Ärzteschaft
S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von chronischem Tinnitus aktualisiert
Dienstag, 26. Oktober 2021
Bonn – Verschiedene Fachgesellschaften und Selbsthilfeverbände haben eine aktualisierte Version der S3-Leitlinie „Chronischer Tinnitus“ veröffentlicht. Die Federführung der Arbeit lag bei der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC). Parallel zur wissenschaftlichen Leitlinie ist auch eine allgemeinverständliche Patientenleitlinie erschienen.
Die Leitlinienautoren definieren chronischen Tinnitus als Ohrgeräusche, die seit mindestens drei Monaten bestehen und die Betroffenen belasten.
„Mit einer umfangreichen Diagnostik können Ursache, Belastung und Schweregrad des Tinnitus genau definiert, der fast immer dem Tinnitus zugrundeliegende Hörverlust beziehungsweise die Schwerhörigkeit erfasst und entsprechende Therapien eingeleitet werden“, so die Autoren.
Wichtig sei, im Rahmen der Diagnostik mittels eines standardisierten Verfahrens auch weitere physische und psychischen Belastungsstörungen wie Angstzuständen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Depressionen zu erfassen.
Die Therapieempfehlungen bei chronischem Tinnitus zielen laut der Leitliniengruppe darauf ab, die Belastungen langfristig zu reduzieren. Dabei stehen Techniken im Fokus, die die Betroffenen in die Lage versetzen, mit dem Ohrgeräusch umzugehen.
„Der wichtigste Ausgangspunkt und Basis jeder Therapie sollte dabei die Diagnostik-gestützte Beratung und Aufklärung, das sogenannte Tinnitus-Counselling, sein“, erklärte Gerhard Hesse, Klinikleiter der Tinnitus Klinik, Bad Arolsen und einer der federführenden Autoren der Leitlinie. Ziel sei, die Betroffenen zu einem informierten Umgang mit dem Ohrgeräusch zu ermuntern, um damit besser leben zu können.
Zusätzlich werden in der Leitlinie weitere evidenzbasierte Empfehlungen genannt. Dazu zählen Hörgeräte oder eine Hörtherapie sowie operative Maßnahmen, beispielsweise mit einem Cochleaimplantat. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen unterstützten die Behandlung.
Die Autoren haben in der Leitlinie auch Empfehlungen aufgelistet, denen es an Evidenz mangelt. „Dies ist eine wichtige Hilfestellung für die Patienten, die im Internet mit einer Vielzahl von Maßnahmen konfrontiert werden, die nicht zielführend sind“, erläutert Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums an der Charité, ebenfalls federführende Autorin der Leitlinie.
Die Autoren nennen unter anderem die unterbrochene sogenannte Notch-Musik, die als Smartphone-App oder in Verbindung mit Hörgeräten angeboten wird, sowie weitere App-gestützte Soundtherapien und andere akustische Neuromodulationsverfahren.
In diesem Zusammenhang bewertet die Leitliniengruppe auch musiktherapeutische Ansätze: „Musiktherapeutische Verfahren sind zwar in Bezug auf eine Schulung der Hörfähigkeit sinnvoll, Studien, die eine Wirksamkeit in Bezug auf chronischen Tinnitus belegen, liegen jedoch nicht vor“, heißt es in der Leitlinie.
Dies gelte auch für das sogenannte Heidelberger Konzept. „Eine größere und statistisch sorgfältig geplante Studie fehlt, um eine Empfehlung auszusprechen“, schreibt die Leitliniengruppe.
Auch Nahrungsergänzungsmitttel und andere Medikamente gegen Tinnitus im chronischen Stadium empfehlen die Leitlinienautoren nicht, da die Wirksamkeitsnachweise dafür fehlten.
„Allerdings trifft dies nicht auf ärztlich verordnete Medikamente gegen Schlaf- und Angststörungen oder Depressionen zu, die bei Tinnitus häufig auftreten können, und die einer fachgerechten Behandlung einschließlich einer medikamentösen Therapie bedürfen“, stellen die Autoren klar. © hil/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.