Politik
3G-Regel in Zügen weiterhin in der Debatte
Montag, 30. August 2021
Berlin – In der Bundesregierung gibt es Streit über eine Einführung der sogenannten 3G-Regel auch für Fernzüge wie ICE und Intercity. Dann wäre eine Fahrt nur für Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete mit entsprechendem Beleg möglich. Drei unionsgeführte Ministerien machten erhebliche Bedenken geltend.
Eine Durchsetzung wäre „praktisch nicht durchführbar“, heißt es in einem Papier des Verkehrs-, Gesundheits- und Innenressorts. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält 3G in Fernzügen aber weiter für eine „mögliche und sinnvolle Maßnahme“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte.
Die Regierung hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, 3G-Vorgaben für Fernzüge und Inlandsflüge zu prüfen, die bereits für bestimmte Innenräume gelten. In dem Papier erläutern die drei Ministerien, Wesensmerkmal des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs sei der offene Zugang.
Fahrgäste würden nicht beim Einstieg kontrolliert und müssten sich nirgendwo registrieren oder einen festen Sitzplatz reservieren. „Eine Kontrolle beim Einstieg ist aufgrund der kurzen Haltezeiten ausgeschlossen.“ Auch während der Fahrt finde weder im Fern- noch im Nahverkehr eine vollständige Ticketkontrolle statt.
Selbst wenn punktuelle Kontrollen durchgeführt werden würden, könne Verstößen „nur mit Unterstützung der Bundespolizei und/oder des Sicherheitspersonals der Bahnen begegnet werden. Die Sanktion kann nur ein Beförderungsverbot/-ausschluss sein, die an der nächsten Haltestelle durchgesetzt werden müsste“.
In dem Papier heißt es weiter, auch wegen der Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr seien mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass weder das Zugpersonal noch die Fahrgäste einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt seien.
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums (BMVI) sagte, auch zur Einführung der 3G-Regel bei Inlandsflügen gebe es rechtliche Bedenken. Rein praktisch gebe es aber eine andere Lage als bei Fernzügen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte gestern Abend beim Fernsehsender Bild TV zu 3G in Zügen: „Ich sehe es nicht kommen.“ Dies sei das Ergebnis einer Prüfung durch die Fachressorts. Allerdings betonte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) gestern Abend im TV-Triell von RTL und ntv mit Blick auf die Prüfung in der Regierung: „Der Wunsch von mir und der Kanzlerin ist, dass es klappen soll.“
Regierungssprecher Seibert sagte angesichts steigender Coronazahlen: „Wir müssen doch darüber nachdenken, was wir tun können, um diesen Anstieg auch wieder zu dämpfen oder zu stoppen.“ Er verwies auf eine 3G-Regelung in Fernzügen in Frankreich, Italien plane dies ab Anfang September. Dort sei dies nicht unmöglich oder unkontrollierbar.
„Insofern ist die Bundeskanzlerin weiter der Meinung, dass 3G in Fernzügen und auf Inlandsflügen eine mögliche und sinnvolle Maßnahme sein kann“, sagte Seibert. Es gebe Gegenargumente, dies sei auch der „Charakter eines Prüfauftrags“ in der Regierung. Nun solle die Entwicklung der nächsten Zeit sehr genau beobachtet werden.
Die italienische Regierung hat beschlossen, ab 1. September in Fern-, Hochgeschwindigkeits- und Intercityzügen den sogenannten Grünen Pass zu verlangen – einen digitalen oder ausdruckbaren Nachweis über eine Impfung, einen negativen Test oder dass man genesen ist. Laut Betreiber Trenitalia kontrolliert das Zugpersonal, ob man ihn dabeihat.
In Frankreich müssen Reisende schon seit 9. August in Fernzügen einen solchen digitalen Gesundheitspass haben. Kontrolliert wird stichprobenhaft – vor der Abfahrt etwa am Zugang zu Bahnsteigen, oder auch während der Fahrt durch Zugbegleiter.
Bei Kontrollen hatten nach Erfahrung der französischen Bahn bisher praktisch alle Reisenden einen Gesundheitspass dabei. Mit Blick auf Frankreich hatte das Bundesverkehrsministerium allerdings bereits darauf hingewiesen, dass es dort anders als in Deutschland eine Reservierungspflicht bei Tickets für TGV-Hochgeschwindigkeitszüge und Kontrollen beim Zugang zu den Wagen gebe.
In der Debatte über das Corona-Vorgehen in den nächsten Monaten kann sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auch eine Verschärfung der Vorgaben zu 2G vorstellen – also dass nur Geimpfte und Genesene Zutritt zu bestimmten Einrichtungen haben.
„Das kann ich nicht ausschließen, weil wir die Infektionslage noch nicht überblicken können, die uns im Herbst und Winter erwartet. Ab einem bestimmten Punkt wäre 2G für sehr viele Bereiche denkbar“, sagte der SPD-Politiker der Rheinischen Post. In der aktuellen Lage sei das aber nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.
In Deutschland gilt die 3G-Regel bislang nur bei Auslandsflügen und in einigen Bereichen des öffentlichen Lebens – etwa beim Restaurantbesuch in Innenräumen. Kritik an dem Plan war aus den Reihen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) gekommen.
Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch „umsetzbar und praktikabel“ sein müssten, hieß es. Coronanachweispflichten im Fernverkehr dürften nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter erfolgen.
Eine große Mehrheit der Wahlberechtigten in Deutschland würde hingegen laut einer Umfrage eine sogenannte 3G-Regel in Fernzügen befürworten. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten gaben bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Handelsblatts an, sie fänden es richtig, wenn nur noch Geimpfte, -Genesene oder -Getestete (3G) Züge nutzen dürften. 31 Prozent der Befragten waren dagegen und 5 Prozent unentschieden.
Vor allem Wähler der SPD (78 Prozent), der Union (76 Prozent) und der Grünen (75 Prozent) sprachen sich in der Civey-Umfrage für eine 3G-Regel in Fernzügen aus. Unter FDP-Wählern (52 Prozent) und AfD-Wählern (20 Prozent) war die Zustimmung am niedrigsten.
Über 65-Jährige sprachen sich mit 77 Prozent dafür aus, in der Gruppe zwischen 18 und 29 Jahren war es hingegen nur jeder Zweite. Repräsentativ befragt wurden im Zeitraum vom 27. bis 28. August rund 5.000 Wahlberechtigte ab 18 Jahren.
Ungeachtet der deutlich steigenden Coronainzidenzen erwartet Spahn keine neuen Einschränkungen. Sollte die Inzidenz in den kommenden Tagen über den Grenzwert von 100 Neuinfektionen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner steigen, dann „passiert erst einmal wegen der 100 für sich genommen noch gar nichts“, sagte Spahn. Das wäre zwar keine gute Entwicklung, aber die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens sei durch das Impfen von der Zahl der Neuinfektionen entkoppelt. © dpa/afp/may/aerzteblatt.de

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