aerzteblatt.de

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