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Medizin

SARS-CoV-2: Forscher finden Erklärung für Impfkomplikation VITT

Dienstag, 7. Dezember 2021

/tussik, stock.adobe.com

Rochester/Minnesota – Die Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie (VITT), die zu Beginn der Impfkampagne in sehr seltenen Fällen zu zerebralen Venen- und Sinusthrombosen und ande­ren thrombotischen Ereignissen geführt hat, ist vermutlich auf eine Bindung des Plättchenfaktors 4 (PF4) an die Adenoviren zurückzuführen, die in den Impfstoffen von Astrazeneca (AZD1222) und Johnson & Johnson (Ad26.COV2.S) als Vektor benutzt werden.

Dies zeigen Untersuchungen amerikanischer und britischer Forscher in Science Advances (2021; DOI: 10.1126/sciadv.abl8213).

Anfang des Jahres kam es nach Impfungen mit AZD1222 und später auch mit Ad26.COV2.S vor allem bei jüngeren Menschen zu schweren thrombotischen Ereignissen. Die Fälle waren und sind extrem selten. In der Datenbank EudraVigilance der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) wurden bis März nur 86 Fälle gemeldet. Sie sorgten allerdings weltweit für Aufsehen und für Änderungen der Impfempfehlungen.

Die Ursache der VITT konnte recht schnell auf die Bildung von Antikörpern gegen PF4 zurückgeführt wer­den, da das Krankheitsbild dem einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) ähnelt. Dort kommt es ebenfalls zur Bildung von PF4-Antikörpern, die Auslöser von Thrombosierungen sind. Der Nachweis von PF4-Antikörpern wird heute zur Diagnose von HIT und VITT genutzt.

Da die VITT nur nach der Gabe von Vektor-basierten Impfstoffen aufgetreten war, lag es nahe, die Ur­sache beim Vektor zu suchen. Als solcher dienen bei den Impfstoffen Adenoviren. Bei AZD1222 ist es das Adenovirus ChAdOx1. Die Vakzine von Johnson & Johnson benutzt das Adenovirus Ad26.

Ein Team um Mitesh Borad von der Mayo Clinic in Rochester/Minnesota hat die Viren ChAdOx1 und Ad26 mit der Kryoelektronenmikroskopie untersucht. Dabei wurde eine Auflösung von 3,07 Ångström erzielt, laut Borad die höchste, mit der jemals ein Adenovirus untersucht wurde. Auf den Bildern ist zu erkennen, dass PF4 an bestimmten Stellen des Virus haftet. Nach den Berechnungen der Forscher handelt es sich um eine elektrostatische Anziehung, was sich in einer Spezialuntersuchung („Oberflächenplasmonen­resonanz­spektroskopie“) bestätigte.

Borad vermutet, dass der Komplex aus Adenovirus und PF4 auch dann erhalten bleibt, wenn er von Monozyten durch Phagozytose aufgenommen und im nächsten Lymphknoten den Zellen des Immun­systems vorgestellt wird. Wird er dort als fremd erkannt, können B-Zellen aktiviert werden, die nach einigen Tagen Antikörper gegen den Komplex aus Adenovirus und PF4 bilden. Diese aktivieren Thrombo­zyten, die sich dann zu Thromben zusammenballen.

Die Forscher fanden auch heraus, dass Heparin die Bildung der Komplexe aus Adenovirus und PF4 ver­hindern kann. Daraus lassen sich allerdings keine Behandlungsansätze ableiten. Für eine Heparinprophy­laxe der VITT (so sie denn klinisch wirksam wäre) ist die VITT viel zu selten und das Blutungs­risiko von Heparin zu hoch. Zudem ist zu befürchten, dass nach Eintreten der VITT Heparin eher eine schädliche Wirkung hat. Alle Leitlinien raten deshalb zum Einsatz anderer Antikoagulanzien.

Die Bindung von PF4 an Adenoviren ließe sich möglicherweise durch die Veränderung der Oberflächen­struktur der Adenoviren vermeiden, schreibt Borad. Diese neuen Vektoren müssten dann jedoch erneut klinisch getestet werden, was langwierig und deshalb derzeit unrealistisch erscheint. Die aktuelle Strate­gie besteht darin, die Geimpften auf die ultraseltene Impfkomplikation hinzuweisen, um bei möglichen Symptomen frühzeitig intervenieren zu können. © rme/aerzteblatt.de

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