Ärzteschaft
Ärzte diskutieren Neuregelung der Sterbehilfe
Donnerstag, 29. April 2021
Berlin – Die gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe ist ein wichtiges Thema auf dem anstehenden 124. Deutschen Ärztetages, der am kommenden Dienstag und Mittwoch ausschließlich virtuell stattfinden wird. Im Vorfeld wird das Thema auch in den Ländern intensiv diskutiert.
„Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen, da es Kernfragen des Selbstverständnisses unseres Berufes berührt“, betonte der Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Wolfgang Miller.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2020 unter anderem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf ein Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben geschlossen. Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasse auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, so die Richter. Derzeit berät der Bundestag über eine Neuregelung.
In der deutschen Ärzteschaft ist der Umgang mit Suizidhilfe schon länger umstritten. Das ausdrückliche Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe in der Berufsordnung wurde 2011 vom Ärztetag in Kiel beschlossen.
Als Diskussionsgrundlage für den kommenden Ärztetag will die Bundesärztekammer (BÄK) nun eine Handreichung vorbereiten: Es geht um die Möglichkeiten der ärztlichen Sterbebegleitung, den Umgang mit suizidwilligen Patienten und die Frage, wie festgestellt werden kann, ob ein Selbsttötungswunsch freiwillig ist.
Nach dem Urteil sei ein Verbot der ärztlichen Beihilfe beim Suizid nicht mehr aufrecht zu erhalten, betont BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Aus seiner persönlichen Sicht sei die Suizidbeihilfe aber keine ärztliche Aufgabe. Im Nachrichtenmagazin Spiegel warnte er: „Ich habe Sorge, dass die Politik die Ärzte per Gesetz zu sehr in die Suizidassistenz einbinden könnte.“
Für sie müsse jedoch ihr ärztlicher Auftrag im Vordergrund stehen. „Als Ärzte sind wir dem Leben verpflichtet“, betonte Reinhardt. Auch bräuchten Patienten absolute Verlässlichkeit, dass es ihrem Arzt darum gehe, Leiden zu lindern.
In „besonderen Ausnahmefällen“ habe er aber Verständnis dafür, „wenn Kollegen schwerstkranken Patienten helfen, die etwa unter einer Tumorerkrankung so sehr leiden, dass sie darum bitten, unerträgliche Qualen um ein paar Monate zu verkürzen“, sagte Reinhardt.
Zuvor hatte bereits die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg Eckpunkte für eine Neuregelung der Berufsordnung beschlossen. Die Delegierten forderten unter anderem, das Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe zu streichen.
Zugleich dürfe es keine Verpflichtung zum ärztlich assistierten Suizid geben. Suizidwünsche von gesunden Menschen dürften nicht primär an Ärzte adressiert werden, heißt es. Zugleich sollten die Aktivitäten zur Suizidprävention und zur Beratung Suizidwilliger verstärkt und die Palliativmedizin verbessert werden.
„Ich halte Suizidassistenz für keine ärztliche Tätigkeit. Mit dem Gerichtsurteil geht nicht einher, dass Ärzte zu Sterbehelfern werden für alle, die aus dem Leben scheiden wollen“, betonte auch Miller.
Die Ärzteschaft sei durch ihre Berufsordnung dem Erhalt des Lebens verpflichtet sowie der palliativen Begleitung von Sterbenden. „Wenn es aber darum geht, nicht Schwerkranken – also beispielsweise Menschen in Lebenskrisen – bei der Verwirklichung des Sterbewunsches zu helfen, kann dies nicht unsere Aufgabe sein“, sagte er.
Die Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer beschreibt in Paragraf 16 „Beistand für Sterbende“: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Vor dem Hintergrund des Karlsruher Gerichtsurteils könnte der letzte Satz als formell verfassungswidrig angesehen werden. © hil/aerzteblatt.de

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