Politik
Reguläre Zulassung vorgeburtlicher Vaterschaftstests befürwortet
Donnerstag, 20. Mai 2021
Berlin – Die FDP im Bundestag will vorgeburtliche Vaterschaftstests mittels nichtinvasiver Diagnostik ermöglichen. Dafür wäre eine Änderung des Gendiagnostikgesetzes erforderlich. Mit der Initiative der Freien Demokraten hat sich gestern der Gesundheitsausschuss im Bundestag befasst.
Juristen und Interessenverbände befürworteten im Rahmen einer Anhörung die reguläre Zulassung vorgeburtlicher Vaterschaftstests und versprechen sich davon eine Entlastung für Frauen, Männer und Kinder. Die Experten verwiesen auf die seit 2012 möglichen risikolosen Abstammungsuntersuchungen und plädierten dafür, die Rechtslage an den medizinischen Fortschritt anzupassen.
„Die Feststellung der Vaterschaft ist auch vor der Geburt medizinisch längst mittels nichtinvasiver Diagnostik risikolos möglich. Dass potentielle Väter, deren Mütter und ihre Angehörigen heutzutage oft immer noch bis zur Geburt in quälender Ungewissheit über die biologische Abstammung des Kindes verharren müssen, ist daher ein unhaltbarer Zustand“, betonte die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr MdB gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Die Politik habe nicht das Recht dazu, werdenden Eltern die Möglichkeit vorzuenthalten, die Vaterschaft frühzeitig zu klären. Die Bundesregierung dürfe sich deshalb nicht weiter „querstellen“ und solle das Verbot vorgeburtlicher Vaterschaftstests aus dem Gendiagnostikgesetzes (GenDG) streichen, so Helling-Plahr.
Derzeit sind vorgeburtliche Vaterschaftstests nur zugelassen, wenn die Schwangere Opfer eines Sexualdelikts geworden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht.
Die Familienrechtsexpertin Nina Dethloff von der Universität Bonn erinnerte in der Anhörung daran, dass beim Inkrafttreten des aktuellen Gesetzes 2009 für eine pränatale Klärung der Abstammung eine Fruchtwasseruntersuchung oder Chorionzottenbiopsie erforderlich gewesen sei mit nicht unerheblichen Gefahren für den Fötus.
Seit 2012 könne kindliches Genmaterial aus dem Blut der Mutter gewonnen und mit den Proben der Schwangeren und des potenziellen Vaters verglichen werden, um die Abstammung festzustellen. Daher erscheine es angezeigt, das geltende Verbot kritisch zu überprüfen.
Dethloff argumentierte mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung sowie psychosozialen und rechtlichen Vorteilen, die eine Reform mit sich brächte. Es seien verschiedene Konstellationen denkbar, die eine Klärung der genetischen Abstammung vor der Geburt des Kindes sinnvoll erscheinen ließen.
Wenn etwa die Mutter unverheiratet sei, könne die pränatale Klärung der genetischen Vaterschaft die vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft befördern. Für die Erwachsenen könnten Zweifel ausgeräumt und darauf basierend Entscheidungen getroffen werden. Die vorgeburtliche Anerkennung sei in dem Fall auch für das Kind von Vorteil, denn es habe zum Zeitpunkt der Geburt zwei rechtliche Elternteile.
Auch die Medizinrechtsexpertin Katharina Lugani von der Universität Düsseldorf befürwortete eine Änderung des Gendiagnostikgesetzes. Aus familienrechtlicher Perspektive würden vorgeburtliche Vaterschaftstests vieles erleichtern. Die Rechtfertigung für das Verbot über das Risiko für Mutter und Kind sei mittlerweile entfallen. Fehlerhafte Vaterzuordnungen und gerichtliche Anfechtungsverfahren könnten künftig vermieden werden. Auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen im Zusammenhang mit rechtlichen Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt ließen sich frühzeitig klären.
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Markus Witt vom Verein „Väteraufbruch für Kinder“ erklärte, das Interesse der Eltern an der Feststellung der Vaterschaft sei im Gendiagnostikgesetz angesichts der damals verfügbaren Diagnosemöglichkeiten hinter dem Schutz des Kindes zurückgetreten. Diese Abwägung sei heute nicht mehr nötig. Dank des medizinischen Fortschritts könne heute ohne Risiko für das ungeborene Leben die genetische Vaterschaft festgestellt werden. Es sei an der Zeit, die berechtigten Interessen der werdenden Mütter, mutmaßlichen Väter und vor allem der Kinder im Gesetz abzubilden.
Laut Witt gibt es zahlreiche Konstellationen, in denen bereits vor der Geburt oder direkt danach relevante Entscheidungen für ein Kind getroffen werden müssen, beispielsweise, wenn die Mutter nach einem Unfall im Koma liege und das Kind per Notoperation geboren werde, wenn die Mutter bei der Geburt des Kindes sterbe oder wenn das Kind nach der Geburt medizinisch behandelt werden müsse, eventuell sogar in Kenntnis genetischer Informationen. Es gehe aber auch um das Erbrecht und Unterhaltsansprüche.
Eine Vertreterin von Pro Familia sagte in der Anhörung, eine frühzeitige Klärung der Vaterschaft könne im Interesse von Frauen und Männern liegen, etwa Sozialleistungen betreffend. Allerdings könnten solche pränatalen Untersuchungen auch Konflikte verschärfen, wenn das Ergebnis unerwartet ausfalle.
Denkbar sei, dass schwangere Frauen von Männern unter Druck gesetzt würden. Bei häufig komplexen Beziehungskonstellationen könne es zu Grenzüberschreitungen und Bedrohungssituationen kommen. Bei einer gesetzlichen Änderung müssten daher Schutz und Selbstbestimmung der Frauen garantiert werden. © may/EB/hib/aerzteblatt.de

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