Medizin
COVID-19: Anstieg von Ängsten und Depressionen bei Ärzten
Mittwoch, 3. November 2021
Exeter/England – Ärzte sind durch den Kontakt mit COVID-19-Patienten nicht nur in ihrer körperlichen Gesundheit bedroht. Eine Umfrage in 3 europäischen Ländern in PLoS ONE (2021; DOI: 10.1371/journal.pone.0259213) zeigt, dass auch die psychische Belastung hoch ist. Viele Kollegen litten während der 1. Krankheitswelle unter Ängsten und Depressionen, die auch bei der 2. Welle nicht abgenommen haben.
Die Pandemie hat ärztliche Routinen gestört und neue Stressoren eingeführt. Jeder Kontakt mit einem COVID-19-Patienten ist mit der potentiellen Gefahr einer Infektion verbunden, und auch Mediziner sind nicht frei von gesundheitlichen Risikofaktoren, die zu einem schweren oder tödlichen Verlauf führen können. Die Ängste waren vor allem in der 1. Erkrankungswelle verständlich, als die Infektionsrisiken noch nicht abgeschätzt werden konnten und es vielerorts an Schutzkleidung fehlte.
Forscher der University of Exeter Business School haben sich im Juni 2020 und im Dezember 2020 bei Ärzten aus Italien, Katalonien und Großbritannien nach ihrem psychischen Befinden erkundigt. Angststörungen wurden mit dem Fragebogen GAD 7 („Generalized Anxiety Disorder“) gemessen, der 7 Aspekte mit insgesamt 0 bis 21 Punkten bewertet. Als Cut-off wurden 10 Punkte gewählt. Depressionen wurden mit dem Fragebogen PHQ-9 („Patient Health Questionnaire“) bewertet, der 0 bis 27 Punkte annehmen kann. Der Cut-off waren hier ebenfalls 10 Punkte.
Die stärksten psychischen Belastungen wurden bei Ärzten in Italien gefunden. Bei der 1. Umfrage litten 24,6 % der Mediziner unter Ängsten und 20,1 % unter Depressionen. Bei der 2. Umfrage war der Anteil auf 28,2 % und 21,7 % angestiegen.
In Katalonien war die Häufigkeit von Ängsten von 15,9 % auf 14,0 % und von Depressionen von 17,4 % auf 15,9 % gesunken. In Großbritannien hatten Ängste von 11,7 % auf 17,9 % und Depressionen von 13,7 % auf 20,0 % zugenommen.
Die hohe Belastung der Ärzte in Italien führen Climent Quintana-Domeque und Mitarbeiter auf den Mangel an Schutzkleidung zurück, den 50,1 % der Mediziner bei der 1. Umfrage angaben (gegenüber 25,8 % in Katalonien und 16,1 % in England). In Italien war auch die Zahl der Ärzte, die sich vulnerabel und exponiert fühlten, am höchsten (46,9 % versus 24,4 % in Katalonien und 22,6 % in Großbritannien).
Dabei war der Anteil der Mediziner, die direkten Kontakt zu Patienten mit COVID-19 hatten (25,0 % versus 29,6 % und 30,2 %), geringer. Fast jeder 3. Arzt (31,4 % versus 22,9 % und 43,2 %) hatten den Tod eines Mitarbeiters erleben müssen. Bei der 2. Welle fehlte es zwar weniger häufig an Schutzkleidung, dafür war aber die Belastung durch Patienten und Todesfälle im Personal höher.
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Ärzte in Deutschland waren allerdings nicht befragt worden. Doch die Risikofaktoren für eine psychische Belastung dürften ähnlich sein. Am häufigsten litten in den 3 Ländern Ärzte, die ihren Gesundheitszustand als schlecht einstuften, unter Depressionen (Odds Ratio OR 3,35) und Ängsten (OR 2,58).
Auch Ärzte, die sich als vulnerabel oder exponiert einstuften, waren häufiger von Depressionen (OR 1,72) und Ängsten (OR 1,68) betroffen, wobei der Mangel an Schutzkleidung (OR 1,27 und 1,39) oder die mangelnde Sicherheit am Arbeitsplatz die Psyche ebenfalls stärker belasteten (OR 1,36 und 1,29). Auch die Behandlung von COVID-19-Patienten sorgte für depressive Verstimmungen (OR 1,32) und Ängste (1,32).
Dass die Gefühle nicht immer die Gefahrenlage richtig wiedergeben, zeigte sich bei weiblichen Ärzten und bei Ärzten unter 60 Jahren. Diese litten häufiger unter Depressionen (OR 1,76 für Frauen und 1,58 für jüngere Ärzte) und unter Ängsten (OR 1,77 für Frauen und 1,49 für jüngere Ärzte), obwohl sie objektiv ein geringeres Risiko auf COVID-19 haben als Männer oder als ältere Personen. © rme/aerzteblatt.de

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