Politik
Zusammenführung der Krebsregisterdaten steht bevor
Montag, 3. Mai 2021
Berlin – Um die onkologische Versorgung weiter zu verbessern, sollen künftig die Daten aus den klinischen und epidemiologischen Krebsregistern der Länder zusammengeführt und erweitert werden. Dies sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten vor, der heute im Gesundheitsausschuss beraten wurde und von den Verbänden Sachverständigen größtenteils positives Feedback erhielt.
Das Gesetz soll noch in diesem Sommer beschlossen werden und in Kraft treten. Dabei bedarf es nicht der Zustimmung des Bundesrates.
„Das Gesetz ist ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagte Alexander Katalinic vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Der Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie in Lübeck und des Instituts für Krebsepidemiologie hält den Gesetzentwurf für einen „großen Wurf“. Durch das Gesetz werde künftig ein einzigartiger Datensatz zur Verfügung stehen, dessen Analyse viele Menschenleben retten könne, erklärte er in der heutigen virtuellen Anhörung im Bundestag.
In einem zweistufigen Prozess soll dem Gesetzentwurf zufolge der derzeit von den Krebsregistern der Länder an das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) beim Robert-Koch-Institut zu übermittelnde Datensatz zusammengeführt und erweitert werden. Bereits in der ersten Stufe soll die Zusammenführung klinischer und epidemiologischer Daten der Krebsregister der Länder beim ZfKD einen signifikanten Mehrwert für Forschung und Versorgung und damit für alle Patienten mit Tumorerkrankungen schaffen.
„Jetzt, wo wir es geschafft haben, dass die Länder die Registerdaten einheitlich erfassen, ist die Zusammenführung extrem wichtig“, sagte Monika Klinkhammer-Schalke. Die Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren setzt aber auch große Hoffnungen auf die zweite Stufe. Dann soll nämlich ein kooperativer Datenverbund der Krebsregister mit dem ZfKD und klinisch-wissenschaftlichen Akteuren aus Versorgung und Forschung geschaffen werden. „Die Verbindung zu anderen Datenquellen wird die Zukunft sein“, ist sie überzeugt.
Zentraler Baustein dieses Datenverbunds soll eine Plattform sein, die eine bundesweite anlassbezogene Datenzusammenführung und Analyse der Krebsregisterdaten aus den Ländern sowie eine Verknüpfung von Krebsregisterdaten mit anderen Daten ermöglicht und die klinisch-wissenschaftliche Auswertung der Krebsregisterdaten unter Wahrung des Datenschutzes fördert.
Alle Prozesse der Datenerfassung und -auswertung sollen interoperabel gestaltet werden. Anträge auf Datennutzung, Antragsteller und Inhalte der Anträge sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Schließlich sollen durch die Zusammenführung der Daten der Krebsregister mit den Krebsfrüherkennungsprogrammen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Erkenntnisse zum Erfolg der Krebsfrüherkennung gewonnen werden.
Die Krankenhäuser begrüßten diese Vorhaben heute ausdrücklich. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wies jedoch darauf hin, dass die Qualität des Datensatzes auch von den eingesetzten Ressourcen zur Datenerhebung abhänge und damit Aufwände für die datenerhebenden Ärztinnen und Ärzte und die Krankenhäuser entstünden, die es zu refinanzieren gelte. Die derzeitige Höhe der Meldevergütungen sei nicht ausreichend.
Grundsätzlich begrüßt wird das Gesetzesvorhaben auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Sie regte jedoch an, mit Blick auf eine mögliche Verschränkung der weiteren Ausbaustufen die elektronischen Patientenakte in den Blick zu nehmen. Dies könnte aus Sicht der Vertragsärzte durch eine Erweiterung der Aufgabe des Beirates angestrebt werden. Bedauert wurde von der KBV in der heutigen Anhörung im Gesundheitsausschuss, dass die im Referentenentwurf noch vorgesehenen bundesweit einheitlichen datenschutzrechtlichen Regelungen im Gesetzentwurf nicht beibehalten werden.
Änderungsbedarf sehen die Krankenkassen bezüglich der Regelungen zur Finanzierung und zur Evaluation der Krebsregister. Die neu eingeführte Mehrfachvergütung der Fallpauschale sei nicht zweckmäßig, um besondere regionale Gegebenheiten auszugleichen, betonte der GKV-Spitzenverband. Auch die vorgesehene dreijährige Übergangsphase für Krebsregister, die nach 2020 die Fördervoraussetzungen nicht erfüllen, sei nach nicht mehr erforderlich und sollte daher gestrichen werden, forderte die Vertreterin des GKV-Spitzenverbandes in der Anhörung.
Bei der Prüfung der Fördervoraussetzungen Ende vergangenen Jahres hätten alle 18 klinischen Krebsregister die Vorgaben voll erfüllt. Der GKV-Spitzenverband wertete dieses Ergebnis als sehr positiv, weil die Krankenkassen in ihrer Prognose basierend auf der Situation der Krebsregister in 2019 davon ausgegangen waren, dass mehrere Krebsregister die Fördervoraussetzungen in 2020 nicht erfüllen würden.
Zum Hintergrund: Für Krebserkrankungen sind in Deutschland seit dem Jahr 2009 flächendeckende Daten zum Auftreten und zu den Überlebenschancen verfügbar (epidemiologische Krebsregistrierung). Seit dem Jahr 2013 wurden zusätzlich in allen Ländern klinische Krebsregister aus- oder aufgebaut, die auch die detaillierte Behandlung und den gesamten Verlauf der Erkrankung erfassen. Der Fokus dieser Register liegt dabei auf Qualitätssicherung und Unterstützung der onkologischen Versorgung.
Für die epidemiologische Krebsregistrierung hat das Robert-Koch-Institut die Rolle einer nationalen Auswertungsstelle übernommen; seit dem Jahr 2010 wird über das ZfKD auf Antrag auch ein bundesweiter Forschungsdatensatz für externe Nutzerinnen und Nutzer zur Verfügung gestellt. Zunehmend können jedoch Forschungs- und Versorgungsfragen mit herkömmlichen Studiendesigns nicht mehr hinreichend beantwortet werden.
Qualitativ hochwertige bundesweit verfügbare Registerdaten zu klinischen Behandlungsverläufen werden deshalb immer öfter zur systematischen, patientenübergreifenden Auswertung von Krankheitsauftreten und -verläufen herangezogen. Sie können für die Wirksamkeits- und Nutzenbewertung von Behandlungsmaßnahmen und Therapieregimes verwendet werden. © ER/aerzteblatt.de

Wo bleibt das Recht der Betroffenen auf Selbstbestimmung?
So wie es derzeit läuft, wird man registriert und ist sein restliches Leben lang als krebskrank abgestempelt.
Dazu kommt noch, dass Gesundheitsdaten höchstsensibel sind und im Internet absolut nichts zu suchen haben. Das zeigte letztes Jahr der Hackerangriff auf die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ganz deutlich, bei dem Forschungsdaten abgegriffen, verschlüsselt und gegen Lösegeldzahlung wieder freigegeben werden sollten. Nur leider erwischten die Verbrecher die Uniklinik und verschlüsselten ALLE Patientenakten!!!!
So etwas darf einfach nicht passieren!!!
Die Codes wurden zwar freigegeben, aber es dauerte, bis alle Akten wieder zugänglich waren. Operationen mussten verschoben werden. Ob die Aktion auch Menschebnleben kostete, entzieht sich meiner Kenntnis.
Das Risiko des Diditalisierungswahns überwiegt den Nutzen meiner Ansicht nach bei weitem!

Entscheidung
Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus kann es daran nicht den geringste Zweifel geben. Die Pandemie hat aber gelehrt (hoffentlich!), daß es nicht nur diesen rationalen Standpunkt gibt, sondern auch den politischen, den emotionalen nämlich. Und der gibt in einer Demokratie nun mal die Letztentscheidung. Deshalb sollte dem Volk völlig unverblühmt dargelegt werden, daß es sich zu entscheiden gilt : Rettung von Menschenleben durch wissenschaftliche Methoden auf der einen Seite und die - nicht vernachlässigbare!! - Gefahr des Mißbrauches von zentralen Datenbanken für u.U. höchst kriminelle Zwecke - mit u.U. auch ziemlich lebensbedrohenden Folgen. Sich mit dem (irrigen) Argument "alles völlig sicher" vor dieser Entscheidung zu drücken wird wieder zu endlosen, sinnlosen, erfolglosen Debatten führen. Im günstigsten Fall.

Das Problem: Die Verlässlichkeit der Grund-Daten
Hier besteht weiter erheblicher Verbesserungsbedarf:
Je nach Bundesland werden die Krebsregisterdaten sehr unterschiedlich erhoben, teilweise erfolgt die Eingabe - unkontrolliert und wegen Personalmangel unkontrollierbar durch die Register - durch Klinik- und niedergelassene Ärzte (i.e. durch das Praxispersonal). Auch in Ländern, wo man dies bisher vermieden hat, wird die "elektronische Eingabe" durch die Ärzte favorisiert. Umso wichtiger sind starke Register, deren Personal die Eingaben kritisch prüfen und ggfs. optimieren muss.
Um die Qualität in ganz Deutschland GLEICH (hoffentlich gut) zu gewährleisten, ist die föderale Struktur ein erhebliches Risiko. Man wird lernen müssen, im Zentralbereich entsprechende Qualitätskontrollen für die Länderdaten einzuführen.

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