Politik
Flächendeckende Coronamaßnahmen und Wunsch nach einrichtungsbezogener Impfpflicht
Donnerstag, 18. November 2021
Berlin – Die Länder haben sich heute für eine „einrichtungsbezogene“ Coronaimpfpflicht für das Personal in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten ausgesprochen, wenn Kontakt zu besonders gefährdeten Personen besteht. Darauf einigten sich die Regierungschefs der Länder heute nach bei Beratungen mit dem Bund.
Auch Personal von Einrichtungen der Eingliederungshilfe soll unter die Impfpflicht fallen. Die Länder bitten den Bund, die Impfpflicht nun „schnellstmöglich umzusetzen“. Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte heute in einer Pressekonferenz nach dem Gipfel, der Bund wolle sich nun mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht befassen.
An der Videokonferenz heute nahmen neben den Regierungschefs der Länder und Merkel, auch der SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) teil, daneben weitere geschäftsführende Bundesminister.
Merkel sprach nach dem Ende der Konferenz vor Journalisten von einer „besorgnisserregenden Situation“ und einer „hochdramatischen Lage“. Die Inzidenzen seien nicht in allen Ländern gleich und gingen von 117 bis 911. Einen weiteren exponentiellen Anstieg könne man sich nicht erlauben. Es brauche daher eine Bremse. Merkel betonte auch, dass viele nun notwendigen Maßnahmen nicht notwendig gewesen wären, wenn mehr Menschen sich hätten impfen lassen. Sie appellierte an die Menschen, das nun dringend nachzuholen.
27 Millionen Menschen müssen die Auffrischimpfung bekommen
Merkel begrüßte die heutige neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), die eine dritte Impfung für alle Menschen ab 18 Jahren empfiehlt. Angeraten ist von der STIKO zudem ein Abstand zur zweiten Impfung von sechs Monaten, ab fünf Monaten sei unter gewissen Umständen möglich, so die STIKO, die an der grundsätzlichen Priorisierung von vulnerablen Gruppen festgehalten hat.
Die Kanzlerin betonte aber auch, dass diese Empfehlung nun eine große Herausforderung für Bund und Länder darstelle. Denn nun müssten rund 27 Millionen Menschen die Auffrischimpfung bekommen.
„Bund und Länder verpflichten sich, jedem ein Angebot zu machen“, sagte Merkel. Die Chefs der Staatskanzleien sollen nun mit den Gesundheitsministern der Länder in die konkrete Planung eintreten. Dabei soll offenbar alles mobilisiert werden, was möglich ist. Merkel sprach vom Katastrophenschutz und Technischen Hilfswerk, die ihre Unterstützung signalisiert hätten.
Nordrhein-Westfalens (NRW) Ministerpräsident Hendrik Wüst, derzeit Vorsitzender der MPK, betonte, dass der Gesundheitsschutz absolute Priorität habe und gemessen daran sei die Lage „sehr, sehr ernst“. In der Pandemie sei man nun nah an dem Punkt angekommen, an den man nie habe kommen wollen: Dass die Krankenhäuser entscheiden müssten, wen man noch behandeln könne und wen nicht. Wüst betonte, die Länder seien zur massiver Ausweitung der Boosterimpfung bereit. Die Länder wollten Impfkapazitäten massiv und flächendeckend ausbauen.
Bund und Länder beschlossen heute konkrete Maßnahmen, die sich vor allem an der Hospitalisierungsrate orientieren. Merkel betonte, es sei ihr wichtig gewesen, einen konkreten Maßnahmenkatalog zu erstellen, wann was in welchen Ländern greifen solle.
Flächendeckende Zugangsbeschränkungen
Beschlossen wurde unter anderem eine flächendeckende Zugangsbeschränkungen im öffentlichen Leben für nicht geimpfte Menschen. So sollen laut Beschluss nur noch Geimpfte oder Genesene (2G) Zutritt etwa zu Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gastronomie sowie zu körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen haben.
Die Maßnahmen sollen dann greifen – sofern noch nicht geschehen –, wenn die für das jeweilige Land ausgewiesene Hospitalisierungsrate den Schwellenwert 3 überschreitet. Das ist die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Coronapatienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen.
Wenn der Schwellenwert an fünf Tagen in Folge unterschritten wird, kann laut der Vorlage von den 2G-Regelungen wieder abgesehen werden. Die Einhaltung der Zugangsregelungen werde „konsequent und noch intensiver als bisher kontrolliert“. Ausnahmen von der 2G-Regel sind für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren möglich.
Wenn die für das jeweilige Land ausgewiesene Hospitalisierungsrate den Schwellenwert 6 überschreitet, soll die 2G-plus-Regel gelten. An Orten mir besonders hohem Infektionsrisiko – etwa Diskotheken, Clubs oder Bars – sollen Geimpfte und Genesene demnach zusätzlich einen aktuellen Coronatest vorzeigen müssen, ergibt sich aus den nach Teilnehmerangaben vereinbarten Punkten der Vorlage.
Bei einem Schwellenwert von 9 sollen mit Zustimmung der Landtage alle Möglichkeiten greifen, wie auch Kontaktbeschränkungen, teilte Merkel mit. Dies zielt auf eine vom Bundestag beschlossene Klausel: Nach einem entsprechenden Landtagsbeschluss sollen die Länder auch härtere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen verhängen können.
Die Länder wollen darüber hinaus die Kontrolldichte bei Coronaschutzmaßnahmen erhöhen. In einer Vorlage hieß es, Schutzmaßnahmen könnten nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie verlässlich eingehalten werden. Dies erfordere eine strikte Kontrolle, etwa von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, bei entsprechenden Zugangsbeschränkungen.
In der Verantwortung stünden Veranstalter und Betreiber von Einrichtungen, da nachlässige Kontrollen die Ansteckungsgefahr erhöhten und die Verbreitung des Virus begünstigten. Die Länder würden deshalb den Bußgeldrahmen ausschöpfen, die Kontrolldichte erhöhen und Verstöße entschieden sanktionieren.
Angedacht sind zudem Homeoffice, 3G am Arbeitsplatz und im öffentlichen Nahverkehr sowie in Regional- und Fernzügen.
Bonus für Pflegekräfte
Laut Beschlussvorlage sollen die Pflegekräfte, insbesondere der Intensivpflege, im Gesundheitssystem wegen ihres Einsatzes „in der aktuell sehr herausfordernden Situation“ erneut einen Pflegebonus erhalten. Zur möglichen Höhe der Geldzahlung wird in dem Papier nichts gesagt. Wüst dankte den Pflegekräften für ihren unermüdlichen Einsatz.
Die unionsgeführten Länder hielten weiterhin einen „ausreichenden Instrumentenkasten“ im Kampf gegen Corona für erforderlich, sagte Wüst. Dass die Ampel-Fraktionen von SPD, FDP und Grünen die „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ auslaufen lassen wollten, sei ein „Fehler“. Eine Verlängerung wäre besser gewesen, so Wüst. Merkel äußerte sich ähnlich.
Bund und Länder wollen die Lage nun weiterhin intensiv beobachten. Am 9. Dezember soll es eine weitere Runde der Ministerpräsidenten mit dem Bund geben. Wenn notwendig, soll vorher nachgesteuert werden. Das habe Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) als voraussichtlich künftiger neuer Kanzler zugesagt. © may/dpa/aerzteblatt.de

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