Ärzteschaft
COVID-19: Neue Empfehlungen für die stationäre Therapie
Dienstag, 5. Oktober 2021
Berlin – Fachleute der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) haben die Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19-Erkrankten gemeinsam mit 15 weiteren Fachgesellschaften aktualisiert.
Sie gibt neue Empfehlungen für die Thromboseprophylaxe und Antikoagulation. Geraten wird auch, bei wachen Patienten eine Bauchlagerung vorzunehmen. Erstmals sind zudem monoklonale Antikörper sowie Januskinase (JAK)-Inhibitoren als verfügbare medikamentöse Therapieoptionen aufgeführt.
Bereits bei wachen Patienten, die eine hochdosierte Sauerstofftherapie über eine Nasensonde erhalten oder nicht-invasiv beatmet würden, sollte eine Bauchlagerung erfolgen, sagte DGIIN-Vorstandsmitglied und Koordinator der Leitlinie, Stefan Kluge.
Er wies darauf hin, dass Ärzte während der Pandemie immer wieder beobachtet hätten, dass sich COVID-19-Patienten selbst auf den Bauch lagerten und sich dadurch die Sauerstoffversorgung bessere.
Eine große prospektive, randomisierte Studie konnte laut Kluge zudem zeigen, dass sich die Häufigkeit späterer Intubationen reduziert, wenn in dieser Krankheitsphase bereits eine Bauchlagerung durchgeführt wird. „Dies ist eine neue wichtige Erkenntnis, die helfen kann, eine Intubation und mechanische Beatmung zu vermeiden“, so Kluge.
Spezifische neue Medikamente gegen COVID-19
Die aktualisierte Leitlinie hält auch neue Empfehlungen zur medikamentösen Therapie von COVID-19 bereit.
Es habe sich gezeigt, dass in der Frühphase der COVID-19-Erkrankung, in der der Körper noch keine Antikörper gebildet habe, monoklonale Antikörper einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Sterblichkeit hätten, erläuterte Jakob Malin, Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der ebenfalls an der Aktualisierung der Leitlinie mitgearbeitet hat.
Diese monoklonalen Antikörper wirkten neutralisierend auf das SARS-CoV-2-Virus, so Malin. Virusneutralisierende monoklonale Antikörper besitzen laut DGIIN die Fähigkeit, durch Interaktion mit dem SARS-CoV-2-Spikeprotein den Viruseintritt in die Zelle zu verhindern.
Die Leitlinie empfiehlt daher, bei hospitalisierten COVID-19-Erkrankten, die noch keine eigene Immunantwort auf die Infektion gezeigt und keinen oder maximal einen Low-Flow-Sauerstoffbedarf haben, eine Therapie mit der Kombination aus den SARS-CoV-2 spezifischen monoklonalen Antikörpern Casirivimab und Imdevimab umzusetzen.
Außerdem neu ist, dass die Leitlinie den Einsatz von Januskinase (JAK)-Inhibitoren empfiehlt. JAK-Inhibitoren wirken entzündungshemmend. Studien zeigten einen Überlebensvorteil, wenn JAK-Inhibitoren bei hospitalisierten Patienten ohne Sauerstoffbedarf oder mit maximal einer Low-Flow-Sauerstoffbehandlung eingesetzt würden, so die DGIIN.
Änderungen gibt es auch bei der Thromboseprophylaxe und therapeutische Antikoagulation bei hospitalisierten Erkrankten. Laut DGIIN kann es bei schwer an COVID-19-Erkrankten zur Bildung von Thrombosen kommen, die wiederum ein Lungenversagen oder eine Lungenembolie auslösen können. Deshalb erhalten stationär behandelte COVID-19-Patienten eine standardmäßige Therapie zur Thromboseprophylaxe.
„Es war immer in der Diskussion, ob eine standardmäßige Thromboseprophylaxe mit Heparin ausreichend ist, um Thrombosen zu vermeiden. Deshalb haben wir in der Überarbeitung der Leitlinie auch die Empfehlungen zur Thrombosebehandlung aktualisiert“, betonte Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN.
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Die neuen Empfehlungen beinhalten laut Fachgesellschaft nun, dass in der Frühphase bei hospitalisierten, nichtintensivpflichtigen COVID-19-Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine Thrombose eine therapeutische Antikoagulation erwogen werden kann, sofern sie ein niedriges Blutungsrisiko haben.
Bei Intensivpatienten hingegen sollte eine therapeutische Antikoagulation bei fehlendem Nachweis von Thrombosen oder Embolien nicht erfolgen, da hier das Risiko schwerer Blutungskomplikationen deutlich ansteigt.
Begleitet wurde die Arbeit an der Leitlinie vom Forschungskonsortium COVID-19-Evidenz-Ökosystem (CEOsys). Das CEOsys-Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) gefördert.
Nicole Skoetz vom Forschungskonsortium sprach davon, dass die Leitlinie auch ein Beispiel des systematischen Austausches zwischen den verschiedenen Disziplinen der medizinischen Wissenschaft sei, um Patienten bestmöglich zu versorgen, ein gemeinsames Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung zu erreichen und zu einer systematischen Evidenzaufarbeitung zu gelangen. Im Fokus stehe dabei die Patientensicherheit verbunden mit dem Ziel, zusätzlichen Schaden durch Therapien zu vermeiden.
„Durch die konsequente kritische Analyse einer Vielzahl von medikamentösen Therapieansätzen zur Behandlung von COVID-19 (Colchicin, Ivermectin, Rekonvaleszenten-Plasma etc.) können wir nun auch einen Katalog an Negativempfehlungen, also Empfehlungen gegen bestimmte Therapien, herausgeben“, fasst Kluge die Ergebnisse der Leitlinienaktualisierung zusammen. © may/EB/aerzteblatt.de

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