Medizin
Studie signalisiert verzögerte SARS-CoV-2-Impfantwort bei Älteren
Montag, 14. Juni 2021
Berlin – Trotz vollständiger Impfung der Bewohner kommen COVID-19-Ausbrüche in Pflegeheimen vor. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat einen solchen Ausbruch in einer Berliner Einrichtung analysiert und die Immunreaktion älterer Menschen auf die Impfung untersucht. Ihre Schlussfolgerungen sind in 2 Beiträgen im Fachmagazin Emerging Infectious Diseases erschienen (2021; DOI: 10.3201/eid2708.210887 und DOI: 10.3201/eid2708.211145).
Die Wirksamkeit der COVID-19-Impfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer gilt als sehr hoch: 1 Woche nach der 2. Dosis verhinderte sie in den Zulassungsstudien mehr als 90 % der symptomatischen Infektionen mit SARS-CoV-2. Auch in großen Beobachtungsstudien in der Bevölkerung hat sich die hohe Wirksamkeit der Impfung bestätigt.
Für die Untersuchung arbeiteten die Forschenden zunächst einen Ausbruch in einer Berliner Pflegeeinrichtung auf, der im Februar 2021 bemerkt worden war. Dabei hatten sich – neben 11 Pflegekräften ohne vollständigen Impfschutz – auch 20 Bewohner mit SARS-CoV-2 angesteckt.
Bis auf 4 von ihnen waren alle vollständig mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin geimpft. Während die 4 Ungeimpften so schwer erkrankten, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, zeigte nur rund 1/3 der Geimpften Krankheitszeichen wie Husten oder Atemnot. Durch eine Bestimmung der Virusmenge in den Abstrichproben stellte das Team fest, dass Geimpfte tendenziell weniger Virus im Rachen aufwiesen als Ungeimpfte.
Bei ihnen wurde das Virus zudem über einen deutlich kürzeren Zeitraum nachgewiesen, im Schnitt über knapp 8 statt 31 Tage. 4 weitere geimpfte Heimbewohner steckten sich trotz Exposition während des Ausbruchs nicht mit SARS-CoV-2 an.
„Auf der einen Seite sehen wir an diesem Ausbruch, dass die Impfung die Bewohner des Pflegeheims insgesamt geschützt hat, denn ihre Krankheitsverläufe waren deutlich milder“, berichtet Victor Corman, stellvertretender Leiter des Konsiliarlabors für Coronaviren am Institut für Virologie der Charité und einer der 3 leitenden Autoren der Studie.
Der Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ergänzt: „Die kürzere Virusausscheidung hat außerdem vermutlich weitere Übertragungen verhindert. Gleichzeitig wird durch die Häufung der Infektionen klar, dass die hohe Wirksamkeit der Impfung bei alten Menschen manchmal nicht voll zum Tragen kommt.“
Einen Grund dafür sehen die Forschenden in der Immunantwort der Betroffenen auf die Impfung. Dazu verglichen sie die Immunreaktion auf die Biontech/Pfizer-Vakzine bei über 70-jährigen Patienten einer Hausarztpraxis mit der von Charité-Beschäftigten, die im Schnitt 34 Jahre alt waren. Dabei zeigten Blutanalysen, dass schon 3 Wochen nach der 1. Dosis etwa 87 % der Jüngeren Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hatten, unter den Älteren waren es nur rund 31 %.
1 Monat nach der 2. Dosis hatten fast alle jungen Impflinge (99 %) SARS-CoV-2-spezifische Antikörper im Blut, unter den älteren waren es rund 91 %. Zusätzlich reiften die Antikörper bei den Älteren langsamer, sie konnten das Virus also schlechter binden.
Und auch der 2. wichtige Arm der Immunreaktion, die T-Zell-Antwort, fiel schwächer aus. „Unsere Studie zeigt also, dass bei älteren Menschen die Immunantwort nach der Impfung deutlich verzögert ist und nicht das Niveau von jungen Impflingen erreicht“, folgert Leif Erik Sander, Impfstoffforscher von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité und ebenfalls leitender Autor der Studie.
„Zwar hat nach der vollständigen Impfung nur knapp jeder 10. der über 70-Jährigen keine Antikörper im Blut. Da wir aber derzeit keine Möglichkeit haben, die Personen mit geringem Impfschutz anhand einzelner Messwerte zu erkennen, können wir uns für den Schutz dieser besonders gefährdeten Risikogruppe nicht allein auf die Impfung verlassen“, betont Florian Kurth, der 3. leitende Autor der Studie von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité.
Stattdessen spielten zum jetzigen Zeitpunkt, wo große Teile der Bevölkerung noch nicht immun seien, Hygienemaßnahmen und Testungen weiterhin eine wichtige Rolle. „Insbesondere die Impfung des pflegerischen Personals sowie der Besucher ist immens wichtig, um Ausbrüche in Pflegeheimen zu verhindern“, so Kurth. © hil/aerzteblatt.de

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