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Politik

BVMed: Neue Medizinpro­dukteverordnung noch nicht praxistauglich

Mittwoch, 19. Mai 2021

/I Viewfinder, stock.adobe.com

Berlin – Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hält die neue EU-Medizinprodukteverordnung (MDR), die ab dem 26. Mai 2021 Gültigkeit erlangt, noch nicht für praxistauglich. Unter anderem gebe es noch nicht genügend Benannte Stellen, die sowohl neue Medizinprodukte zulassen als auch bereits zu­ge­lassene Produkte nach einem neuem Verfahren rezertifizieren müssen.

Ziel der MDR ist es, die Medizinprodukte in Europa noch sicherer zu machen. „Dieses Ziel teilen wir zu 100 Prozent“, sagte der Vorstandsvorsitzende des BVMed, Meinrad Lugan, heute auf einer virtuellen Presse­konferenz. Allerdings sei der Aufwand der Zulassung mit dem neuen System sehr hoch.

„Die Akten haben unter dem MDR gut den zehnfachen Umfang“, erklärte Lugan, der auch Mitglied des Vorstands der B.Braun Melsungen AG ist. Die Tests und Prüfungen, die Gutachten und die klinischen Untersuchungen hätten jetzt ebenfalls den zehnfachen Umfang – auch bei einfachen oder sehr lange bekannten Medizinprodukten.

Großer Aufwand für mittelständische Unternehmen

Der stellvertretende Vorsitzende des BVMed, Marc D. Michel, kritisierte, dass der Aufwand gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen der Branche ausgesprochen hoch sei. „Bis heute habe ich auch noch nicht vernünftig erklärt bekommen, warum auch Bestandsprodukte, die seit langem erfolg­reich auf dem Markt sind, erneut zugelassen werden müssen“, sagte Michel, der auch Sprecher der Geschäftsführung der Peter Brehm GmbH aus dem mittelfränkischen Weisendorf ist.

„Das Kernproblem dabei ist, dass wir für bereits bekannte und gut eingeführte Medizinprodukte klinische Daten erzeugen müssen. Die Krankenhäuser sind aber gar nicht darauf ausgelegt, um die Fülle von An­fra­gen aktuell zu erfüllen.“ Und mit Bestandsprodukten könne man auch keine wissenschaftliche Arbeit leisten.

„Zudem drückt uns extrem, dass mit der Neuzulassung in einem europäischen Land jetzt verbunden ist, dass alle Unterlagen auch in der jeweiligen Landessprache vorliegen müssen“, sagte Michel.

Die MDR ist im Jahr 2017 in Kraft getreten. Geltungsbeginn war ursprünglich der Mai 2020. Unter ande­rem durch das Betreiben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurde der Geltungsbeginn jedoch um ein Jahr verschoben. Dennoch seien bis heute erst etwa 180 MDR-Zertifikate von den Benan­nten Stellen ausgestellt worden, so der BVMed. Die zehnfache Menge liege den Benannten Stellen noch als Antrag vor.

Zu wenige Benannte Stellen

Der BVMed wies darauf hin, dass es noch lange nicht genügend Benannte Stellen gebe, um alle Be­stands­­produkte fristgerecht in die MDR zu überführen. Aktuell gebe es erst 20 dieser Stellen. Unter dem alten Recht seien es zuletzt mehr als 50 gewesen.

„Die Benannten Stellen sind derzeit extrem überlastet“, sagte Lugan. „Und sie haben Probleme, Fachkräf­te zu bekommen, was den Flaschenhals noch weiter verstopft. Das ist ein dramatischer Zustand.“

Der BVMed forderte in dieser Situation Hilfe für die Unternehmen. So müssten die Benannten Stellen in einer konzertierten Aktion aller beteiligten Behörden schneller notifiziert werden.

Dabei müssten alle Fachspektren ausreichend abgedeckt sein. Und für Hersteller, die nachweislich keine Benannte Stelle finden, müssten Lösungen etabliert werden. Für Remote Audits müsse die Europäische Kommission schnellst­möglich eine rechtliche Basis schaffen.

Stillstand hätte fatale Folgen

Bislang endet die Gültigkeit der Altzertifikate im Jahr 2024. Der BVMed forderte, die Laufzeit der Zertifi­kate zu verlängern, um den abzusehenden Engpass im Jahr 2024 zu vermeiden.

Zudem müssten für bewährte Bestandsprodukte pragmatische Lösungen beispielsweise über das Instru­ment der „Anerken­nung klinischer Praxis“ gefunden werden. Und es müsse spezielle Förderprogramme für kleine und mittels­tändische Unternehmen zur Unterstützung bei der Anfertigung von klinischen Stu­dien aufgelegt werden. Diese Förderprogramme dürften sich nicht nur auf Neuentwicklungen und Inno­vationen beschrän­ken, sondern müssten Bestandsprodukte einschließen.

„Wir müssen Lösungen finden und die MDR strategisch weiterentwickeln, denn ein Stillstand hätte fatale Folgen für die Patientenversorgung und für den mittelständisch geprägten Medizintechnik-Standort Deutschland“, so der BVMed. © fos/aerzteblatt.de

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