Medizin
Studie: Zuckerhaltige Getränke könnten Risiko auf frühen Darmkrebs erhöhen
Freitag, 7. Mai 2021
St. Louis/Missouri – Wer im Erwachsenenalter täglich 2 oder mehr zuckerhaltige Süßgetränke konsumiert, hat einer prospektiven Beobachtungsstudie in Gut (2021; DOI: 10.1136/gutjnl-2020-323450) zufolge ein mehr als 2-fach erhöhtes Risiko, vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs zu erkranken. Häufige Süßgetränke im Teenageralter könnten das Risiko sogar verdreifachen.
Die Zahl der Darmkrebserkrankungen vor dem 50. Lebensjahr ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Besonders dramatisch ist die Situation in den USA. Nach ersten Schätzungen wird der Geburtsjahrgang 1990 doppelt so häufig an einem frühen Darmkrebs erkranken wie der Jahrgang 1950. Beim Rektumkarzinom könnten sich die Zahlen sogar vervierfachen.
Genetische Ursachen, die normalerweise für frühe Krebserkrankungen verantwortlich gemacht werden, scheiden bei einer derartigen Zunahme als Erklärung aus. Es muss andere Gründe geben. Da jegliche Nahrungsmittel den Darm passieren, ist es plausibel die Ursachen in der Ernährung zu suchen.
Zu den wichtigsten Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten der letzten Jahrzehnte gehört der vermehrte Konsum von Süßgetränken. Diese werden bereits für die Zunahme der Adipositas verantwortlich gemacht. Eine Adipositas gehört zu den bekannten Risikofaktoren für eine Reihe von Krebserkrankungen, unter anderem auch von Darmkrebs. Süßgetränke könnten jedoch noch auf andere direktere Weise das Krebswachstum im Darm fördern.
Vor 2 Jahren konnten US-Forscher zeigen, dass es bei Mäusen mit einem genetischen Darmkrebsrisiko zu einem beschleunigten Wachstum der Tumore kommt, wenn die Tiere mit Maissirup („High Fructose Corn Syrup“, HFCS) gefüttert wurden. Die Wirkung war unabhängig von einer Gewichtszunahme oder einem metabolischen Syndrom, anderen möglichen Folgen einer hohen Fruktoseaufnahme.
Die Forscher führten ihn in Science (2019; DOI: 10.1126/science.aat8515) auf eine bevorzugte Nutzung der Fruktose durch die Krebszellen zurück. Die Fruktose wurde über das Zwischenprodukt Fruktose-1-Phosphat für die Glykolyse und die Synthese von Fettsäuren benutzt, über die Krebszellen ihren erhöhten Energiebedarf decken.
Ein Team um Yin Cao von der Washington University School of Medicine in St. Louis/Missouri hat jetzt untersucht, ob ein häufiger Konsum von Süßgetränken mit HFCS auch beim Menschen das Darmkrebsrisiko fördern könnte. Die Forscherin hat hierzu die Daten der Nurses’ Health Study II ausgewertet, die seit 1989 eine Gruppe von 116.429 US-Krankenschwestern begleitet. Die Teilnehmerinnen, die zu Beginn der Studie zwischen 25 und 42 Jahre alt waren, füllten alle 4 Jahre Fragebögen zu ihren Ernährungsgewohnheiten aus. Cao hat die Angaben mit den Darmkrebserkrankungen vor dem 50. Lebensjahr in Beziehung gesetzt.
Von den 95.464 Frauen, zu denen Angaben zum Konsum von Süßgetränken vorlagen, sind im Verlauf der bisher 24-jährigen Nachbeobachtung 109 vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs erkrankt. Die Teilnehmerinnen, die regelmäßig mehr als 2 Süßgetränke am Tag zu sich nahmen, erkrankten mehr als doppelt so häufig wie Frauen, die weniger als 1 Süßgetränk pro Woche tranken.
Cao ermittelt ein relatives Risiko vom 2,18, das mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,10 bis 4,35 signifikant war. Mit jedem zuckerhaltigen Süßgetränk pro Tag stieg das Risiko auf einen frühen Darmkrebs um 16 % (relatives Risiko 1,16; 1,00 bis 1,36). Diese dosisabhängige Assoziation ist in epidemiologischen Studien immer ein Hinweis auf eine Kausalität.
Beweisen kann die Studie den Zusammenhang zwar nicht, da es immer möglich ist, dass Personen, die viele Süßgetränke zu sich nehmen, auch in anderen Bereichen ungesünder leben. Dies war auch in der Nurses’ Health Study II der Fall. Die Krankenschwestern, die häufiger zum Süßgetränk griffen, waren körperlich weniger aktiv, sie verzehrten häufiger rotes Fleisch und Wurstwaren. Sie nahmen außerdem seltener Multivitamine ein, ihre Nahrung war ärmer an Ballaststoffen, Folsäure und Kalzium, und ihre Ernährungsqualität war insgesamt niedriger.
Alle diese Faktoren können das Darmkrebsrisiko beeinflussen. Durch die ausführlichen Befragungen in der Nurses’ Health Study II konnte Cao die möglichen „Confounder“ jedoch in ihren Berechnungen berücksichtigen und damit als Fehlerquelle ausschließen.
Insgesamt 41.272 Teilnehmerinnen haben auch Angaben zu ihren Ernährungsgewohnheiten im Teenageralter gemacht. Ein hoher Konsum von Süßgetränken könnte das Darmkrebsrisiko noch stärker beeinflussen als im Erwachsenenalter. Cao ermittelt ein relatives Risiko von 3,41 (1,08 bis 10,8) für den Konsum von mehr als 2 zuckerhaltigen Süßgetränken pro Tag oder von 1,32 (1,00 bis 1,75) für jedes zusätzliche zuckerhaltige Süßgetränk am Tag.
Für einen kausalen Zusammenhang spricht auch, dass für künstlich gesüßte Getränke kein erhöhtes Risiko für einen Darmkrebs nachweisbar war. Diätgetränke können nach den Ergebnissen anderer Studien jedoch über appetitanregende Wirkung das Körpergewicht steigern. © rme/aerzteblatt.de

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