Politik
Berlin will Hilfe für Obdachlose ausbauen
Freitag, 29. Oktober 2021
Berlin – Nach guten Erfahrungen in der Coronapandemie will die Berliner Senatssozialverwaltung bei der Obdachlosenhilfe das Angebot jenseits der klassischen Notübernachtungen ausbauen. So sollen zu den angestrebten 1.000 Plätzen ab November zusätzlich 200 kommen, die an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr zur Verfügung stehen, wie Sprecher Stefan Strauß sagte.
In traditionellen Kältehilfeunterkünften müssen die Bewohner nach dem Frühstück wieder zurück auf die Straße und können erst abends wiederkommen – wenn noch Platz ist. „Wir haben in der Pandemie sehr gute Erfahrungen mit 24/7-Angeboten gemacht“, sagte Strauß.
Im vergangenen Winter standen einmalig mehr als 500 solcher Plätze zur Verfügung. Unter anderem in einer Jugendherberge, die im Lockdown schließen musste. „Diese Angebote waren so erfolgreich, dass unverständlich wäre, sie zu beenden.“ Eine Entwicklung, worüber Mitarbeitende der Berliner Stadtmission sehr froh sind.
„24/7-Einrichtungen sind ein erster großer Schritt auf dem richtigen Weg“, sagte Sprecherin Barbara Breuer. Neben Unterkunft und Versorgung werden in diesen Einrichtungen auch psychologische Hilfe und Sozialberatung angeboten. „Von den Hilfesuchenden wird dort allerdings auch erwartet, dass sie sich aktiv einbringen“, so Breuer.
Bis 2023 sollen laut Senatssozialverwaltung drei Berliner Unterkünfte nach dem 24/7-Modell mit 11,4 Millionen Euro aus EU-Mitteln zur Bewältigung der Coronakrise finanziert werden. Ein ehemaliges Hostel am Halleschen Ufer werde nur Frauen aufnehmen, berichtete Strauß. Träger der anderen beiden Unterkünfte in den Stadtteilen Mitte und Treptow seien die Stadtmission und der Internationale Bund.
Nach den Vorschlägen von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) soll es in Berlin langfristig einen Paradigmenwechsel hin zu gesamtstädtisch gesteuerten und nachhaltigen Angeboten geben. Ein Beispiel dafür ist das Modell „Housing First“, bei dem Obdachlose, die Anspruch auf Hartz IV haben, eine eigene Wohnung bekommen können. Fast 80 Menschen fanden so in den vergangenen drei Jahren über das Modellprojekt nach US-Vorbild eine eigene Bleibe.
Das gilt in dieser Gruppe und dem mehr als angespannten Berliner Wohnungsmarkt als Erfolg. Würde dieser Weg konsequent weiterverfolgt, wären allerdings allein für „Housing First“ nach Berechnungen der Sozialverwaltung 1,3 Millionen Euro pro Jahr nötig. „Die Entscheidung darüber liegt beim neuen Abgeordnetenhaus“, sagte Strauß. Das Projekt laufe deshalb noch bis zum Ende des ersten Quartals 2022 weiter. In Berlin leben nach einer ersten Zählung im Januar 2020 rund 2.000 Obdachlose – wobei sich nicht alle Betroffenen zählen ließen. © dpa/aerzteblatt.de

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