Medizin
USA: Nach dem Lockdown vermehrt Erkrankungen durch RS-Viren
Montag, 14. Juni 2021
Atlanta – In den USA ist es nach dem Ende des Lockdowns zu einem ungewöhnlich starken Anstieg von Erkrankungen durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus) gekommen. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) reagierten mit einem Aufruf an die Ärzte, Verdachtsfälle zu melden.
Der Lockdown hat nicht nur die Zahl der Infektionen mit SARS-CoV-2 gesenkt. Auch einige andere Krankheitserreger sind seltener geworden. Die Grippewelle ist 2021/2022 auf der Nordhalbkugel weitgehend ausgefallen. Auch die Erkältungsepidemien durch RS-Virus, Rhinoviren, Metapneumovirus, Parainfluenzavirus und die älteren saisonalen Coronaviren fielen weniger stark oder ganz aus.
Dies muss nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein, denn mit dem Ausfall der Epidemien entfällt auch der Immunschutz, den die Infektionen bei kleinen Kindern hinterlassen. Es war bereits befürchtet worden, dass die nächste Epidemie mit diesen „banalen“ Erregern im nächsten Winter heftiger ausfallen könnte, da ältere Kinder häufig schwerer erkranken.
Diese Befürchtung scheint sich jetzt früher zu bewahrheiten, als die Experten befürchteten. Aus verschiedenen Regionen der USA wurde in den letzten Wochen ein Anstieg der Infektionen gemeldet, die normalerweise im Winter auftreten.
So berichtete ein Team um Wesley Long vom Houston Methodist Research Institute kürzlich in MedRxiv (2021; DOI: 10.1101/2021.05.27.21257940), dass in Houston im April und Mai die Zahl der Infektionen mit dem Parainfluenzavirus und den saisonalen Coronaviren gestiegen ist. Rhinoviren waren bereits ab Oktober vermehrt aufgetreten.
Jetzt scheint es auch zu einem Anstieg der Erkrankungen durch das RS-Virus gekommen zu sein. Mit dem RS-Virus infizieren sich die Kinder normalerweise bereits im ersten Lebensjahr. Das Virus ist in dieser Altersgruppe die häufigste Ursache von Bronchiolitiden und Lungenentzündungen. Zu schweren Verläufen kommt es insbesondere bei älteren Kleinkindern oder älteren Erwachsenen.
In den USA verursachen Infektionen mit RS-Viren bei Kindern unter 5 Jahren jedes Jahr etwa 58.000 Krankenhauseinweisungen mit 100 bis 500 Todesfällen. Zu weiteren 177.000 Krankenhauseinweisungen mit 14.000 Todesfällen kommt es bei Erwachsenen ab 65 Jahren.
Durch die Maßnahmen gegen COVID-19 kam es in den USA ab April 2020 zu einen deutlichen Rückgang der RS-Virusaktivität. Von Mai 2020 bis März 2021 gab es kaum noch Erkrankungen. Jetzt hat sich das RS-Virus jedoch zurückgemeldet. Das „National Respiratory and Enteric Virus Surveillance System (NREVSS)“ registrierte vor allem in den Südstaaten einen Anstieg der Erkrankungen.
zum Thema
- Bericht der CDC
- Abstract der Studie in MedRxiv
- National Respiratory and Enteric Virus Surveillance System
aerzteblatt.de
Laut Pressemeldungen hatte es aber auch in New York in Stadtteilen mit einem hohen Anteil orthodoxer Juden Epidemien gegeben. Die CDC befürchten, dass viele Erkrankungen nicht erkannt werden, weil Ärzte in den Sommermonaten RS-Virus-Infektionen nicht in ihre diagnostischen Überlegungen einbeziehen.
Die CDC haben die Ärzte deshalb in einem Health Alert aufgefordert, Kinder bei schweren Atemwegsinfektionen auf das RS-Virus zu testen. Da das Virus in vielen Regionen in den letzten 15 Monaten kaum aufgetreten sei, müsse mit schwereren Erkrankungen bei älteren Kindern gerechnet werden, heißt es in dem Health Alert. Betroffen seien aber auch Säuglinge, die normalerweise in den ersten Lebensmonaten durch die transplazentar übertragenen Antikörper geschützt sind. Wegen der ausgebliebenen Epidemien könnten die Mütter in der Schwangerschaft nicht den notwendigen Immunschutz aufgebaut haben. © rme/aerzteblatt.de

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