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Medizin

COVID-19: Erholen sich Patienten ohne ACE-Hemmer oder Angiotensin-­Rezeptorblocker schneller?

Montag, 14. Juni 2021

/picture alliance, Zoonar, Achim Prill

München – Die deutsch-österreichische „ACEI-COVID“-Studie zeigt erneut, dass bei den erkrankten Patienten ein Wechsel der antihypertensiven Medikamente sicher durchgeführt werden kann. Ein Vorteil durch ein Pausieren von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern war jedoch nicht eindeutig nachweisbar, auch wenn sich die die Erholung nach den in Lancet Respiratory Medicine (2021; DOI: 10.1016/S2213-2600(21)00214-9) publizierten Ergebnissen deutlich beschleunigte.

Eine arterielle Hypertonie gehört zu den wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Zu Beginn der Pandemie wurde befürchtet, dass weniger die Erkrankung als die Behandlung mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern dafür verantwortlich ist. Laboruntersuchungen hatten gezeigt, dass Medikamente, die in das Renin-Angiotensin-System eingreifen, die Expression von ACE2-Rezeptoren auf den Zellen erhöhen, was dem Virus den Eintritt erleichtern könnte.

Diese Bedenken wurden in der Folge in 3 randomisierten Studien überprüft. In der brasilianischen „BRACE CORONA“-Studie waren 659 hospitalisierte COVID-19-Patienten auf ein Absetzen oder eine Fortsetzung von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern randomisiert worden. Die „REPLACE COVID“-Studie führte an 152 Patienten aus Nord- und Südamerika und Schweden einen ähnlichen Vergleich durch.

Beide Studien kamen zu dem Ergebnis, dass das Fortsetzen oder Absetzen von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern keinen Einfluss auf die Prognose der Patienten hat: Es kam weder zu einem Anstieg noch zu einem Rückgang der Komplikationen oder Todesfälle.

Die im Januar im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2021; DOI: 10.1001/jama.2020.25864) und in Lancet Respiratory Medicine (2021; DOI: 10.1016/S2213-2600(20)30558-0) publizierten Ergebnisse von „BRACE CORONA“ und "REPLACE COVID“ bestätigten damit die Empfehlungen der Fachgesellschaften, die dringend von einem Absetzen der Medikamente abgeraten hatten. Sie bestätigten allerdings nicht die dahinter stehende Befürchtung, dass das Absetzen von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern die Patienten in eine schwere Blutdruckkrise stürzt, die die Behandlung von COVID-19 erschwert.

Jetzt liegen die Ergebnisse einer 3. Studie vor. An der vom Österreichischen Wissenschaftsfond und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung finanzierten Studie ACEI-COVID-19 nahmen von April 2020 bis Februar 2021 an 35 Zentren in Österreich und in Deutschland 204 Patienten teil, die akut mit SARS-CoV-2 infiziert waren.

Die Patienten waren median 75 Jahre alt – und damit deutlich älter als „BRACE CORONA“ (55 Jahre) und „REPLACE COVID“ (62 Jahre). Die meisten hatten neben der Hypertonie (die mit einem Wert von 130 zu 75 mm Hg recht gut eingestellt war) noch weitere Risikofaktoren wie Diabetes (33 %) oder eine koronare Herzkrankheit (22 %), und mit einem medianen BMI von 27,6 waren die Teilnehmer übergewichtig. Insgesamt 56 % hatten zu Beginn der Behandlung ACE-Hemmer und 44 % Angiotensin-Rezeptorblocker eingenommen.

Die Studie sah vor, dass die Hälfte der Patienten diese Blutdrucksenker für 30 Tage pausiert, in der anderen Gruppe sollten die Patienten die Behandlung unverändert fortsetzen. Die Studie war randomi­siert, aber „open label“. Die Antihypertonika wurden nicht durch Placebos ersetzt. Bei einem Anstieg des Blutdrucks konnten und sollten die Ärzte auf andere Blutdrucksenker wechseln. Dies geschah bei 58 von 104 Patienten nach dem Absetzen von ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern.

In den meisten Fällen (90 %) wechselten die Ärzte auf einen Kalziumantagonisten. Nur bei 14 Patienten kam es zu einem dramatischen Anstieg des systolischen Drucks auf über 180 mm Hg, 7 Patienten wechselten deshalb wieder auf die ursprünglichen Medikamente. Ernsthafte Folgen hatte die Blutdruck­krise nicht. Kein Patient musste wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz hospitalisiert werden.

Wie das Team um Axel Bauer von der Medizinischen Universität Innsbruck und Steffen Massberg vom LMU Klinikum München berichten, kam es in beiden Gruppen zunächst zu einem vergleichbaren Anstieg des „SOFA“-Score, also zu einer Verschlechterung der Organfunktionen. Der maximale „SOFA“-Score war der primäre Endpunkt der Studie.

Nach dem Ende der Krise erholten sich die Patienten, die ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptorblocker pausiert hatten, schneller als die Patienten, die an der antihypertensiven Behandlung festgehalten hatten. Der „SOFA“-Score sank deutlicher ab, die Patienten konnten früher aus der Klinik entlassen werden (10 versus 11 Tage), und es kam zu weniger Todesfällen (8 versus 12 Patienten).

Nach 30 Tagen gab es in der Gruppe, die ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker pausiert hatten, nur noch halb so viele Patienten mit einer Organschädigung oder einem tödlichen Ausgang wie in der Vergleichsgruppe.

Laut den Autoren liefert die Studie erstmals Hinweise, dass ältere, vorerkrankte Personen von einem zeitweisen Pausieren einer Therapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern profitieren können. Die Editorialisten Mathieu Kerneis und Gilles Montalescot von der Pariser Sorbonne sind in der Beurteilung etwas zurückhaltender.

Die Ergebnisse in den sekundären Endpunkten würden nicht die Erfahrungen aus früheren Studien bestätigen, die Plausibilität der Vorteile sei unklar und die Teilnehmerzahl der Studie sei zu gering, um statistische Fehler zu vermeiden. Ob die Ergebnisse zu einer Veränderung der Leitlinienempfehlungen führt, bleibt abzuwarten. © rme/aerzteblatt.de

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