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Politik

Abgeordnete wollen Suizidbeihilfe in dieser Wahlperiode neu regeln

Dienstag, 20. April 2021

/nmann77, stock.adobe.com

Berlin – Vor der für morgen geplanten Debatte im Bundestag über mögliche Regelungen der Suizid­bei­hilfe haben sich die Initiatoren eines interfraktionellen Gesetzentwurfes zu Wort gemeldet. Sie wollen eine Entscheidung noch vor den Bundestagswahlen.

„Die verein­barte Debatte ist richtig und wichtig. Wir werden auf eine Neuregelung noch in dieser Wahl­periode drängen“, erklärten die Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Die Linke) heute in Berlin. Deshalb werde man noch in dieser Sitzungswoche den Gesetzentwurf offiziell einbringen.

Vor gut einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Verbot der geschäftsmäßigen Bei­hilfe zum Suizid von 2015 gekippt. Zwei Vorschläge aus den Reihen des Bundestages wollen nun die Voraussetzungen für die Beihilfe regeln.

Die Abgeordneten Helling-Plahr (FDP) und Sitte (Linke) und Lauterbach haben einen Gesetzentwurf vor­gelegt, der „klarstellen soll, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist“, Missbrauch aber verhin­dern soll. Dazu soll sichergestellt werden, dass der Entscheidung ein dauerhafter „autonom gebildeter freier Wille“ zugrunde liegt.

Einen ähnlichen Vorschlag stellten Renate Künast und Katja Keul von den Grünen vor. Beide Vorschläge setzen auf Beratungs- und Wartefristen und knüpfen den Zugang zu Medikamenten für die Selbsttötung an ärztliche Verschreibungen. Der Vorschlag der Abgeordneten der Grünen fordert eine zweite ärztliche Beurteilung sowie die Beratung durch private, unabhängige Stellen.

Zur Debatte hat zudem eine überfraktionelle Gruppe um die Unionspolitiker Stephan Pilsinger und Ans­gar Heveling, Lars Castellucci (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Benjamin Strasser (FDP) ein Eckpunktepapier vorgelegt. Sie wollen die Selbstbestimmung durch umfassende Beratung und Begut­achtung sicherstellen und mit Angeboten der Suizidprävention verbinden. Die „geschäftsmäßige Suizid­hil­fe“ soll erneut grundsätzlich strafbar sein, unter bestimmten Voraussetzungen aber „nicht unrechtmä­ßig“ sein.

Ferner ist ein detaillierter „Diskussionsentwurf“ aus dem Bundesgesundheitsministerium bekannt gewor­den. Auch er sieht vor, die Hilfe zur Selbsttötung wieder unter Strafe stellen, aber Ausnahmen sollen im Rahmen eines Schutzkonzeptes gelten. Die freie Willensentscheidung sollen Ärzte oder Psychotherapeu­ten attestieren und äußerer Druck vermieden werden. Details sind demnach in einem eigenen „Selbsttö­tungshilfegesetz“ zu regeln. Neben einem Werbungsverbot soll eine Änderung des Betäubungsmittel­ge­setzes den Zugang zum todbringenden Mittel ermöglichen.

Die Orientierungsdebatte ist auf zwei Stunden angesetzt. Eine neue Regelung vor den Bundestagswah­len scheint aber eher unwahrscheinlich. Zu viele Detailfragen sind noch offen. Viele Abgeordnete sehen sich dabei vor einem Dilemma.

Einerseits wollen sie eine fragwürdige Sterbehilfepraxis durch Vereine und möglichen Missbrauch ver­hindern. Andererseits möchten sie ein Schutzkonzept vorlegen, das Karlsruhe nicht gleich wieder kas­siert. Nicht wenige fordern zudem vor einer Regelung wie bei anderen Themen eine breite gesellschaft­liche Debatte.

„Nach der Urteilsbegründung ist offensichtlich, dass es nur einen Weg für eine Neuregelung gibt. Näm­lich in Richtung Selbstbestimmung und Liberalität“, so Helling-Plahr heute. Sie sei froh, dass „zuletzt auch die Union ihre Blockadehaltung aufgegeben hat und wenigstens einem ersten Austausch im Ple­num zustimmte“.

Betroffene warteten seit Jahren auf Rechtssicherheit, so Lauterbach. Nun dürfe nicht zu lange gewartet werden, zudem müsse man sich „eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts“ orientieren. „An­sonsten landet eine mögliche vor allem restriktive Neuregelung wieder vor dem Bundesverfas­sungsge­richt.“ Sitte erklärte: „Wir brauchen endlich eine liberale Regelung, die Rechtssicherheit schafft und nicht bevormundet.“

Auch der Deutsche Ärztetag will sich in diesem Jahr in digitaler Form mit der Sterbehilfe befassen. Dabei habe man auch die geplante Orientierungsdebatte im Bundestag, die morgen (21.4.) stattfinden soll, im Blick, hieß es heute auf einer Vorabpressekonferenz.

Man wolle sich in den vier bislang vorliegenden Gesetzesentwürfen besonders mit der vorgesehenen Rolle der Ärzteschaft befassen, betonte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Die Diskussion auf dem Ärztetag solle generell darum gehen, welche ärztlichen Rolle es beim Sterbe­wunsch des Patienten geben könne. Dabei müssten viele Fragen beantwortet und bewertet werden, bei­spielsweise über die Schwere der Krankheit. Dies könnte möglicherweise eine ärztliche Aufgabe sein.

„Aus meiner persönlichen Sicht ist die die Suizidbeihilfe aber keine ärztliche Aufgabe“, so BÄK-Präsident Reinhardt bei der Pressekonferenz im Vorfeld des Ärztetages. Dazu bereite die BÄK eine Handreichung zur Diskussion vor, in der der Umgang mit Sterbewilligen skizziert werden soll.

Ob auf dem digitalen Ärztetag der entsprechende Satz in der Muster-Berufsordnung (M-BO) verändert wird, ist aber noch offen. Ein Vorschlag, den Satz „Der Arzt darf keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ (Pa­ragraf 16) zu streichen und an einer anderen Stelle in der M-BO festzulegen, dass Suizidbegleitung keine ärztliche Aufgabe sei, könne diskutiert werden. Ein konkreter Beschluss hänge aber auch davon ab, wie sich nun der Bundestag zu einer gesetzlichen Neuregelung positioniert. © kna/bee/aerzteblatt.de

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Kommentare

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Avatar #42795
wima1711
am Mittwoch, 21. April 2021, 18:37

Selbstbestimmung ohne Beteiligung von ÄrztInnen

Wenn Hilfe zum Selbstmord notwendig ist, weil es der Suizidwillige nicht mehr alleine schafft die selbst angeforderte todbringende Substanz herbeizuschaffen, um sie s e l b s t einzunehmen, dann muss diese Hilfe straffrei möglich sein. Warum dabei aber Ärzte helfen müssen oder sollen, das bedarf einer Erklärung.
Avatar #760232
penangexpag
am Mittwoch, 21. April 2021, 11:55

Selbstbestimmung ernst nehmen

So respektabel es ist, Menschen in Not zu helfen - die Frage, ob eine Fremdhilfe zur Selbsttötung überhaupt notwendig ist, die ist völlig aus dem Blick geraten. Das Leben selbst Gesunder ist nur in einem begrenzten Bereich möglich, der zwar durch Willensstärke ausgeschöpft, jedoch nicht überschritten werden kann. Um wieviel schmaler ist dieser Bereich bei Menschen mit so schweren Erkrankungen, daß sie genau diesen Willen gar nicht mehr haben, sondern gerade den gegenteiligen. Wir kennen die Ermüdungsprozesse im Alter, die dazu führen können, daß Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme unter die lebensnotwendigen Grenzen sinken und das Eingreifen erfordern. Es steht in der freien Entscheidung eines Menschen, dieses Eingreifen auszuschließen.Die damit eingeleitete Phase des Erlöschens bleibt immer noch in Konkurrenz zu einem möglicherweise doch noch vorhandenen Lebenswunsch - eigentlich das Maximum an Entscheidungsfreiheit was überhaupt denkbar ist. Und zwar gänzlich ohen die janusköpfige Assistenz anderer Menschen.
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