Politik
Coronakrise: Heftige Debatte um Belegung von Intensivbetten
Montag, 17. Mai 2021
Berlin – Haben die Krankenhäuser und Ärzte in der Coronapandemie Geld verdient, indem sie Patienten auf die Intensivmedizin verlegt haben, die dort nicht hingehörten? Diesen Verdacht äußert der Mediziner und Gesundheitsökonom Matthias Schrappe unter anderem in der Welt. Er hat dazu mit anderen Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis ein neues Thesenpapier erarbeitet. Ärzte und Krankenhäuser sind empört, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) reagiert gelassen.
„Das Papier kennen wir“, sagte heute ein Sprecher des Ministeriums vor Journalisten in der Berliner Bundespressekonferenz. Die Experten behaupteten darin, dass Krankenhäuser sich Fördermittel erschlichen hätten. „Dafür haben sie aber keinen Beleg. Zumindest keinen, den ich in dem Papier erkennen würde“, so der BMG-Sprecher.
Er betonte, dass es ebenfalls keine Belege dafür gebe, dass in Deutschland Coronapatienten auf Intensivstationen der Krankenhäuser behandelt worden seien, die dort nicht hätten versorgt werden müssen. „Der starke Vorwurf, dass Menschen auf Intensivstationen aufgenommen worden sind, die es nicht sollten, ist nicht belegt“, sagte der Ministeriumssprecher.
Schrappe hatte der Welt unter anderem gesagt, man habe sich die Zahlen der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen in Deutschland angesehen und sei zu dem Schluss gekommen, dass es in den Krankenhäusern „offensichtlich die Tendenz“ gegeben habe, „Patienten ohne Not auf die Intensivstation zu verlegen – während der Pandemie“.
Es habe gemessen an der Sieben-Tage-Inzidenz nirgendwo auf der Welt so viele COVID-19-Kranke auf Intensivstationen gegeben wie in Deutschland. „Erkranken Bundesbürger schwerer als die übrigen Menschen in Europa? Oder könnte es sein, dass manche Krankenhäuser sich in Erlösmaximierung versuchen?“, sagte Schrappe in der Welt.
Der Gesundheitsökonom erklärte weiter, dass ein Intensivbett einen höheren Erlös bringe als ein Normalbett. Auch müsse ein Patient auf einer Intensivstation nicht unbedingt beatmet werden. „Es gibt Zweifel an einem zielgerichteten, adäquaten Einsatz unserer Ressourcen.“
Es habe sogar einzelne Tage gegeben, an denen offiziell mehr Patienten auf Intensivstationen gelegen hätten als überhaupt hospitalisiert gewesen seien. Zweifel hat er auch, ob tatsächlich so viele Intensivbetten geschaffen worden sind, wie an Fördergeldern dafür geflossen seien.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), der Marburger Bund (MB) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wiesen die Vorwürfe von der Manipulation offizieller Statistiken und der Unterstellung, rein aus finanziellem Interesse Patienten intensivmedizinisch zu behandeln, heute gemeinsam „aufs Schärfste“ zurück.
Auch die Behauptung, die Krankenhäuser hätten zu Unrecht Fördergeld für nie aufgebaute Intensivbetten kassiert, bezeichneten sie als „nicht haltbar“. „Viele der Anwürfe Schrappes basieren auf Fehleinschätzungen und mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Lage in Kliniken“, schreiben MB, DIVI und DKG.
So sei ein Intensivbett nicht nur das vorhandene Bett mit Beatmungsgerät. Es gehe um die Anzahl tatsächlich betreibbarer Betten – auch im Krankenhausfinanzierungsgesetz stehe dieser Begriff. Ein intensivmedizinischer Behandlungsplatz gelte als betreibbar/betriebsfähig, wenn ein vorgesehener Raum, funktionsfähige Geräte und Material pro Bettenplatz, Betten, und personelle Besetzung mit pflegerischem und ärztlichem Fachpersonal vorhanden seien und eingesetzt werden könnten.
Außerdem würden dabei noch nach den drei Versorgungsstufen Low-care, High-care und ECMO unterschieden. Bei letzterer werde Blut von Patienten mit schwerem Lungenversagen in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert – eine Art externe Lunge.
Für den Rückgang der Intensivbettenzahl im weiteren Verlauf des Jahres gibt es nach Darstellung von DIVI, MB und DKG mehrere Gründe. Bereits Anfang August 2020 sei es im DIVI-Intensivregister zu einem Rückgang der Intensivbettenzahl gekommen. Dieser sei auf eine Änderung bei der Abfrage der intensivmedizinischen Kapazitäten sowie dem Einsetzen der Pflegepersonaluntergrenzen zurückzuführen. In der Konsequenz hätten zahlreiche Kliniken ihre Bettenmeldungen an diese Personalvorgaben angepasst.
Außerdem würden seitdem die Notfallreservekapazitäten separat abgefragt. „Die Angaben zur Anzahl der freien betreibbaren Bettenkapazitäten haben sich in den folgenden Meldungen entsprechend reduziert“, heißt es. Die Daten legten nahe, dass ein Teil der vorher gemeldeten freien Bettenkapazitäten nun als Notfallreservekapazität gemeldet werde. Die Notfallreserve könne stückweise aktiviert werden, indem andere Behandlungen abgesagt bzw. verschoben werden.
Der Vorwurf, offizielle Statistiken im Nachhinein manipuliert zu haben, könne ebenfalls direkt entkräftet werden, heißt es weiter. Das DIVI-Intensivregister habe im Verlauf der Pandemie die Betten der Kinderintensivstationen aus der Gesamtzahl der betreibbaren Betten herausgerechnet – Betten auf der Frühchenstation (NICU) und schwerstkranke Kleinkinder (PICU). Diese spielten für die Versorgung von COVID-19-Patienten keine Rolle. Auf die Veränderung der Darstellung reiner Erwachsenenbetten werde in sämtlichen Statistiken aber auch explizit hingewiesen.
Gänzlich unbelegt ist Ärzten und Kliniken zufolge der Hinweis, im internationalen Vergleich habe die Versorgung der COVID-19-Patienten in Deutschland unangemessen häufig in den Intensivstationen stattgefunden. Dies sei eben gerade die Stärke der deutschen Krankenhausstrukturen, schwerkranke Patienten adäquat intensivmedizinisch zu versorgen und dadurch Leben zu retten.
Wer daraus eine „Fehlversorgung“ konstruiere, müsse gleichzeitig Daten vorlegen, dass die Behandlungsergebnisse in anderen Ländern gleich gut oder sogar besser waren, hieß es. Dass Patienten ohne Not auf Intensivstationen gelegt worden wären, sei „ein wirklicher Schlag ins Gesicht“ der Ärzte und der Pflegekräfte in den Krankenhäusern.
Pflegekräfte und Ärzte hätten in den vergangenen Monaten unter höchster Belastung große Leistungen vollbracht. „Jeder Intensivpatient, der nach oft monatelanger höchst anspruchsvoller Behandlung wieder auf eine Normalstation verlegt werden konnte, bedeutete nicht nur ein gerettetes Leben, sondern auch etwas mehr Entlastung für die Beschäftigten.“ © may/aerzteblatt.de

@Andre B., Wenn Sie schon persönlich werden,
Die von Ihnen zitierten Verweildauern sind globale Zahlen von 2020 ohne Berücksichtung des Alters der Patienten und ohne Zuordnung zu den Phasen der Epidemie, sind also irrelevant für die Bewertung des Thesenpapiers von Herrn Schrappe. Ihm waren diese Zahlen sicher auch bekannt.
Ihre Kommunikationsstrategie besteht zu 50% aus dem Herbeten der Biografien der von Ihnen bevorzugten Eminenzen und zu 50% aus dem Kopieren von Textabschnitten, die Sie inhaltlich nicht verstanden haben. Auf dieser Basis ist eine Sachdiskussion mit Ihnen ausgeschlossen.
Was ich Herrn Schrappe vorwerfe ist nicht die Tatsache, dass er Ökonom ist, sondern die Selbstüberschätzung, mit der er eine unzureichende Datenlage bewertet. Mit den detaillierten Abrechnungsdaten der zweiten und dritten Welle werden sich viele Fragen beantworten lassen, aber auf diese Daten wird er noch warten müssen. Wenn Herr Schrappe Zweifel an der ITS-Pflichtigkeit vieler Patienten hat, könnte eine Punktprävalenzstudie auf einer oder mehreren ITS diese Frage klären. Aufgrund seiner Biografie hätte er dazu in mehreren Kliniken dazu die Chance gehabt. Herr Schrappe hat bewusst auf die Einbeziehung von Fachleuten aus der Intensivmedizin verzichtet, er hat darauf verzichtet, fehlende Abrechungsdaten auf anderem Weg vor Ort zu verifizieren, er stellt Behauptungen auf ohne sie wirklich zu beweisen und er hat in seinem Thesenpapier grobe handwerkliche Schnitzer. Durch den vorschnellen Gang an die Presse verhindert er eine Rückkopplung mit den betroffenen Berufsgruppen.

@Staphylococcus rex - Ich glaube wenn, dann fehlen IHNEN hier die Detaillkenntnisse
Dazu aus dem Lebenslauf von Matthias Schrappe:
- 1973-1981 Studium und Promotion Humanmedizin Universität zu Köln 1990 Facharzt für Innere Medizin
- 1990 Habilitation für das Fach Innere Medizin (Klinische Infektiologie)
- 1995 Teilgebietsbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie
- 1996 Teilgebietsbezeichnung Gastroenterologie
- 1996 Außerplanmäßige Professur der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln
- 2009 Ruf auf die W3-Professur und Leitung des Institutes für Patientensicherheit der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn
>>> http://www.matthias.schrappe.com/index_htm_files/cv_lang.pdf
Zur vermeintlich erhöhten Verweildauer:
Folgende Auswertungen wurden für den Beirat des MBG nach § 24 KHG zur Überprüfung der Auswirkungen der Regelungen des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes vorgenommen:
"Die mittlere Verweildauer verlängerte sich im DRG-Bereich insgesamt um ein Prozent von 5,98 auf 6,02 Tage. In den kleinen Krankenhäusern sank die Verweildauer um 0,09 Tage, während sie in den großen um 0,14 Tage zunahm. Die Verweildauertage gingen fast so stark zurück wie die Fallzahlen: um zwölf Prozent. Bei den kleinen Krankenhäusern betrug der Rückgang dabei 15 Prozent, bei den mittleren 13 Prozent und bei den großen elf Prozent."
"Durch den Rückgang der Verweildauertage sank auch die Bettenauslastung deutlich: im DRG-Bereich insgesamt von 75,1 Prozent im Jahr 2019 auf ein historisches Allzeittief von 67,3 Prozent im vergangenen Jahr. Dabei sank die Bettenauslastung in den kleinen Krankenhäusern um 9,7 Prozentpunkte auf 62,1 Prozent, in den mittleren um 8,3 Prozentpunkte auf 66,3 Prozent und in den größeren um 7,0 Prozentpunkte auf 71,2 Prozent."
"Deutliche Unterschiede zwischen den Bettengrößenklassen gab es auch bei den Verweildauertagen auf den Intensivstationen. Während die Zahlen in den kleinen Häusern um fünf Prozent und in den mittleren um zwei Prozent zurückgingen, stiegen sie in den großen Häusern um ein Prozent an."
>>> https://www.aerzteblatt.de/archiv/218200/COVID-19-Pandemie-Historisch-niedrige-Bettenauslastung

Keine Ahnung?
Ich aber schon, und ich kann mich ebenfalls nur wundern, dass Spahn und Co letztes Jahr um die 7000 Betten in 30 Krankenhäusern platt gemacht und nun hunderte Beatmungsgeräte nach Indien geschickt haben. Und das alles in einer Zeit, in der massivste Grundrechtseinschränkung mit einer angeblich drohenden "Übrforderung des Gesundheitswesens" aufgrund steigender Inzidenzen durchgedrückt wurden, als die Zahlen (genauso wie schon beim ersten Lockdown) tatsächlich bereits wieder fielen.
An alle die Reflexempörten, die es nun angeblich wieder besser wissen, und erneut einen anerkannten Experten diffamieren wollen, frage ich, wieso wir immer noch nicht verpflichtend das Altenpflegepersonal testen, aber schon Schulkinder geimpft werden sollen, obwohl klar ist, dass diese nur in Ausnahmefällen schwer erkranken, deren Impfung aufgrund fehlender steriler Immunität aber nichts zur Herdenimmunität beiträgt?
Bitte nur ernstgemeinte, sachliche Zuschriften, keine Diffamierungen, Danke...

Schrappe hat keine Ahnung

Handwerkliche Schnitzer
„Demnach gab es in Deutschland Ende 2017 in 1.160 Krankenhäusern insgesamt 28.031 Intensivbetten, was etwa 33,9 Intensivbetten pro 100.000 Einwohnern entspricht. Diese befanden sich größtenteils (27.864 Intensivbetten) in Allgemeinen Krankenhäusern der Spitzen- oder Maximalversorgung.“
Lt. Herrn Schrappe befinden sich fast 100% der ITS-Betten in Häusern der Spitzen- und Maximalversorgung. Wenn man sich dagegen die aktuellen verfügbaren Betten nach Versorgungsgrad anschaut, kommt man auf ganz andere Zahlen:
14230 Betten bei Schwerpunkt- und Maximalversorgern
23410 Betten bei alle Versorgungsgrade
https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/laendertabelle
Also ich persönlich finde die Frage, ob die Zahl der Intensivbetten bei den Häusern der Grund- und Regelversorgung ein reichliches Drittel oder fast Null ist, schon irgendwie wichtig. Wenn Herr Schrappe wenigstens etwas Hintergrundwissen über die Krankenhausstrukturen hätte, wäre ihm dieser Fehler nicht passiert.
Und wenn die gesamte zitierte Literatur des Thesenpapiers ausschließlich von Herrn Schrappe stammt, so hat dies auch ein gewisses Geschmäckle.

Schuster bleib bei Deinem Leisten!
1. Kein einziges Mitglied der Autorengruppe gehört zu denen, die während der drei Covid Wellen an vorderster Front in den Krankenhäusern um das Leben der Patienten gekämpft haben. Das ist in etwa so, als ob ein Taubstummenverein die künstlerische Arbeit eines Symphonieorchesters bewerten soll.
2. Herr Schrappe echauffiert sich über die späte Verfügbarkeit an Echtzeitdaten über die Altersstruktur der ITS-Patienten. Nur, Echtzeitdaten gibt es nur mit Meldepflicht oder bei totaler Vernetzung unter Missachtung aller Datenschutzvorgaben. Beides hat seinen Preis, einen Preis, den nicht Herr Schrappe bezahlen muss. Detaillierte Daten zu den Patienten (Alter, Beatmungsdauer etc.) kommen später mit den Abrechnungsdaten. Aber so lange kann Herr Schrappe offensichtlich nicht warten.
3. Unterschiedliche ITS-Verweildauern in den unterschiedlichen Altersgruppen werden komplett ignoriert, auch hier würden die Abrechnungsdaten vieles klarstellen.
Ansonsten kann ich mich hier den Argumenten von DIVI und MB nur anschließen. Wenn ein Ökonom auf statistische Besonderheiten hinweist und die Auswertung gemeinsam mit Fachleuten vor Ort durchführt, wäre dies eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und völlig in Ordnung. In der vorliegenden Form wird im Thesenpapier zwar mehrfach auf fehlende Fakten verwiesen, dies hindert aber Herrn Schrappe nicht daran, sich seine eigene Phantasiewelt zu erfinden.

wer kritisch ist, der ist halt ein Verschwörungstheoretiker
Von einem Kollegen weiß ich, dass in seinem Krankenhaus der Regionalversorgung es nie an Intensivbetten gemangelt hat, eher am Personal!
Interessant sind auch diese Zahlen. Hat Schweden doch einen guten Weg gewählt?
https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/

Keine schwarzen Schafe schützen!

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