Medizin
COVID-19: Geimpfte sind in den ersten Monaten besser geschützt als Genesene
Montag, 1. November 2021
Atlanta/Georgia und Tel Aviv – Eine mRNA-Impfung schützt in den ersten Monaten deutlich besser vor COVID-19 als eine frühere Infektion. Dies zeigen neue Zahlen aus den USA im Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR, 2021: DOI: 10.15585/mmwr.mm7044e1).
Eine Studie aus Israel kam dagegen kürzlich in medRxiv (2021; DOI: 10.1101/2021.08.24.21262415) zu dem Ergebnis, dass nach mehr als 6 Monaten eine frühere Infektion den besseren Schutz vor einer Erkrankung bietet.
Die zugelassenen mRNA-Impfstoffe erzeugen eine starke Immunität. Die Antikörpertiter sind nach der 2. Dosis häufig höher als nach einer Infektion mit SARS-CoV-2, nach der der Titer je nach Schweregrad der Erkrankung stark schwanken kann. Die jüngsten Erfahrungen zeigen jedoch auch, dass die Titer nach einer Impfung mit mRNA-Impfstoffen rasch sinken und das Risiko von Durchbruchinfektionen schon nach wenigen Monaten ansteigt. Diese Beobachtungen werden jetzt durch 2 Studien bestätigt, die sich mit der Frage beschäftigen, ob eine Impfung oder eine frühere Erkrankung besser vor einer Erkrankung schützt.
Das „COVID-19 Response Team“ der US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta um Catherine Bozio hat die Daten von etwa 7.300 Patienten ausgewertet, die wegen COVID-19-artiger Symptome im Krankenhaus behandelt wurden.
Zunächst wurde untersucht, wie viele dieser Krankenhauspatienten tatsächlich mit SARS-CoV-2 infiziert waren. Danach wurde untersucht, ob eine frühere Erkrankung oder Impfung diesen Anteil beeinflusst. Derartige Test-negative Fall-Kontroll-Studien haben sich zur Abschätzung der jährlichen Grippeschutzimpfung bewährt.
Es zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit, positiv auf das Virus getestet zu werden, bei zuvor infizierten (aber nicht geimpften) Patienten deutlich höher war als bei geimpften Personen. Bozio ermittelt eine adjustierte Odds Ratio (aOR) von 5,49, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 2,75 bis 10,99 signifikant war. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen stieg die aOR sogar auf 19,57 (8,34 bis 45,91) an. Bei dieser Gruppe hinterlässt eine Infektion offenbar nur eine sehr schwache Immunität, die die Senioren kaum vor einer erneuten schweren Erkrankung schützt, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht. Die Impfungen lagen bei den Erkrankten 3 bis 6 Monate zurück.
Zu einem entgegengesetzten Ergebnis kommen Sivan Gazit und Mitarbeiter von Maccabi Healthcare in Tel Aviv, der zweitgrößten Krankenkasse in Israel. Die Epidemiologen mussten nicht auf das Hilfsmittel der Test-negativen Fall-Kontroll-Studie zurückgreifen, da sie Zugriff auf die Daten aller Versicherten zu Infektion und Impfung hatten.
In Israel hatte es im Winter eine schwere Erkrankungswelle gegeben. Gleichzeitig hatte das Land eine erfolgreiche Impfkampagne begonnen. Ab August erlebte Israel infolge der Ausbreitung der Delta-Variante dann eine erneute Erkrankungswelle. Die Forscher haben untersucht, ob Geimpfte oder Genesene häufiger erkranken. Im Gegensatz zu der US-Studie waren die Genesenen besser geschützt: Gazit ermittelt für die Geimpften ein 13,06-fach (8,08 bis 21,11) erhöhtes Risiko auf eine Durchbruchinfektion mit der Delta-Variante im Vergleich zu den Genesenen.
Die unterschiedlichen Ergebnisse könnten zum einen darauf beruhen, dass die US-Studie nur den Einfluss von Impfung und Genesung auf schwere Erkrankungen untersucht hat, während die Studie aus Israel alle positiven Testergebnisse und damit auch milde Erkrankungen erfasst hat. Zum anderen könnte eine Rolle gespielt haben, dass in Israel die Impfung bei den meisten Personen schon länger als 6 Monate zurücklag. Die Antikörper-Titer könnten so weit gesunken sein, dass Durchbruchinfektionen möglich wurden.
Nach den Ergebnissen der israelischen Studie lässt jedoch auch die Schutzwirkung einer natürlichen Infektion mit der Zeit allmählich nach. Gazit weist darauf hin, dass in anderen Studien eine einzelne Impfstoffdosis die Immunabwehr von Genesenen aufgefrischt hat. Auch die CDC raten Genesenen, sich frühzeitig impfen zu lassen. © rme/aerzteblatt.de

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