Medizin
FDA lockert Kontraindikation für Statine in der Schwangerschaft
Freitag, 20. August 2021
Silver Spring/Maryland – HMG-CoA-Reduktasehemmer, besser bekannt als Statine, sind seit ihrer Zulassung in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Ende Juli angekündigt das Verbot zu lockern, betont jedoch, dass die Mittel in den meisten Fällen während der Schwangerschaft abgesetzt werden sollten.
HMG-CoA-Reduktasehemmer blockieren ein zentrales Enzym in der Cholesterinsynthese. Sie haben sich nach der Einführung des 1. Statins (Lovastatin 1987 in den USA, 1989 in Deutschland) schnell zu den am meisten verordneten Cholesterinsenkern entwickelt. Da Cholesterin ein essenzieller Bestandteil von Zellmembranen ist, die vor allem in der Fetalperiode in größeren Mengen gebildet werden, hat es von Anfang an Bedenken gegen den Einsatz von Statinen in der Schwangerschaft gegeben.
Da tierexperimentelle Studien diesen Verdacht verstärkten, wurde der Einsatz von Statinen in der Schwangerschaft von Anfang an als absolut kontraindiziert erklärt. In den US-Fachinformationen gibt es einen ausdrücklichen Warnhinweis, die deutschen Fachinformationen enthalten eine Gegenanzeige während der Schwangerschaft und Stillzeit. Frauen im gebärfähigen Alter, die Statine benötigen, müssen geeignete kontrazeptive Maßnahmen anwenden.
Da Schwangerschaften in der Regel bei jüngeren Frauen auftreten, die meist noch keine erhöhten Cholesterinwerte haben, ist die Gegenanzeige in der Regel gegenstandslos. Statine werden in diesem Alter selten verordnet.
Eine Ausnahme bilden Frauen mit einer familiären Hypercholesterinämie, die bereits seit der Kindheit deutlich erhöhte Cholesterinwerte haben und ohne Behandlung gefährdet sind, im frühen Lebensalter an atherosklerotischen Erkrankungen zu sterben. Bei diesen Frauen muss die Behandlung derzeit während einer Schwangerschaft und der anschließenden Stillzeit unterbrochen werden.
Eine andere Gruppe sind Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten. In diesen Gruppen soll künftig der Einsatz von Statinen – nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken – erlaubt sein.
Die FDA begründet die Lockerung der Kontraindikation mit einer Bewertung einer Reihe von Fallserien und prospektiven und retrospektiven Kohortenstudien, die die Auswirkung von Statinen auf die Gesundheit des Feten untersucht haben. Darunter war eine Analyse von Medicaiddaten, also von Frauen, die die in den USA aufgrund eines geringen Einkommens Anrecht auf eine staatliche Krankenversicherung haben.
1.152 von 886.996 Schwangeren war im 1. Trimenon ein Statin verschrieben worden. Von den Kindern der Statinanwenderinnen wurden 6,34 % mit Fehlbildungen geboren gegenüber 3,55 % bei Frauen, die im 1. Trimenon kein Statin eingenommen hatten. Das relative Risiko von 1,79 war mit einen 95-%-Konfidenzintervall von 1,43 bis 2,23 signifikant, was für eine teratogene Wirkung spricht. Der Anstieg der Fehlbildungen könnte jedoch auf eine höhere Rate von Diabetikerinnen unter den Statinanwenderinnen zurückzuführen sein, heißt es in der Drug Safety Communication der FDA.
Ein Diabetes ist ein bekanntes Risiko für Fehlbildungen. Tatsächlich verschwand das Risiko nach einer „Propensity Score“-Analyse, die nur Schwangere mit gleichen Eigenschaften verglich. Das relative Risiko verminderte sich nach den im Britischen Ärzteblatt (BMJ, 2015; DOI: 10.1136/bmj.h1035) publizierten Ergebnissen auf nicht-signifikante 1,07 (0,85 bis 1,37).
Zu den Einschränkungen der Analyse gehörte, dass sie sich auf die Einträge der Ärzte in den Krankenakten verlassen musste, die nicht alle relevanten Patienteneigenschaften notieren. So fehlten beispielsweise Angaben zum Body-Mass-Index, der das Risiko auf Fehlbildungen ebenfalls beeinflussen kann. Außerdem wurde die Einlösung der Rezepte nicht überprüft und es gab keine Angaben zu Totgeburten.
Datenbankanalysen sind deshalb wie alle retrospektiven Studien fehleranfällig. Hinzu kommt, dass in anderen Studien durchaus Sicherheitssignale gefunden wurden. So war in einer älteren Studie (FDA Drug Safety Communication, 2009; 18(Suppl 18): S75-6) ein erhöhtes Risiko auf Schwangerschaftsabbrüche aufgefallen (adjustiertes Risiko 2,48; 1,65-3,73), wobei laut FDA unklar blieb, ob es sich um elektive Abbrüche oder Fehlgeburten handelte.
In einer Metaanalyse von sechs kleinen Beobachtungsstudien zur Statinexposition bei Schwangeren (Expert Rev Obstet Gynecol, 2013; 8: 513-24) war eine erhöhte Rate von Fehlgeburten (Risk Ratio 1,35; 1,04-1,75) beschrieben worden. Hier fehlten laut FDA Angaben zu mehreren Störfaktoren (“Confoundern“), die für sich das Risiko erhöht haben könnten.
Eine neuere retrospektive Studie (FDA Drug Safety Communication, 2017; 26: 843-52), die mehrere Confounder wie mütterliches Alter, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Body-Mass-Index berücksichtigt hat, kam jedoch ebenfalls zu einer erhöhten Rate von Fehlgeburten bei Statinanwenderinnen (adjustierte Hazard Ratio 1,64; 1,1-2,46). Hier fehlten laut FDA Angaben zum Schweregrad des Diabetes oder zum Rauchen und Alkoholkonsum, die ebenfalls Risikofaktoren für eine Fehlgeburt sind.
Unter dem Strich lässt sich ein teratogenes Risiko von Statinen nicht ausschließen, weshalb die FDA nur den Warnhinweis streichen lässt, nicht aber die Hinweise auf ein mögliches Risiko. Für die Ärzte bleibt es deshalb bei einer schwierigen Abwägung von Nutzen und Risiko, die jedoch bei Frauen mit einer familiären Hypercholesterinämie und hohen Cholesterinwerten den Einsatz von Statinen ermöglichen könnte. © rme/aerzteblatt.de
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Die Arteriosklerose ist keine Krankheit des Cholesterins,
Der Umstand, dass Rauchen den Gefäßen schadet, beruht darauf, weil bei der Beseitigung der beim Rauchen inhalierten Toxine große Mengen des antioxidativ wirkenden Vitamin C verbraucht werden. Dieses Vitamin C fehlt dann bei der Erneuerung der Kollagenfasern in den Gefäßgeweben.

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