Medizin
Demenz: Antidepressivum Mirtazapin bleibt in Studie ohne Wirkung auf Agitation
Montag, 29. November 2021
Plymouth/England – Das Antidepressivum Mirtazapin, das wegen seiner sedierenden Wirkung häufiger bei Demenzpatienten zur Verminderung von Agitationen eingesetzt wird, hat sich in einer randomisierten Placebo-kontrollierten Studie im Lancet (2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01210-1) als wirkungslos erwiesen. Die Autoren raten deshalb vom Einsatz ab, zumal sich ein Anstieg der Todesfälle abzeichnete.
Viele Demenzpatienten entwickeln neuro-psychiatrische Symptome, von denen die Agitiertheit, die sich in verbalen oder auch körperlichen Angriffen äußert, die Pflege deutlich erschweren kann. Lange Zeit wurden die Patienten mit Antipsychotika „ruhig gestellt“, bis sich herausstellte, dass Antipsychotika nur eine begrenzte Wirksamkeit haben und in Studien mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden sind.
Viele Häuser haben deshalb auf eine Behandlung mit Antidepressiva gewechselt, wobei sich Wirkstoffe mit einer sedierenden Wirkung anbieten. Zu diesen Mitteln gehört das ältere Antidepressivum Mirtazapin, das nach einer Umfrage in den Jahren 2009 bis 2014 in Europa nach Citalopram das am zweithäufigsten verordnete Antidepressivum war und vor allem bei älteren Menschen eingesetzt wird.
Seine Wirkung auf die Agitation von Demenzpatienten wurde in den letzten Jahren in der „Study of Mirtazapine for Agitated Behaviours in Dementia trial“ (SYMBAD) untersucht. An der Studie nahmen an 20 britischen Zentren 204 Demenzpatienten teil, die eine vermehrte Agitiertheit zeigten.
Einschlusskriterium war ein Score von mindestens 45 Punkten in der „Cohen Mansfield Agitation Inventory“ (CMAI), die 29 Anzeichen der Agitiertheit mit 1 bis 7 Punkten bewertet, also 29 bis 293 Punkte annehmen kann.
Die Patienten wurden über 12 Wochen zusätzlich zur normalen Betreuung mit Placebo oder Mirtazapin behandelt mit einer Zieldosis von 45 mg pro Tag. Primärer Endpunkt war die Veränderung des CMAI bis zur 12. Woche.
Wie Sube Banerjee von der Universität Plymouth und Mitarbeiter jetzt berichten, kam es – überraschenderweise – in beiden Gruppen zu einem leichten Rückgang der Agitation. Unter der Behandlung mit Mirtazapin ging der CMAI von 71,1 auf 61,4 Punkte, in der Placebogruppe kam es zu einer Verbesserung von 69,8 auf 60,8 Punkte. Die adjustierte Differenz zwischen den beiden Gruppen von 1,74 Punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von -3,69 bis 7,17 Punkten nicht signifikant.
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Die Negativergebnisse sprechen laut Banerjee gegen den Einsatz von Mirtazapin zur Behandlung der Agitiertheit bei Demenzpatienten. Hinzu kommt, dass es in der Mirtazapingruppe bis zur Woche 16 insgesamt 7 Todesfälle gab, gegenüber nur 1 Todesfall in der Placebogruppe. Der Unterschied verfehlte zwar das Signifikanzniveau (p = 0,065), er wirft für Banerjee jedoch die Frage auf, ob der Einsatz der Antidepressiva mit einem Anstieg der Sterblichkeit verbunden ist, wie dies bereits für die Antipsychotika gezeigt werden konnte.
Die einzige größere randomisierte Placebo-kontrollierte Studie, die einen Nutzen für Antidepressiva in der Behandlung von Demenzpatienten belegen konnte, ist die CitAD-Studie. Die Behandlung mit Citalopram minderte dort die Agitiertheit der Patienten. Das Team um Anton Porsteinsson vom University of Rochester Medical Center musste jedoch feststellen, dass Citalopram den kognitiven Verfall der Patienten beschleunigte.
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus einer möglichen Verlängerung des QTc-Intervalls, die tödlichen Herzrhythmusstörungen Vorschub leisten könnte. In der CitAD-Studie ist es jedoch im Gegensatz zur SYMBAD-Studie nicht zu einem Anstieg der Todesfälle gekommen (JAMA, 2014; DOI: 10.1001/jama.2014.93). © rme/aerzteblatt.de

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