Medizin
Multiple Sklerose: Nicht alle Medikamente vermindern Reaktion auf Coronaimpfung
Donnerstag, 16. Dezember 2021
London – Eine Impfung gegen COVID-19 kann bei Patienten mit multipler Sklerose trotz einer verlaufsmodifizierenden Behandlung erfolgreich sein. In einer Kohortenstudie in den Annals of Neurology (2021; DOI: 10.1002/ana.26251) wurde mit den meisten Wirkstoffen eine Serokonversion erreicht. Die Ausnahmen bildeten CD20-Antikörper und Fingolimod, für die jedoch manchmal eine T-Zellantwort nachgewiesen werden konnte.
Die meisten Patienten mit multipler Sklerose werden heute mit Medikamenten behandelt, die Schübe verhindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen. Die Wirkstoffe erreichen dies häufig über eine Dämpfung des Immunsystems, die auch die Reaktion auf Impfungen abschwächen kann.
Besonders hoch ist dieses Risiko bei CD20-Antikörpern, die die Antikörper-bildenden B-Zellen zerstören. Für den CD20-Antikörper Rituximab, der bei anderen Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, konnte dies bereits nachgewiesen werden. Bei der multiplen Sklerose werden häufiger die CD20-Antikörper Ocrelizumab und Ofatumumab eingesetzt. Die Befürchtung, dass diese Mittel eine Antikörperreaktion nach einer Impfung gegen COVID-19 verhindern, hat sich jetzt in einer Kohortenstudie an 5 britischen MS-Zentren bestätigt.
Nach den jetzt von einem Team um Ruth Dobson vorgestellten Ergebnissen, die auf den Analysen der Blutproben von insgesamt 473 Patienten beruhen, kam es nach der 2. Impfdosis nur bei 25 % der Patienten, die mit CD20-Antikörpern behandelt wurden, zu einer Serokonversion, wobei die Ergebnisse nach der Gabe von BNT162b2 von Biontech/Pfizer mit 31 % etwas besser waren als nach AZD1222 von Astrazeneca (22 %). Mit einer Antikörperreaktion bei 33 % der Patienten waren die Ergebnisse bei Patienten, die mit dem Sphingosin-1-phosphat-Analogon Fingolimod behandelt wurden, nicht wesentlich besser.
Alle anderen Wirkstoffe erreichten häufiger eine Serokonversion: Glatirameracetat, Teriflunomid (beide 100 %), Natalizumab und Dimethylfumarat (beide 92 %), Alemtuzumab (86 %) und Cladribin (80 %). Die Serokonversion bietet keine Gewähr für einen Schutz vor einer Infektion, ist jedoch eine wichtige Voraussetzung dafür.
Neben den Antikörpern sind auch T-Zellen an der Abwehr von Virusinfektionen beteiligt. Die Forscher haben deshalb auch Funktionstests zu T-Zellen bei Patienten durchgeführt, die keine Serokonversion erzielt hatten: Bei 4 von 6 Patienten, die mit Ocrelizumab behandelt wurden, war eine T-Zellreaktion nachweisbar, während die Tests bei 2 Patienten, die Rituximab erhielten, und bei 5 von 6 Patienten, die mit Fingolimod behandelt wurden, negativ ausfielen. Auch hier ist nicht sicher, dass eine positive T-Zellreaktion eine Schutzwirkung anzeigt.
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Die Ärzte raten den Patienten deshalb zur Vorsicht, was vielen mit zunehmender Dauer der Pandemie schwer fällt. Ein Wechsel der Medikamente ist jedoch riskant, da es zu einem Schub kommen kann. Sichere Strategien, die dies vermeiden, gibt es derzeit offenbar nicht.
Bei Neuerkrankungen rät Dobson, den Beginn einer verlaufsmodifizierenden Behandlung hinauszuschieben, bis die Impfung abgeschlossen ist. Da neue Varianten Nachimpfungen erforderlich machen, ist auch dies derzeit nicht unbedingt eine Lösung. © rme/aerzteblatt.de

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