Medizin
Long COVID: Studie findet Hinweise auf Entzündungsreaktionen
Donnerstag, 16. Dezember 2021
Leicester/England – Viele Patienten, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden, erholen sich nur langsam. In einer britischen Langzeitstudie litten die meisten Patienten, die 5 Monate nach der Entlassung über Long COVID klagten, auch nach 1 Jahr noch unter den Folgen der Erkrankung. Bei vielen Patienten waren laut der Publikation in medRxiv (2021: DOI: 10.1101/2021.12.13.21267471) Entzündungsparameter im Blut erhöht.
Die „Post-hospitalisation COVID-19“-Studie (PHOSP-COVID) begleitet eine Gruppe von Erwachsenen, die während der 1. Welle mit COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden. Das Ziel ist die Erfassung von Langzeitfolgen der Erkrankung. Von den 2.230 Patienten, die nach 5 Monaten an einer 1. Nachuntersuchung teilnahmen, konnten 807 nach 12 Monaten erneut untersucht werden. Bei der 1. Untersuchung waren auch Blutproben entnommen worden. Dort wurde die Konzentration von 296 Proteinen bestimmt, die an Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt sind.
Der Anteil der Patienten, die sich vollständig von den Folgen der Erkrankung erholt hatten, ist laut dem Bericht des Teams um Chris Brightling von der Universität Leicester nur unwesentlich von 25,5 % auf 28,9 % angestiegen. Selbst unter der vermutlich unrealistischen Annahme, dass sich alle Teilnehmer, die nur zur 1. Nachuntersuchung erschienen sind, inzwischen erholt haben, steigt der Anteil der vollständig genesenen Patienten nur auf etwa 60 %. Vermutlich sind es deutlich weniger.
Der geringe Anteil der Patienten, die sich bisher erholt haben, könnte laut Brightling darauf zurückzuführen sein, dass mehr als 1/4 (27,8 %) der Patienten in der Klinik maschinell beatmet werden mussten. Diese invasive Behandlung führt auch nach anderen Erkrankungen häufig zu einer verzögerten Erholung.
In der PHOSP-COVID-Studie senkte eine maschinelle Beatmung die Wahrscheinlichkeit auf eine vollständige Erholung nach 1 Jahr um 58 % (Odds Ratio 0,42; 95-%-Konfidenzintervall 0,23-0,76). Die beiden anderen fast ebenso starken Risikofaktoren für ein Long COVID waren ein weibliches Geschlecht (Odds Ratio 0,68; 0,46-0,99) und eine Adipositas (OR 0,50; 0,34-0,74).
Die Symptome von COVID-19 sind bekannt. Neben zahlreichen körperlichen Beschwerden klagen viele Patienten auch über eine mentale Abgeschlagenheit, die als „brain fog“ bezeichnet wird. In einer früheren Zwischenauswertung von PHOSP-COVID nach 5 Monaten hatten die Forscher 4 Verlaufsformen („Cluster") unterschieden. Bei 39 % waren die Long-COVID-Symptome insgesamt mild gewesen, bei 30 % war es zu schweren und bei 20 % zu sehr schweren körperlichen oder mentalen Einschränkungen gekommen. In einer weiteren Gruppe von 11 % der Teilnehmer standen die mentalen Symptome im Vordergrund.
Diese Cluster unterschieden sich jetzt hinsichtlich der Entzündungsparameter, die 5 Monate nach der Entlassung aus der Klinik im Blut nachweisbar waren. Bei den Patienten mit „sehr schweren“ Symptomen kam es zum Anstieg von Proteinen wie TTF2, die eine persistierende Störung der Schleimhautfunktion anzeigen, sowie zu einem Anstieg von Zytokinen der Entzündungsreaktion wie Interleukin 6 oder Interleukin 1. Bei den Teilnehmern mit „brain fog“ kam es zu einem Anstieg von Markern wie CD70, die auf eine Neuroinflammation hinweisen.
Aus diesen Erkenntnisse könnten sich laut Brightling neue Therapieansätze ergeben. Sollte sich die Vermutung einer anhaltenden Entzündungsreaktion bestätigen, könnten Interleukin 6-Blocker wie Tocilizumab oder auch der Interleukin 1-Antagonist Anakinra die körperlichen Beschwerden lindern. Die Neuroinflammationen, die zum „brain fog“ führen, müssten mit anderen antientzündlichen Medikamenten behandelt werden.
Dies sind derzeit allerdings reine Spekulationen. Eine Wirksamkeit müsste auch wegen der Nebenwirkungen und bei den Biologika wegen der Kosten zuerst in klinischen Studien untersucht werden. © rme/aerzteblatt.de

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