NewsÄrzteschaft„Wenn man neue Parameter will, muss man bei der Nachverfolgung priorisieren“
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Ärzteschaft

„Wenn man neue Parameter will, muss man bei der Nachverfolgung priorisieren“

Donnerstag, 29. Juli 2021

Berlin – Die Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern ist weiterhin ein wichtiger Baustein für die Pan­demiebekämpfung. In Zeiten von wieder steigenden Inzidenzen warnt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), vor einer erneuten Überlastung der Ämter, wirbt für mehr Digitalisierung und erklärt, warum mit einer Hospita­lisierungsquote auch die Regeln für die Kontaktnachverfolgung geändert werden müssen. Das Deutsche Ärzteblatt (DÄ) sprach mit ihr.

5 Fragen an Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD)

DÄ: Frau Teichert, bei den steigenden Inzidenzen mitten im Sommer: Wie sieht es in den Gesundheits­ämtern mit der Kontakt­nachverfolgung aus?
Ute Teichert: Wie immer haben wir bei steigenden Inzidenzen und weiterer Kontaktnachverfolgung das Problem, dass die Ämter bald an ihre Grenzen kommen werden. Noch geht’s, aber das Problem sehen wir auf uns zurollen.

Wenn nun wieder mehr Menschen viel mehr unterwegs sind und mehr Lockerungen gelten, dann ist bei jedem Einzelnen auch die Zahl der Kontaktpersonen höher.

In Zeiten des Lockdowns haben Menschen ein bis zwei Kontakte, jetzt unter Umständen 50 oder gar 100 Kontakte. Deswegen auch mein dringender Appell, dass man Abhilfe schaffen muss, damit wir nicht wieder dort stehen, wo wir schon vor einigen Monaten waren, und uns darüber wundern.

DÄ: Gelingt die Personalaufstockung jetzt durch die weitere Um­set­zung im Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst?
Teichert: Der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst läuft, der ist allerdings auf fünf Jahre und zur dauerhaften Stärkung des Gesundheitsdiensts angelegt und nicht zur Bewältigung von Pandemiespitzen.

Die Ausrollung des Paktes hat begonnen, aber die 5.000 neuen Stellen sind in den kommenden fünf Jahren geplant. Wenn die Zahlen aktuell so weiter steigen, sind wir in ein paar Wochen wieder bei hohen Inzidenzen. Und da nützen uns diese fünf Jahre eher wenig.

DÄ: Muss es dann wieder Unterstützung aus anderen Ämtern geben?
Teichert: Ja, es muss definitiv aus den anderen Ämtern, wie schon in den ersten drei Wellen, Unterstüt­zung für den öffentlichen Gesundheitsdienst geben müssen. Ansonsten werden die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung nicht mehr leisten können.

DÄ: Die digitale Kontaktnachverfolgung per Apps wurde ja als großer Fortschritt angekündigt. Was hören Sie aus den Ämtern, klappt das vor Ort?
Teichert: Das ist sehr unterschiedlich. Bei der Digitalisierung im ÖGD hat sich schon viel getan, viele Ämter nutzen inzwischen SORMAS oder andere Programme zur Nachverfolgung. Aber dies ist eben noch nicht flächendeckend eingesetzt. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass man auch die digitalen Mög­lichkeiten weiter verbessern muss.

DÄ: Neben der Inzidenz als Wert soll in die künftige Bewertung der Pandemielage auch die Hospitali­sierungsquote als weiterer Faktor eingeführt werden. Sind denn die Krankenhäuser aus Ihrer Sicht in der Lage, diese Meldungen auch digital an die Gesundheitsämter weiterzugeben?
Teichert: Der Datenaustausch scheint zu funktionieren. Was aber insgesamt ein Problem ist: Diese Quote betrifft Gesundheitsämter nur am Rande. Denn auch mit einer Hospitalisierungsquote bleibt ja die Kon­taktnachverfolgung zuerst einmal so, wie sie zurzeit ist. Wenn die Inzidenzen an die Hospitalisierung ge­koppelt werden, dann wird ja die Kontaktnachverfolgung nicht automatisch ebenfalls daran gekoppelt.

Daher mein Appell: Wenn man neue Parameter einführt, dann muss man sich auch die Kontaktnach­verfolgung ansehen. Denn wenn man hohe Inzidenzen eingeht und daran politisches Handeln ausrichtet, dann können die Gesundheitsämter nicht mehr jeden Kontakt nachverfolgen.

Dann hat man zwei Möglich­keiten: Entweder muss man die Ämter so massiv personell aufstocken, dass sie es weiterhin schaffen. Oder man priorisiert bei der Nachverfolgung entsprechende Bereiche wie beispielsweise bestimmte Altersgruppen oder vulnerable Gruppen. © bee/aerzteblatt.de

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