Ärzteschaft
Long und Post COVID: Erste Patientenleitlinie für Betroffene und Angehörige veröffentlicht
Freitag, 8. Oktober 2021
Berlin – Gemeinsam mit Patienten und Selbsthilfegruppen haben 16 medizinische Fachgesellschaften einen Patientenleitfaden entwickelt, der häufige Symptome von Long und Post COVID beschreibt und erklärt, wie Betroffene sich verhalten können. Doch es sei noch immer viele unbekannt, erklärten die drei Lungenfachärzte, die das Papier stellvertretend für die Gruppe der Autoren vorstellten.
Erst zu Beginn dieser Woche hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO erstmals eine Falldefinition für Post COVID herausgegeben und damit eine Abgrenzung zu Long COVID geschaffen. Auch die neue Patientenleitlinie unterstreicht die klare Unterscheidung und was damit einhergeht.
„Long COVID schließt sich an eine akute COVID-Infektion an und geht den bisherigen Erkenntnissen zufolge häufig mit Husten und Gliederschmerzen einher, es wird häufig von Fatigue berichtet, es kann zu Geruchs- und Denkstörungen sowie Herzrasen kommen“, erklärte Christian Gogoll, federführender Koordinator der Patientenleitlinie und Oberarzt an der Evangelischen Lungenklinik in Berlin-Buch.
Es handelt sich um eine verzögerte Wiederherstellung der Gesundheit. Die damit einhergehenden Beschwerden können mehr als vier Wochen nach der akuten Erkrankung anhalten. Post COVID beschreibe hingegen das Krankheitsbild ab der zwölften Woche nach der ursprünglichen Infektion. Dabei könnten Symptome bei zuvor Erkrankten auftreten, die einen milden Verlauf hatten oder sich nach einer schwereren Erkrankung wieder gesund gefühlt hatten.
Meist keine bleibenden Schäden
Zudem könne die Erkrankung in Schüben auftreten und sich nach kurzen Phasen der Besserung erneut bemerkbar machen. Wie lange die Symptome anhalten können, sei aufgrund der bisher erst knapp anderthalb Jahre langen Beobachtungszeit noch völlig unklar.
„Bei einem Großteil der Fälle bilden sich die Symptome im Verlauf einiger Wochen bis Monate vollständig zurück", wird Claus Vogelmeier, Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung (DLS) in einer Mitteilung zitiert, die parallel zur Veröffentlichung der Leitlinie herausgegeben wurde. Meist gebe es keine bleibenden Schäden.
Doch schon bei der Diagnose gibt es derzeit noch große Probleme. Laut Leitlinie wird im Zusammenhang mit Long und Post COVID von mehr als 200 verschiedene Symptome berichtet.
„Bislang scheint es dabei drei große Gruppen zu geben“, so Gogoll, „eine Gruppe, die überwiegend unter Fatigue, also starker Erschöpfung leidet, eine zweite Gruppe mit körperlichen Beschwerden wie Atemnot, herzrasen, Herzmuskelentzündung und eine dritte Gruppe, die neurologische Beschwerden wie Denk- und Konzentrationsstörungen klagt". Über die Häufigkeit der Symptome gibt es bisher widersprüchliche Angaben.
Auch bei der Anzahl der Betroffenen gibt es noch große Unsicherheiten. „Die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass etwa zehn bis 14 Prozent der COVID-19-Erkrankten von Long COVID betroffen sind, bei Post COVID sind es etwa zwei Prozent", so Gogoll weiter. Er wirkte in einer Doppelrolle an der Leitlinie mit, da er auch selbst schwer an COVID-19 erkrankt war und beatmet werden musste.
„Es war auch schnell klar, dass Patienten in verständlicher Sprache informiert werden müssen, auch um Fehlinformationen vorzubeugen, die zum Teil etwa in Selbsthilfegruppen gestreut werden", so Gogoll. Als Betroffener habe er die Möglichkeit gehabt, die Gruppen bei der Erstellung der Leitlinie mit ins Boot zu holen und eine Zusammenarbeit zu organisieren.
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Denn an die Betroffenen und ihre Angehörigen sowie nahe stehende Personen oder Pflegende soll sich das Papier in erster Linie richten.
„In erster Instanz sollten Patienten immer eine Hausarztpraxis kontaktieren – idealerweise die, in der sie bereits bekannt sind und die ihre Krankengeschichte kennt“, so Gogoll. „Dieses Vorgehen verhindert, dass sich Betroffene bei unterschiedlichen Spezialisten vorstellen und, auf sich allein gestellt, von Termin zu Termin durchkämpfen müssen.“
Auch Torsten Bauer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), erklärte die Hausärzte zum Dreh- und Angelpunkt. „Sie sind die Initiatoren der Diagnostik, nun braucht es noch politische Unterstützung, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit für dieses Krankheitsbild zu stärken“, so Bauer.
Christian Taube, stellvertretender Vorsitzender der DLS, rief dazu auf, sich impfen zu lassen. „Es ist noch nicht abschließend geklärt, aber es ist zu erwarten, dass Long COVID durch Entzündungen bedingt wird. Ungeimpft dauert eine COVID-19-Infektion bis zu 14 Tage, geimpft zwei bis drei. Die Entzündungsphase ist also deutlich geringer. Durch Durchbruchinfektionen dürfte Long COVID seltener sein“, so Taube.
Er warnte zudem vor vermeintlichen Heilsbringern wie Nahrungsergänzungsmitteln. „Die Wirksamkeit ist in der Regel nicht durch Studien belegt“, so der Pneumologe. Patienten müssten sich bewusst sein, dass bei Werbung mit Heilversprechen immer große Vorsicht geboten sei. © alir/aerzteblatt.de

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