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COVID-19: Humanes 3D-Modell soll neues Angriffsziel zur Verhinderung schwerer Verläufe enthüllen
Donnerstag, 20. Mai 2021
Innsbruck – Schwere Lungenschäden bei COVID-19 sind oft die Folge einer überschießenden Immunantwort. Einem interdisziplinären Team um die Innsbrucker ImmunologInnen Doris Wilflingseder und Wilfried Posch ist es gelungen, die entzündungsfördernden Komplementrezeptoren C3aR und C5aR als Treiber dieser folgenschweren Immunreaktion festzumachen. Die Blockade von Komplement biete eine vielversprechende therapeutische Angriffsfläche für die Verhinderung eines schweren COVID-19-Verlaufs, so die Experten.
Mit den von den beiden Wissenschaftern entwickelten menschlichen 3D-Modellen für den oberen und unteren Respirationstrakt lassen sich laut der Medizinischen Universität Innsbruck auch Interaktionen des neuen Coronavirus mit dem Immunsystem simulieren und verfolgen.
„Unser humanes System erlaubt einen sehr realistischen Nachbau des mehrschichtigen Epithels von Atemwegen und Lunge. In diesen hoch differenzierten 3D-Gewebesystemen haben wir nun SARS-CoV-2 als Erreger eingesetzt und quasi im Live-Modus beobachtet, wie Epithelzellen des Atmungstraktes die löslichen Komplementfragmente C5a und C3a freisetzen“, erläuterte Wilflingseder.
Diese sogenannten Anaphylatoxine, die auch in COVID-19-Patienten mit kritischem Verlauf erhöht festgestellt wurden, würden eine starke Entzündungsreaktion auslösen, sodass in der Folge auch pro-inflammatorische Botenstoffe (Zytokine) am Infektionsherd gebildet werden.
Dieser „Zytokinsturm“ rufe schließlich weitere Immunzellen auf den Plan – ein gewebsschädigendes und lebensbedrohliches Infektionsgeschehen (Hyperinflammation), das bereits klinisch beobachtet und hier erstmals und ohne Tierversuche im Labor belegt werden konnte.
Um zu sehen, ob die Hemmung der Anaphylatoxine C3a und C5a eine Hyperinflammation verhindern kann, setzten Posch und Wilflingseder chemische Blocker ein. Diese Blocker zeigten eine überzeugende Wirkung und schützten vor Zerstörung des Lungengewebes.
„Wir haben basolateral, also auf der nach innen gewandten Seite des Epithels, die chemischen Blocker zugegeben und gesehen, dass v.a. bei Blockade des C5a Rezeptors keine Übertragung und keine Virusreplikation stattfand. Das wäre ein Hinweis darauf, dass das Virus die Hyperinflammation braucht, um sich gut vermehren zu können.
In diesem Zusammenhang könnte sich ein anti-C5-Antikörper, der von unserem Institutskollegen Reinhard Würzner mitentwickelt wurde und unter der Bezeichnung Eculizumab bereits zur Therapie komplementvermittelter Krankheiten im Einsatz ist, als hilfreich erweisen“, so der Molekularbiologe Posch.
„Im Rahmen unseres in Innsbruck etablierten MUI animalFree Research Clusters und in enger Zusammenarbeit mit dem Austrian Drug Screening Institute (ADSI) verfolgen wir das Ziel, valide Alternativen zu Tierversuchen voranzutreiben und so die Testung von potentiellen antimikrobiellen Wirkstoffen mittels modernster Technologien zu erleichtern“, betonte Wilflingseder. © aha/EB/aerzteblatt.de

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