Medizin
Wie Kalifornien die Rate von Kaiserschnitten erfolgreich gesenkt hat
Donnerstag, 29. April 2021
Palo Alto – Dem US-Staat Kalifornien ist es durch ein spezielles Fortbildungsprogramm gelungen, den Anteil der Kaiserschnitte bei unkomplizierten Schwangerschaften zu senken. Einzelheiten wurden jetzt im Amerikanischen Ärzteblatt (JAMA, 2021; DOI: 10.1001/jama.2021.3816) vorgestellt.
In den meisten westlichen Ländern ist die Zahl der Kaiserschnitte in den letzten Jahren gestiegen. In den USA nahm der Anteil an allen Geburten von 21 % im Jahr 1996 auf 33 % im Jahr 2010 zu und hat sich seither auf dem hohen Niveau gehalten (in Deutschland verdoppelte sich der Anteil von 1991 bis 2010 von etwa 15 auf 30 %).
Experten sind sich einig, dass es für die hohe Zahl keine medizinischen Gründe gibt. Dies gilt vor allem für Erstgebärende, die zum Termin von einem einzelnen Kind entbunden werden, das sich in einer günstigen Vertexlage (Schädel- oder Kopflage) befindet, die in den USA als NTSV (Nullipara, Term, Single, Vertex) bezeichnet wird. Hier ist in der Regel eine vaginale Entbindung möglich. In Kalifornien war der Anteil der Kaiserschnitte bei NTSV jedoch auf 26 % angestiegen.
Da man den Gynäkologen nicht vorschreiben kann, wie sie ihre Geburten durchführen, zumal die Defensivmedizin wegen des Klagerisikos hoch ist und viele Frauen sich eine „sichere“ Geburt wünschen, entschied sich die California Maternal Quality Care Collaborative (CMQCC) für ein spezielles Mentorprogramm.
Es bestand aus Videokonferenzen, in denen die Geburtshelfer (Ärzte, Pflegekräfte und Verwaltung) aus jeweils 6 bis 8 Kliniken sich mit 2 Mentoren, (1 Arzt und 1 Pflegekraft) über die Fortschritte an den Kliniken austauschten. Die Mentoren suchten auch die einzelnen Kliniken auf, um „peer-to-peer“ für die vaginale Entbindung zu werben. Die wissenschaftlichen Grundlagen wurden in einem 159-seitigen „CMQCC Toolkit to Support Vaginal Birth and Reduce Primary Cesareans“ zusammengefasst. Auch für die werdenden Mütter gab es Informationsmaterial.
Das Mentorprogramm wurde den 149 der 238 Kliniken mit Geburtshilfe angeboten, deren NTSV-Rate über dem Zielwert von 23,9 % lag, den die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) festgelegt hatten. Insgesamt 91 Kliniken nahmen das kostenlose Angebot an, das auf 18 Monate beschränkt war.
Wie Melissa Rosenstein von der Stanford Universität für die „California Maternal Quality Care Collaborative“ mitteilt, ist an den teilnehmenden Kliniken der Anteil der Kaiserschnitte an den NTSV von 28,6 % in 2015 auf 24,2 % in 2019 gesunken. Die Differenz von 4,4 %-Punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 3,7 bis 5,1 %-Punkten signifikant. In ganz Kalifornien kam es zu einem Rückgang von 26,0 % auf 22,8 % (Differenz 3,2 %-Punkte; 2,9 bis 3,5 %-Punkte), während die Rate im Rest der USA unverändert bei 26 % liegt.
Der von vielen Ärzten befürchtete Anstieg der schwerwiegenden Komplikationen ist ausgeblieben. Zu ihnen werden eine hypoxische ischämische Enzephalopathie, Krampfanfälle, Beatmungsbedarf, Neugeborenensepsis, Geburtsverletzungen und die Notwendigkeit einer Intensivbehandlung des Neugeborenen gezählt. Vor dem Programm hatte der Anteil der Komplikationen in den Kliniken, die am Programm teilnahmen, bei 2,1 % gelegen. Nach dem Ende war es auf 1,4 % gesunken.
Die Ängste der Geburtshelfer und Frauen vor einer vaginalen Geburt waren demnach unbegründet. Der Leiter der Studie Elliott Main hält eine weitere Senkung der Kaiserschnitte bei den NTSV für möglich. Er weist auf die Schwächen in der Betreuung der Frauen während der Schwangerschaft hin.
In den USA gibt es traditionell nur wenige Hebammen an den Kliniken. In den letzten Jahren wurden „Doulas“ populär, die die Frauen vor, während und nach der Geburt betreuen, ohne an der Geburt selbst beteiligt zu sein. Diese Betreuung soll den Frauen die Ängste vor einer vaginalen Geburt nehmen. Nur 1/3 der Kliniken in Kalifornien setzt derzeit „Doulas“ ein. Hebammen gab es nur an 4 % der Kliniken. © rme/aerzteblatt.de
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