Medizin
Magnetresonanzspektroskopie mit 7 Tesla erkennt Multiple Sklerose früher
Donnerstag, 6. Januar 2022
Wien – Patienten mit Multipler Sklerose haben auch in Regionen des Gehirns, die in der normalen Bildgebung unauffällig erscheinen, „metabolische“ Störungen, die eine Studie in Radiology (2022; DOI: 10.1148/radiol.210614) mit der Magnetresonanzspektroskopie sichtbar macht. Voraussetzung für die Untersuchung sind leistungsstarke Kernspintomografen mit einer magnetischen Flussdichte von 7 Tesla, die erst an wenigen Zentren zur Verfügung stehen.
Mediziner nutzen Magnetresonanztomografen bisher nur zur Bildgebung, um krankhaft veränderte Strukturen im Körper zu erkennen und zu beurteilen. Mit denselben Geräten können jedoch auch Stoffwechselprozesse im Gewebe sichtbar gemacht werden.
Mit der Magnetresonanzspektroskopie lässt sich erkennen, ob die Konzentration bestimmter Metabolite erhöht oder vermindert ist. Doch die Messgebiete waren bisher relativ groß. Die „Voxel“ hatten eine Kantenlänge im Zentimeterbereich, was keine detaillierte Untersuchung beispielsweise der Läsionen in der weißen Hirnsubstanz von Patienten mit Multipler Sklerose ermöglicht. Bei modernen Geräten mit einer Flussdichte von 7 Tesla, über die mittlerweile einige Universitäten verfügen, ändert sich die Situation.
Ein Team um Wolfgang Bogner vom Hochfeld MR Zentrum Wien konnte die Größe der Voxel auf 2 x 2 mm begrenzen, womit sich detaillierte „metabolische Landkarten“ des Gehirns erstellen lassen. Bei der Multiplen Sklerose sind 2 Metabolite interessant: N-Acetylaspartat und Myo-Inositol.
N-Acetylaspartat ist fast ausschließlich in Nervenzellen vorhanden. Niedrige Konzentrationen weisen auf eine Schädigung der Axone hin. Sie beruht bei der Multiplen Sklerose auf der Zerstörung der Myelinscheiden, die wie eine Isolationsschicht die Axone umgeben. Die Schädigung der Myelinscheiden ist Folge einer Entzündungsreaktion, an der das Gliagewebe beteiligt ist. Die Gliazellen enthalten Myo-Inositol. Ein Anstieg dieses Metaboliten weist deshalb auf eine Entzündungsreaktion hin.
Die Wiener Radiologen haben die Magnetresonanzspektroskopie bei 65 Patienten mit Multipler Sklerose und bei 20 gesunden Personen gleichen Alters und Geschlechts durchgeführt.
Dabei stellte sich heraus, dass viele Patienten mit Multipler Sklerose, nicht aber die gesunden Probanden Veränderungen in Hirnregionen haben, die in normalen T1-gewichteten Aufnahmen völlig unauffällig waren. Ein Anstieg von Myo-Inositol wurde häufig im Centrum semiovale gefunden, einer größeren Region der weißen Hirnsubstanz unterhalb der Großhirnrinde. Hier wiesen auch Patienten im Frühstadium der Erkrankung (EDSS 0–1) Veränderungen auf. Bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium (EDSS 1,5 oder höher) kam es häufiger zu einem Abfall von N-Acetylaspartat.
Interessant ist der Quotient aus Myo-Inositol und N-Acetylaspartat. Mit ihm ließen sich einzelne Läsionen im Gehirn lokalisieren, die auf einer T1-Aufnahme der Magnetresonanztomografie nur schwach oder noch gar nicht erkennbar waren. Sollten sich die Ergebnisse in Längsschnittstudien bestätigen, dann könnte die Magnetresonanzspektroskopie in Zukunft zu einem Standardbildgebungsverfahren für die Erstdiagnose werden, meint Bogner. Dies würde allerdings voraussetzen, dass mehr Zentren als bisher über leistungsstarke Kernspintomografen mit einer Flussdichte von 7 Tesla (oder mehr) verfügen. © rme/aerzteblatt.de
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