Vermischtes
Bundesgerichtshof weist Ärzteklagen gegen Bewertungsportal Jameda ab
Mittwoch, 13. Oktober 2021
Karlsruhe – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Klagen von zwei Zahnmedizinern gegen das Ärztebewertungsportal Jameda zurückgewiesen. Das teilte ein BGH-Sprecher in Karlsruhe mit (Az. VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19).
Das Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen muss es demnach dulden, auch in Zukunft bei Jameda gelistet zu sein, entschied der BGH und stärkte damit dem Unternehmen den Rücken. Eine Begründung der Entscheidung erfolgte zunächst nicht.
Die Ärzte hatten verlangt, auf dem Portal künftig nicht mehr geführt zu werden und dies unter anderem mit dem Geschäftsmodell von Jameda begründet. Aus ihrer Sicht begünstigt es Ärzte, die über kostenpflichtige Pakete ihr Profil über ein Bild oder Verlinkungen ansprechender gestalten können als sogenannte Basiskunden, die nicht zahlen. Das sahen die Richter im vorliegenden Fall nicht so.
Jameda dürfe seine Premiumkunden zwar nicht unzulässig bevorzugen – aber es komme immer auf den Einzelfall an, hatten die BGH-Richter bei der gestrigen Verhandlung betont. Einen allgemeinen Gleichbehandlungsanspruch für zahlende und nicht zahlende Ärzte gebe es nicht.
Jameda hatte nach eigenen Angaben bereits vor der Verhandlung die kritisierten Punkte vorsichtshalber geändert. Seitdem ist das Ehepaar mit seinen Basisdaten wieder im Portal zu finden – gegen seinen Willen.
Das Unternehmen halte es grundsätzlich für unethisch, zahlende Kunden zu bevorzugen, sagte Jameda-Geschäftsführer Florian Weiß. Auch das Ranking der Ärzte, die von Patienten auf dem Portal bewertet werden können, sei vom Kundenstatus der verzeichneten Mediziner völlig unabhängig.
Grundsätzlich müssen es Ärzte wegen des öffentlichen Interesses, im Sinne der freien Arztwahl und auch wegen der Kommunikationsfreiheit hinnehmen, dass sie in solchen Portalen zu finden sind.
Allerdings dürfen die Portale dafür den Boden der Neutralität nicht verlassen, hatte der BGH 2018 klargestellt und der Klage einer Hautärztin auf Löschung stattgegeben. Jameda musste daraufhin sein Geschäftsmodell mit den entsprechenden Werbeformaten für Premiumkunden umstellen.
Jameda listet eigenen Angaben zufolge praktisch alle Ärzte bundesweit. Die Daten dafür bezieht es aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Telefonbucheinträgen oder Praxiseröffnungen. Rund 70.000 der gelisteten Mediziner hätten Premiumpakete gebucht, bezahlen also für spezielle Funktionen und Serviceleistungen. © dpa/aerzteblatt.de

Jameda und der BGH: Lizenz zur "Schutzgelderpressung" sensu Anja Wilkat
1. In den Gelben Seiten gibt es kein Ranking. Es wäre dort nicht erlaubt zu behaupten, dass Arzt a mit der Note 1 besser sei, als Arzt b mit der Note 2
2. Es gibt keinen Zwang, sich in den Gelben Seiten überhaupt aufführen zu lassen
Hätte Jameda also keine Bewertungs- und damit Ranking-Komponente, dann könnte man der Argumentation des BGH folgen.
A) Modell Gelbe Seiten: Die Kombination von Werbung (immer im Sinne von Optimierung der Web-Präsentation gegen Entgelt) und – eingeschränkt - vollständiger Arztlistung ohne Bewertung wäre also rechtskonform.
B) Modell Ranking-Kauf: Die Kombination Werbung und Bewertung ausschließlich für zahlende Kunden und ohne vollständige Arztlistung wäre auch möglich. Sie erweckt allerdings den Eindruck von Korruption, ähnlich wie in der Banken-Krise mit den Rating-Agenturen Moody‘s, Fitch und Standard & Poor’s.
C) Modell klassisches, rechtskonformes Bewertungsportal: Die Kombination von vollständiger Arztlistung und Bewertung OHNE Werbung – und sei es auch nur ein Profilfoto oder die Online-Terminplanung - wäre auch unproblematisch. Hier wäre nur noch eine Klarnamenpflicht wünschenswert, um bei personenbezogenen Bewertungen Verleumdung und Intrige zu verhindern.
D) Modell Ärztekorrumpierung: Ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht ist jedoch die Kombination von Werbung, vollständiger Arztlistung PLUS Bewertung. Denn ein solches Portal hat geschäftliche Vorteile, wenn seine Kunden die besseren Bewertungsdurchschnitte, das bessere Ranking haben. Jameda-Kunden kaufen sich vom Damoklesschwert schlechter Bewertungen frei, sie überrumpeln ihre Kollegen, die nicht "mitspielen". Das ist der Deal.
Der BGH hat dieses Problem ignoriert, eine B

Der BGH beschädigt fahrlässig das Vertrauen in den Rechtsstaat
Denn sobald Jameda am Wettbewerb der Ärzte teilnimmt – die Webpräsentation von Portalteilnehmern/Ärzten gegen Entgelt optimiert - ändert sich die Situation grundlegend. Jetzt schuldet man seinen Kunden etwas für deren Zahlungen und jetzt kann man diese Rechnung nur noch auf Kosten der Nichtzahler, der zwangsgelisteten Ärzte begleichen, ein klassischer Fall von Schutzgelderpressung sensu Anja Wilkat.
Man muss kein professioneller Spieltheoretiker sein, um das sofort zu begreifen. Wolfgang Büscher – 2014 selbst involviert in ein Verfahren gegen Jameda - hatte das längst begriffen und sein Urteil zugunsten Jamedas von damals relativiert in seinem Artikel „Soziale Medien, Bewertungsplattformen & Co“ auf Seite 10 und 11. Sein Urteil zugunsten Jamedas kam zustande, weil die Rechtsanwälte den wettbewerbsrechtlichen Aspekt erst während des Verfahrens, vulgo zu spät, einbrachten. Mit seinem Artikel wollte er auf dieses gravierende Problem hinweisen.
Seine Nachfolger haben diesen Artikel entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Solche grobe Fahrlässigkeit untergräbt in hohem Maße das Vertrauen in den Rechtsstaat und ist eine Schande für den BGH, dessen Richter hier bestenfalls ihrer Bequemlichkeit aufgesessen sind.

Welche Aussagekraft hat denn Jameda überhaupt?
"Wie den Nutzungsrichtlinien entnommen werden kann, behält sich die Beklagte (Anmerkung: Jameda) eine Entfernung von Bewertungen u. a. bei schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen Arzt und Patient vor, wie bei gravierenden Behandlungsfehlern, drastischen Fehldiagnosen oder ähnlich schweren Vorwürfen."
Aber gerade auch diese Informationen sind doch für Patienten von Bedeutung!

Skandal-Urteil
Und dennoch soll das neutral sein? Jameda soll am Wettbewerb teilnehmen dürfen, die Web-Präsentation von Portalteilnehmern gegen Entgelt optimieren dürfen und dennoch alle Mediziner zwangslisten dürfen? Kein Aufschrei gegen dieses Unrecht, das auf einen Erpressungsversuch der Nicht-Zahler hinausläuft? Keine Forderung, dass Jameda eine andere Geldquelle suchen muss, z.B. Reise-, Auto- oder Elektronikkonzerne als Werbeträger gewinnen muss, wenn es trotz Bewertungsfunktion, trotz Ranking, alle Ärzte auflistet? Haben die Richter Wolfgang Büschers Artikel von 2017 zum Thema nicht gelesen? Er war BGH-Richter und Lauterkeitsrechtsexperte, hatte das Thema - soziale Medien, Bewertungsplattformen & Co - ausführlich analysiert.
Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht aller, die für einen fairen Wettbewerb eintreten, es erteilt einem Portal die Lizenz zur Schutzgelderpressung.
Dieses Urteil ist ein Skandal!

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