Politik
Forderungen nach verstärktem Impfen in sozialen Brennpunkten
Freitag, 30. April 2021
Bonn – In der Debatte um Impfpriorisierungen mehren sich die Forderungen nach verstärktem Impfen in sozialen Brennpunkten. Intensivmediziner riefen die Länder und Kommunen dazu auf, möglichst rasch viele Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen gegen Corona zu impfen, um die Krankenhäuser zu entlasten.
„Auf den Intensivstationen liegen überdurchschnittlich viele Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Benachteiligte“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Christian Karagiannidis, der Rheinischen Post.
Auch Städte und Kommunen sprachen sich für ein derartiges Vorgehen aus. „Soziale Unterschiede dürfen nicht dazu führen, dass ein Teil der Menschen abgehängt wird, weil für sie der Zugang zu Impfungen zu schwer ist“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Um mehr Menschen individuell anzusprechen, müssten auch mobile Impfteams stärker eingesetzt werden. „Wo die Wohnsituation von Menschen beengt ist und es nur geringe Einkommen gibt, wo Menschen, zum Teil auch mit Migrationshintergrund, in sozial schwierigen Verhältnissen leben, müssen wir den Zugang zu Impfangeboten erleichtern.“
Viele Städte hätten bereits in den vergangenen Wochen ihre Anstrengungen verstärkt, in sozial benachteiligten Quartieren intensiver über die Einhaltung von Hygienevorgaben zu informieren. „Nun geht es darum, auch das Impfen den Menschen dort stärker nahezubringen“, so Dedy.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), warb zudem für den systematischen Einsatz von Sprachmittlern bei Ärzten und in Krankenhäusern. „Das Problem der Sprachbarriere stellt sich ja unabhängig vom Pandemieverlauf in allen möglichen Bereichen der Gesundheitsversorgung“, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch in der Impfkampagne brauche es mehrsprachige Informationen.
Die Kommunen unterstützen Forderungen nach verstärkten Impfungen in sozialen Brennpunkten, wollen dabei aber nicht von der festgelegten Impfreihenfolge abweichen.
„In sozialen Brennpunkten ist es wichtig, die dort lebenden Menschen gezielt zu informieren und mehrsprachige Informationen zur Impfung zur Verfügung zu stellen“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der Rheinischen Post. Zudem sollten die Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Impftermine unterstützt werden. Eine Priorisierung und damit ein Abweichen von der Impfreihenfolge halte man „derzeit nicht für zielführend“.
Gerade in Ballungsräumen sei die Mobilität zwischen Stadtteilen aus unterschiedlichen Gründen sehr hoch. „Die Auswirkungen von Priorisierungsimpfungen einzelner Stadtteile würden auch nur mit einigem Zeitverzug sichtbar, abhängig vom genutzten Impfstoff“, sagte Landsberg.
Laut einer Studie von Sozialwissenschaftlern des Marktforschungsinstituts Infas 360 weisen sozial benachteiligte Stadtteile in der Tendenz höhere Infektionszahlen auf als gut situierte. © kna/aerzteblatt.de

Lassen Sie mich durch...
Es ist gut, dass die Impfungen über die niedergelassenen Ärzte verteilt werden.
Dennoch muss es Regeln in der Verteilung geben. Selbstverständlich muss man sich um bildungsferne Patienten mehr bemühen.
In den Praxen werden doch aktuell erstmal die Gutinformierten und Impfbereiten geimpft. Für ausführliche Gespräche vielleicht mit Sprachbarriere ist doch gar keine Zeit.
Können die Hausärzte das bitte auch mal zugeben?
Es geht doch darum ZUSAMMEN eine gute Impfquote zu erzielen. Und ja, solange der Impfstoff knapp ist, muss es Regeln geben. Weil nach 20Jahren im Gesundheitswesen möchte ich mich nicht allein auf die Moral und den Gerechtigkeitssinn oder Weitblick meiner Kollegen* innen verlassen.
Wann hört denn diese alberne „lassen Sie mich durch, ich bin Arzt ( und weiß alles besser)“ - Mentalität mal auf?
Mobile Impfteams auf Großbaustellen, Fleischfabriken - an Orten prekärer Beschäftigungen würden helfen, bildungsferne Menschen zu erreichen.
Die anderen erreicht man in den Praxen sowieso.

OK, jetzt sind also alle in der Priorität weiter vorne zu plazieren.
Sollte noch irgendeine Gruppe fehlen, bitte sofort melden. Ansonsten wäre diese Gruppe gegenüber allen anderen benachteiligt. Und wir können doch nur "bevorzugen", "benachteiligen" - dafür will niemand die Verantwortung übernehmen.
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Ironie off:
Die Hausärzte haben vorgeschlagen, nachdem die vulnerablen Gruppen weitestgehend geimpft sind, den Rest den Hausärzten zu überlassen. Die wüssten schon, was sie tun.
Die Hausärzte haben Recht.
Damit dürfte in der Sache alles gesagt sein.

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