Ärzteschaft
Intensivstationen brauchen Inzidenzwert von unter 200
Donnerstag, 9. Dezember 2021
Köln/Berlin – Die Zahl der freien Intensiv- und Beatmungsbetten in Deutschland ist laut dem Intensivmediziner Christian Karagiannidis auf den niedrigsten bisher erfassten Stand gesunken. Das mache ihm Sorgen insbesondere in Hinblick auf die Variante Omikron, sagte der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters. Die neue Coronavariante werde sich mit hoher Geschwindigkeit durchsetzen.
Im DIVI-Intensivregister waren gestern Mittag rund 2.250 Intensivbetten als frei ausgewiesen (1,8 pro Standort), davon 921 spezifisch für COVID-19. Auf einem solchen Level werde Omikron „wehtun, auch wenn es nicht ganz so schwer krank machen sollte“, sagte der Arzt von der Lungenklinik Köln-Merheim. Er sprach von der Variante als drohende „große Unbekannte“.
Die aktuelle Lage sei sehr dynamisch, sagte Karagiannidis. Die Delta-Welle scheine in eine Seitwärtsbewegung überzugehen, insbesondere wegen sinkender Infektionszahlen in Bayern. Auf den Intensivstationen sei es mit nun knapp 5.000 COVID-19-Patienten „ziemlich voll“. Hinzu kämen im Unterschied zu früheren Wellen weitere zu versorgende Notfälle, zum Beispiel Unfallopfer. In Phasen mit weitreichenden Kontaktbeschränkungen sei dies seltener gewesen.
Mit der jetzigen Infiziertenzahl auf Intensivstationen ist annähernd wieder ein Niveau wie zum Höhepunkt der dritten Coronawelle erreicht. Der Maximalwert des Frühjahrs hatte gut 5.100 betragen, den Höchststand gibt das Register mit rund 5.700 Erkrankten gleichzeitig für Anfang Januar 2021 während der zweiten Welle an. Der Modellierer Andreas Schuppert hatte kürzlich gesagt, bis Weihnachten seien bis zu 6.000 COVID-19-Kranke zu befürchten.
Karagiannidis sagte dem Spiegel, Deutschland benötige eine Sieben-Tage-Inzidenz von unter 200, um seine Intensivstationen arbeitsfähig zu halten. Der Inzidenzwert lag laut Robert-Koch-Institut heute bei 422,3 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche – also mehr als doppelt so hoch.
Im Unterschied zu früheren Wellen haben Kliniken laut DIVI auch mit einem Mangel beim Pflegepersonal zu kämpfen. Allein von den wichtigen Beatmungsbetten seien daher 3.000 weniger betreibbar als vor einem Jahr.
In der vierten Welle unterscheidet sich zudem die Belastung sehr stark nach Region, besonders hoch ist sie derzeit in Sachsen, Thüringen und Bayern. Die Gesamtzahl an Schwerkranken wegen Corona wäre Fachleuten zufolge noch weitaus höher, wenn vor allem der ältere Teil der Bevölkerung in Deutschland nicht mehrheitlich geimpft wäre. © dpa/aerzteblatt.de

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