Medizin
VITT: Frühzeitige Behandlung verhinderte Thrombosen nach Coronaimpfung
Dienstag, 18. Mai 2021
Wien – Die rechtzeitige Diagnose und Behandlung der Impfkomplikation VITT kann Patienten vor schweren Thrombosen schützen. Dies zeigt ein Fallbericht, den Mediziner aus Österreich im Journal of Thrombosis and Haemostasis (2021; DOI: 10.1111/jth.15346) publizierten.
Die impfstoffinduzierte immune thrombotische Thrombozytopenie (VITT) ist eine seltene Komplikation, zu der es nach der Impfung gegen SARS-CoV-2 mit adenovirusbasierten Vakzinen kommen kann. Die Störung ist vermutlich auf die Bildung von Autoantikörpern gegen Komplexe des Plättchenfaktor 4 (PF4) mit einen noch nicht bekannten Anion zurückzuführen. Die Folge ist eine vermehrte Aktivierung und der Zerfall der Thrombozyten. Die Patienten leiden gleichzeitig unter Thrombosen und einer erhöhten Blutungsneigung.
Die Störung tritt typischerweise 4 bis 16 Tage nach der Impfung auf, wenn die Patienten sich von der normalen Impfreaktion erholt haben. Bei einer 62-jährigen Frau aus Österreich kam es am Tag 8 nach der Impfung mit Vaxzevria (AZD1222) von Astrazeneca nach einem leichten Biss auf die Lippen zu einem ungewöhnlich großen Hämatom. Sie bemerkte außerdem ein Zahnfleischbluten, unter dem sie bisher noch nie gelitten hatte. Am nächsten Morgen entdeckte sie einen Bluterguss am rechten Knöchel, ohne dass sie sich gestoßen hatte. Sie entschied sich die Notaufnahme des nahe gelegenen Wiener Allgemeinen Krankenhauses aufzusuchen.
Die Ärzte dort bemerkten weitere Hämatome und Petechien. Ein quantitativer D-Dimer-Test war positiv. Der hinzugezogene Hämatologe stellte die Verdachtsdiagnose einer VITT, die später durch den Nachweis von Heparin-PF4-Antikörpern bestätigt wurde. Die Thrombozytenzahl und der Fibrinogenwert waren vermindert. Bei dieser Konstellation musste gleichzeitig mit Blutungen und Thrombosen gerechnet werden. In einer Computertomografie von Schädel, Brustkorb und Bauchbereich wurden jedoch keine Thrombosen oder Embolien entdeckt.
Die Ärzte entschieden sich für eine hochdosierte intravenöse Gabe von Immunglobulinen (IVIG) und zusätzlich zur Behandlung mit einem Steroid, die über 2 Tage erfolgte mit dem Ziel, die Immunreaktion zu stoppen. Gleichzeitig begannen die Ärzte eine orale Antikoagulation, um die Bildung von Thrombosen zu verhindern. Dabei vermieden sie den Einsatz von Heparin, da bekannt war, dass Heparin mit PF4 Komplexe bildet, die von den Autoantikörpern erkannt werden. Die VITT hat vermutlich dieselbe Pathogenese wie die seltene Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT).
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Wie das Team um Paul Knöbl von der Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I berichtet, schlug die Behandlung rasch an. Die D-Dimer-Werte waren bereits 4 Stunden nach Beginn der Behandlung signifikant gesunken und gingen in den folgenden Tagen weiter zurück. Umgekehrt stiegen die Thrombozytenzahl und das Fibrinogen stetig an und erreichten am Tag 4 des Krankenhausaufenthaltes normale Werte. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Antikoagulation auf Apixaban umgestellt.
Die 62-jährige Patientin blieb von thrombotischen Komplikationen verschont. Ihr einziges Symptom waren laut der Publikation Kopfschmerzen, die vermutlich auf die IVIG-Behandlung zurückzuführen waren. In einer Magnetresonanztomografie des Schädels wurden jedenfalls keine Anzeichen von Thrombosen oder Blutungen gefunden.
Bereits nach 6 Tagen konnte die Patientin die Klinik in einem sehr guten Gesundheitszustand verlassen. Bei einer ambulanten Nachbeobachtung 5 Tage später waren alle Laborwerte wieder im normalen Bereich. Die Mediziner führen die Erholung auf die frühzeitige Diagnose und die rechtzeitige Behandlung der VITT zurück, die unbehandelt bei 40 bis 50 % der Patienten tödlich verläuft. © rme/aerzteblatt.de

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