Ärzteschaft
Streichung ärztlicher Stellen bei Helios: Andere Träger planen keinen Stellenabbau
Freitag, 4. Juni 2021
Berlin – Der private Klinikkonzern Helios hat mit der zu Beginn dieses Jahres begonnenen Streichung von ärztlichen Stellen für Kritik in der Ärzteschaft gesorgt. „Der übermäßige Abbau ärztlicher Stellen bei Helios ist unverantwortlich“, kritisierte der Präsident des Verbands der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK), Michael A. Weber, Mitte Mai. „Er gefährdet nicht nur die Versorgung der Patienten, sondern er schränkt sie ein und macht daraus ein Geschäftsmodell. Unsere Mitglieder bestätigen diese Zustände in vollem Umfang.“
Diesem mittlerweile maßlosen Gewinnstreben um jeden Preis sei nur durch die Festlegung von gesetzlichen Untergrenzen auch für das ärztliche Personal beizukommen.
„Das System ‚Helios‘ ist an einem Punkt angekommen, an dem die selbstregulierenden Kräfte des Krankenhausmarktes nicht mehr greifen“, meinte Weber. „Dort, wo die Gesundheit von Patienten durch EBIT-Vorgaben und dem Streben nach Gewinn gefährdet wird, muss der Gesetzgeber zum Schutz der Patienten und des ärztlichen Personals aktiv werden.“
„Das ist schlichtweg unanständig“
Kritik kommt auch vom Marburger Bund (MB). Der Medizinkonzern Fresenius mache weiter hohe Gewinne mit seinen Helios Kliniken, verspreche den Aktionären eine Dividendenerhöhung um fünf Prozent und streiche gleichzeitig an vielen seiner Klinikstandorte Arztstellen, um Personalkosten zu reduzieren, erklärte der Verband am 21. Mai.
„Höhere Dividenden durch Stellenabbau und steigende Arbeitsverdichtung – eine solche Geschäftspolitik geht nicht nur auf Kosten der Beschäftigten, sie verschlechtert auch die Patientenversorgung“, sagte die 1. Vorsitzende des MB, Susanne Johna.
Auch der Marburger Bund Niedersachsen kritisiert das Vorgehen des Konzerns. „Uns liegen Berichte unserer Mitglieder vor, dass ärztliche Stellen nicht neu besetzt werden, befristete Verträge auslaufen oder nach der Probezeit enden. Einigen Kolleginnen und Kollegen wird nahegelegt, in Teilzeitarbeit zu gehen“, erklärte der Erste Vorsitzende des Landesverbandes, Hans Martin Wollenberg, am 20. Mai. „Gleichzeitig kündigt der Mutterkonzern seinen Aktionären eine Rekorddividende an. Man kann nicht argumentieren, man müsse dringend Personalkosten reduzieren, aber gleichzeitig einen neuen Höchstwert ausschütten. Das ist schlichtweg unanständig.“
„Da die Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen ausgegliedert wurden, können diese – richtigerweise – nicht mehr reduziert werden“, so Wollenberg weiter. „Daher sparen Kliniken jetzt zunehmend im ärztlichen Dienst. Das Signal ist verheerend: Die Kolleginnen und Kollegen sollen noch mehr leisten, nur eben mit weniger Personal. Mit Wertschätzung ärztlicher Arbeit hat das nichts zu tun.“
Helios will drei ärztliche Stellen pro Standort streichen
Auf ihrer Internetseite erklären die Helios Kliniken, in welchem Umfang sie Stellen im ärztlichen Dienst abbauen und weshalb sie dies tun. So seien seit Januar 2021 insgesamt 150 Stellen identifiziert worden, deren Nachbesetzung nicht erforderlich gewesen sei, heißt es dort. Für das gesamte Jahr 2021 werde damit gerechnet, dass in den 89 Kliniken des Konzerns im Durchschnitt drei Stellen pro Standort nicht nachbesetzt werden.
Dabei werde konkret die Stelle betrachtet, um die es jeweils gehe, und es werde im Einzelfall abgewogen, ob eine Nach- oder Neubesetzung zu rechtfertigen sei, wenn man die jeweils konkrete Fallzahlentwicklung in der Klinik betrachte.
„Die Bewertung erfolgt durch ärztliche Kolleginnen und Kollegen, unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten in der Dienstgestaltung und der jeweils fachspezifischen Besonderheiten“, schreibt Helios. In diesen Vorgang würden auch alle Aspekte einer qualitativ besten Patientenversorgung mit einbezogen.
120.000 Behandlungen weniger
Als Grund für dieses Vorgehen nennt Helios die zurückgegangenen Fallzahlen während der Coronapandemie. „Für die Jahre 2021 und folgende gehen alle bekannten Fallzahlprognosen von Patientenzahlen aus, die sich deutschlandweit im stationären Bereich rund fünf bis zehn Prozent unter dem Niveau von 2019 bewegen werden“, schreibt der Konzern.
Der zu beobachtende Rückgang der Patientenzahlen sei zu einem hohen Teil dadurch bedingt, dass einige Krankenhausleistungen ambulant – mithin also außerhalb der Krankenhäuser in ambulanten Zentren – erbracht werden. Dieser Trend zur Ambulantisierung habe sich in der Pandemie beschleunigt.
„In 2021 waren in den ersten drei Monaten rund 20 Prozent weniger Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern – bei uns genauso wie bei allen anderen“, heißt es weiter. „Mit Abflachen der Pandemie wird das Delta nun geringer, bewegt sich für 2021 nach den aktuellen Schätzungen bei rund zehn Prozent weniger Patienten als noch in 2019.“ Für Helios bedeute dies knapp 120.000 Behandlungen weniger für 2021.
Helios: Kritik ist überzogen
Die Kritik am Abbau der Stellen im ärztlichen Dienst hält das Unternehmen für überzogen. „Unseres Erachtens wäre es unverantwortlich, bei einem Wegfall von 120.000 Patientinnen und Patienten überhaupt nicht darüber nachzudenken, ob und in welchem Umfang Stellen im ärztlichen Dienst nachbesetzt werden.“ Das Ganze diene dazu, dauerhaft wirtschaftlich zu bleiben, auch bei niedrigeren Patientenzahlen im stationären Bereich.
Auch die Kritik an der Auszahlung der Dividende bei gleichzeitigem Abbau des ärztlichen Personals sei nicht angebracht. „Wir sehen, dass diese beiden Sachverhalte zusammengeworfen werden. Aber es sind zwei Vorgänge, die nicht miteinander zusammenhängen“, erklärte Helios auf Anfrage des Deutschen Ärzteblatts (DÄ).
„Die Dividende für das Jahr 2020 zahlt unser Mutterunternehmen Fresenius, zu dem neben Helios drei weitere Unternehmensbereiche gehören – mit entsprechenden Beiträgen zum Fresenius-Konzernergebnis.“
Andere Träger planen keine Streichung von ärztlichen Stellen
Andere Krankenhausträger können die Argumentation von Helios hingegen nicht teilen. „Viele Patienten waren in den vergangenen Monaten zurückhaltend, ein Krankenhaus aufzusuchen. Schon jetzt zeigen steigende Belegungszahlen, dass diese Sorge nachlässt und dringend erforderliche Behandlungen nachgeholt werden“, erklärte zum Beispiel die Schön Klinik SE, ein privater Krankenhausträger mit Sitz in München, auf Anfrage des DÄ.
„Auch in unseren psychosomatischen Fachkliniken sehen wir coronabedingt stark gestiegene Patientenzahlen insbesondere bei Depressionen, Angst- und Essstörungen. Wir gehen davon aus, dass sich die Patientenzahlen durch die Fortschritte bei den Impfungen und die sinkenden Infektionszahlen in absehbarer Zeit wieder auf Vor-Corona-Niveau stabilisieren.“ Insofern gebe es in der Klinikgruppe keine Vorgabe seitens der Geschäftsführung, pauschal einen bestimmten Prozentsatz an ärztlichen Stellen einzusparen.
Auch das Klinikum Dortmund plane keinen Stellenabbau im ärztlichen Dienst, wie Rudolf Mintrop, der Vorsitzende der Geschäftsführung des kommunalen Krankenhauses der Maximalversorgung mit 1.422 Betten, gegenüber dem DÄ erklärte.
„Wir gehen davon aus, dass das Klinikum im Jahr 2022 – nach einem Ende beziehungsweise nachhaltigen Abflauen der Pandemie – zu seinem Leistungsumfang aus der Vor-Corona-Zeit zurückkehren wird. Wir werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen – und vermeiden jede Form der sozialen Achterbahnfahrt der Arbeitsplatzbedrohung um eines schnellen Euro willen.“
BMG will Auszahlung von Dividenden nicht regulieren
Die Marienhaus-Gruppe, ein freigemeinnütziger Krankenhausträger mit Sitz im rheinland-pfälzischen Waldbreitbach, sehe ebenfalls keine Notwendigkeit, pauschal die Zahl der Ärztinnen und Ärzte zu reduzieren, wie das Unternehmen dem DÄ mitteilte.
„Wir gehen davon aus, dass mit der fortschreitenden Eingrenzung der Pandemie mehr und mehr Patientinnen und Patienten unsere Kliniken aufsuchen werden, um Leistungen in einem Umfang zu nutzen, welcher sich sukzessive auf das Niveau vor der Pandemie zubewegen wird“, so die Marienhaus-Gruppe. „Darüber hinaus sehen wir uns als christlicher Träger und Arbeitgeber auch in der Verantwortung, den Mitarbeitenden eine sichere Zukunft zu bieten.“
Wie zum Beispiel durch die VLK wird derzeit bisweilen der Ruf nach dem Gesetzgeber laut, privaten Krankenhausträgern das Auszahlen einer zu hohen Dividende zu untersagen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zieht dies jedoch nicht in Erwägung.
„Die privatwirtschaftliche Führung von Krankenhäusern gehört neben öffentlicher und freigemeinnütziger Trägerschaft zu den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten einer pluralistisch orientierten Organisation der Gesundheitswirtschaft“, erklärte das BMG auf Anfrage. Zu der Organisationshoheit des jeweiligen Krankenhausträgers gehöre auch die Planung, die Einstellung und der Einsatz von ärztlichem Personal. Daher „sieht das BMG keinen Handlungsbedarf für die genannten regulatorischen Maßnahmen“. © fos/aerzteblatt.de

Böser Freseniuskonzern
Die Zuständigkeit der Krankenhausversorgung liegt nach den Krankenhausgesetzen der Bundesländer bei Landkreisen und kreisfreien Städten, diese unterhalten und errichten Krankenhäuser, „soweit“ (!!!) die Krankenhausversorgung nicht durch andere Träger „gewährleistet“ (!) wird. Damit wird eindeutig klargestellt, um wessen Aufgabe es sich handelt und wo die primäre Verantwortung liegt. Niemand wird behaupten können, die Landesregierungen und kommunalen Entscheidungsträger wären nicht demokratisch gewählt worden oder es wäre eine vollkommen neue Erkenntnis, dass Konzerne Gewinne erwirtschaften wollen, ja sogar müssen, wobei im Gesundheitswesen Personalkosten nun einmal entscheidend sind. Sicher kann man für die Personalbemessung Vorgaben machen oder allgemeingültige Tarife einführen, ob sich dann noch private Investoren finden, wäre jedoch eine andere Frage. Vielleicht den Geldmengenzuwachs in der Eurozone erhöhen, der im letzten Jahr bei etwa 12 % lag? Wo mögen die mit der Privatisierung eingesparten Steuergelder geblieben sein?

Pfeifen im Walde

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