Vermischtes
Legionellenfälle: Behörden rätseln über gestiegene Zahlen
Dienstag, 10. August 2021
Stuttgart – Die Zahl der Legionellenfälle in Baden-Württemberg ist nach Auskunft des Landesgesundheitsamtes (LGA) in Stuttgart zuletzt deutlich gestiegen. Von etwa Mitte Juni bis zum 6. August seien 97 Fälle mit Erkrankungsbeginn ab dem 1. Juni registriert worden. Darunter seien sieben Todesfälle. Das sei die höchste Anzahl an Erkrankungen im Vergleich zu den gleichen Zeiträumen der Jahre 2001 bis 2020.
Ein Grund dafür sei noch nicht auszumachen, sagte Jens Fleischer, Labor- und Sachgebietsleiter Wasserhygiene im LGA. Ob der monatelange Stillstand in manchen Einrichtungen dazu geführt habe, dass sich Legionellen ausbreiten konnten, sei noch unklar. „Wir vermuten, dass Rückkühlwerke oder Kühltürme von Industrieanlagen oder Warmwasserinstallationen in Gebäuden nicht so gewartet wurden, wie sie sollten. Dies wäre eine mögliche Erklärung.“
Die Fälle traten querbeet durch Baden-Württemberg auf. Betroffen sind 31 Stadt- und Landkreise, von denen es 44 in Baden-Württemberg gibt. Im Landkreis Ortenau und im Landkreis Ludwigsburg gab es jeweils acht Erkrankte im genannten Zeitraum.
„Wir wissen nicht, wo sich die Menschen angesteckt haben. Bisher haben wir keinen gemeinsamen Nenner ausgemacht“, sagt Fleischer. Auch könne man nicht von einem Ausbruch sprechen, sondern von einer Häufung von Erkrankungen, die im gleichen Zeitraum stattfanden. Die betroffenen Gesundheitsämter der Kreise seien gerade dabei, Fragebögen des LGA zu beantworten. Danach wisse man vielleicht mehr.
Es bestehe auch die Möglichkeit mittels eines bundesweiten Katasters, die technischen Anlagen mit den Fällen geografisch abzugleichen, um festzustellen, ob sie im Umkreis dieser Anlagen aufgetreten seien, sagt Fleischer. „Sollte dies der Fall sein, wird man sich die Anlagen genauer anschauen.“ Er wies darauf hin, dass Legionellen nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden können. „Insofern hat es immer einen technischen Hintergrund.“ In seltenen Fällen gelinge es, eine Quelle festzustellen.
So auch in Heilbronn. Auf der Suche nach der Quelle einer Legionelleninfektion mit mehreren Infizierten und zwei Toten im Kreis Heilbronn sind die Behörden nicht weiter gekommen. Experten des Heilbronner Gesundheitsamtes gehen nicht davon aus, dass verunreinigtes Trinkwasser die Ursache für die Infektionen ist. Die Erkrankten wohnten in unterschiedlichen Orten, es gebe mehrere Wasserversorger.
Man mutmaßt in Heilbronn, dass die Ursache in einer Verdunstungskühlanlage zu finden ist. „Aber nachweisen ließ sich das nicht, weil zum Zeitpunkt der Überprüfung die Anlagen routinemäßig bereits desinfiziert worden waren“, sagte die Sprecherin der Behörde, Lea Mosthaf. Sie hoffe, dass nach dem Stillstand alle Fitnessstudios, Unternehmen mit Betriebsduschen, Saunen und Freibäder ihre Anlagen legionellenfrei gemacht hätten. Sie appellierte an Urlaubsrückkehrer, ihr Leitungswasser im Haushalt auf über 60 Grad zu erhitzen oder heißes Wasser längere Zeit laufen zu lassen.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte bereits im vergangenem Jahr vor einem möglichen Legionellenrisiko gewarnt, infolge wochenlanger Schließungen von Hotels, Sportanlagen und Schwimmbädern.
Bei unsachgemäßer oder fehlender Wartung könne es nach der Coronapause zu einem erhöhten Wachstum dieser Bakterien in Trinkwasseranlagen gekommen sein, schrieb das RKI im „Epidemiologischen Bulletin“. Betreiber sollten vor einer Wiedereröffnung ihrer Trinkwasseranlagen deshalb einen einwandfreien Betrieb sicherstellen.
Auch schreibt das RKI in seinem Jahrbuch 2019, es müsse davon ausgegangen werden, dass die erfassten Erkrankungen – trotz der kontinuierlich weiter steigenden Fallzahlen – nur einen Bruchteil der tatsächlichen Erkrankungen repräsentieren.
Es sei anzunehmen, dass in der Praxis zu selten eine Legionellendiagnostik veranlasst werde und daher viele Erkrankungen nicht als solche erkannt würden. Das deutsche Kompetenznetzwerk für ambulant erworbene Pneumonien (Capnetz) schätzt die jährliche Zahl der Legionärskrankheit auf etwa 15.000 bis 30.000 Fälle. © dpa/aerzteblatt.de

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